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Konflikt mit Flugsicherung

Gericht will Streit um Lufthoheit

Schon eine Woche nach der Veröffentlichung der Urteilsbegründung durch das sogenannte OVG Lüneburg schlagzeilte der Delmenhorster Kurier: „Es geht alles weiter wie bisher“. Zwei Tage zuvor hatte die Neue Osnabrücker Zeitung ihre eigene Berichterstattung über die mit dem Urteil gemeinten Windparkprojektierer mit „Teilerfolg für Ganderkeseer Windpark-Bauer“ überschrieben. Betroffen von dem schon Ende Januar gefällten Richterspruch des Eilverfahrens ist der geplante Windpark Sannauer Helmer auf den Gemarkungen der benachbarten Gemeinden Ganderkesee und Lemwerder. Von den 33 vorgesehenen Anlagen hatte das OVG 29 als möglicherweise störend eingestuft, weil sie weniger als 15 Kilometer vom Flughafen Bremen zum Stehen kommen sollen. Dabei hatte der Landkreis Wesermarsch bereits den Teil des Projekts auf der zu diesem Landkreis gehörenden Lemwerderaner Gemarkung genehmigt. Die Investorengemeinschaft Windpark Fritzenberg GmbH begann mit der Errichtung der Anlagen bereits Ende 2014. Weil einige der Anlagen schon ans Netz angeschlossen sind gilt jetzt ein Baustopp für die noch nicht errichteten Turbinen bei Lemwerder. Doch für das südlich gelegene Projektgebiet der Gemeinde Ganderkesee fehlt noch die Genehmigung durch den Landkreis Oldenburg.

Der Schluss, den die Windparkinvestoren daher ziehen: Die Baustoppverfügung gemäß dem Richterspruch zu dem Eilantrag zweier Flugsicherungsgesellschaften gilt für die 14 dort geplanten Turbinen noch nicht. Dabei sind diese sämtlich in der vom Richter akzeptierten 15-Kilometer-Sicherheitszone um den Bremer Flughafen. Doch der Sprecher der Investorengemeinschaft, Gerd Schütte, betont: „Für uns bedeutet die Entscheidung des OVG gar nichts, weil wir bislang ja noch nicht mal eine Baugenehmigung haben.“ Auch der Landkreis will das Genehmigungsverfahren erstmal fortführen: Die Investoren verträten die Meinung, erklärte ein Sprecher der Delmenhorster Tageszeitung, dass sie beim noch ausstehenden Hauptsacheverfahren sich gute Chancen ausrechneten.  

Die möglicherweise verblüffende und mit Sicherheit nüchterne Aussage bezieht sich letztlich wohl auf die bisherige juristische Erfahrung der Windbranche in Niedersachsen, die der Lüneburger Juristenmeinung komplett entgegensteht. So musste der Richter in dem Eilverfahren sich komplett gegen zwei Urteile von Amtskollegen in Hannover und Oldenburg wenden, die zuvor den Bau neuer Turbinen auch nahe von Funknavigationsanlagen und dies noch im vermeintlich anerkannten 15-Kilometer-Schutzkreis um einen Flughafen durchgewinkt hatten. Dabei hatte das Verwaltungsgericht Oldenburg die Eilanträge mit der Begründung vorher schlicht abgewiesen, weil die Beschwerden der Einrichtungen Deutsche Flugsicherung und Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ohnehin nicht bindend seien. Zudem waren für sie die technischen Begründungen für die Störung des Funks nicht schlüssig. Sogar, dass die Flugsicherer in dem Fall eigene Rechte reklamieren konnten, bezweifelte der Richter in der benachbarten Universitätsstadt.   

Das Verwaltungsgericht in Hannover hatte dem OVG ebenfalls eine Vorlage geliefert, die die neue Lüneburger Juristenmeinung hätte eigentlich verhindern müssen. Schon im Dezember nämlich hatte das OVG einen Spruch der Kollegen in der Landeshauptstadt aus dem Jahr 2010 für ein Windrad gegen die Bedenken der Flugsicherer wieder kassiert.

Kritik an Begründungsunlust

Die Leipziger Anwaltskanzlei Maslaton kritisiert an dem Lüneburger Richterspruch nun auch noch, dass dieser offenbar sogar die in mehreren Rechtsprechungen angezweifelte Entscheidungskraft der Flugsicherung wieder einzuführen versucht. Bestürzend sei auch, erklärte die Kanzlei jetzt in einer Pressemitteilung, dass das OVG mit der Begründung sogar eine gewisse Wurschtigkeit an den Tag gelegt habe: Für beide Fälle habe sie fast die exakt selbe Begründung verwendet – obwohl beide Projekte in Hannover und bei Bremen zuvor auf völlig verschiedenen Verfahrenswegen behandelt worden waren. Daher hätten sie auch eine jeweils andere juristische Stoßrichtung vom OVG verlangt. Außerdem habe das OVG den Flugsicherungen als eine wohl fast bizarr anmutende Gunst es durchgehen lassen, dass deren Argumentation erst ganz am Ende der Eilverfahren in Lüneburg vollständig war. Doch eigentlich hätte die Lüneburger Justiz ja nur die vorangegangenen Richtersprüche beurteilen müssen – in denen diese Begründungen der Flugsicherer noch gar keine Rolle gespielt hatten.

„Die Richtersprüche sind kein schönes Zeichen“, sagt Maslaton-Anwalt Peter Sittig auf eine Nachfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Sie könnten, wenn es dumm für die Windkraft läuft, eine psychologische Wirkung auf die Verwaltungsrichter in künftigen Verfahren der Flugsicherung gegen Windparkprojekte oder auch auf Genehmigungsbehörden haben, schlussfolgert Sittig.

Hauptverfahren steht noch aus

Doch auch Sittig setzt auf das nun anstehende Hauptsache-Verfahren. „Der OVG-Spruch hindert ja die Verwaltungsgerichte und selbst das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg nicht, beim zugelassenen eigentlichen Verfahren dann anhand der Details der Fälle wieder zu einer ganz anderen Auffassung zu kommen.“ Und schließlich beeinflussten auch Urteile von Oberverwaltungsgerichten in anderen Bundesländern, die bisher positiver ausfielen, die Rechtsprechung zur Flugsicherung insgesamt. Vor allem, wenn der ewige Streit zwischen Flugwirtschaft und Windkraft in eine neue juristische Runde vor das Bundesverwaltungsgericht müsste.

(Tilman Weber)