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Digitalisierter Weitblick

Charakterisiert als „eCrew“ – establishing Community Renewable Energy Webs – zielte ein im Juni 2023 zu Ende gegangenes Forschungsprojekt sinngemäß übersetzt darauf ab, digitale Erneuerbare-Energien-Gemeinschaftsnetze einzurichten. Im Projekt hatte die Stadtwerk Haßfurt GmbH die Auswirkungen von Energiegemeinschaften auf die effiziente Nutzung von erneuerbar erzeugter Energie im Niederspannungsnetz ein Jahr lang getestet. Hauptziel war es, kleinere und mittlere Haushaltsgruppen zur gemeinsamen Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Strom zu mobilisieren und durch optimierten Energieverbrauch auf Systemebene auch Netzausbauinvestitionen zu vermeiden. Der Feldtest diente auch dazu, regional erzeugte Energie im Netzbereich zu halten, ohne noch von externen Energielieferungen abhängig zu sein. Gemäß dem Motto: Die beste Energie ist die Energie, die in unmittelbarer Nähe sofort genutzt oder gespeichert wird und nicht über Energienetze transportiert werden muss.

Im Allgemeinen praktiziert der Kommunalversorger im fränkischen Haßfurt diesen zellularen Ansatz seit mehreren Jahren bereits auf höherer Spannungsebene: Wir betreiben im Netzgebiet drei Batteriespeicher auf Lithium-Ionen-Basis, die zusammen 13,6 Megawattstunden (MWh) ein- und ausspeichern können. Seit 2016 ist in Haßfurt auch ein Elektrolyseur in Betrieb, der bei hoher Erzeugung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen überschüssige, im regionalen Versorgungsnetz gerade nicht benötigte Strommengen zusammen mit Wasser in den emissionsfreien Energieträger Wasserstoff (H2) umwandelt. Das in Haßfurt als Inselnetz betriebene Erdgasnetz lässt das H2 aktuell zu etwa sieben Volumenprozent einspeisen. Zudem lässt es sich nach Zwischenspeicherung in einem Wasserstofftank über ein Erdgas-Wasserstoff-Blockheizkraftwerk rückverstromen, sobald Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energie liefern, um den Stromverbrauch zu decken.

Ökostrom satt und Kurzfristspeicher

Insgesamt sind im Stadtgebiet 13 Windkraftanlagen mit 31 Megawatt (MW) im Teilbesitz der Städtischen Betriebe Haßfurt GmbH, anteilig gehören diese auch einer Bürgerenergiegenossenschaft, einem regionalen Stromversorger und der Green Planet Projects aus Hamburg. Hinzu kommen Hunderte Photovoltaikanlagen, darunter mehrere Freifeldanlagen, mit insgesamt knapp 30 MW Nennleistung. Auch in Sachen Photovoltaik (PV) sind es – neben den vielen Kleinanlagen der Haushalte – PV-Anlagen im städtischen Besitz von Stadtwerk, Städtische Betriebe und Stadt oder Anlagen von größeren Industriebetrieben und Bürgergemeinschaften. So erreicht die jährliche Grünstromerzeugung im Netzgebiet bis zu 140 Gigawattstunden (GWh). Rechnerisch knapp ein Drittel davon verwendet die Stadtwerk Haßfurt GmbH zur Deckung des Bedarfs der eigenen Stromkunden im Vertrieb, die jährlich rund 40 GWh abnehmen, während im Netzgebiet der Strombedarf mit knapp 80 GWh etwa doppelt so hoch ist. Die genannte Speicherkapazität für Grünstrom im Netzgebiet durch Batteriespeicher von 13,6 MWh reicht aus, um eine im Stadtgebiet auftretende Spitzenlast etwa eine Stunde lang auch bei Dunkelflaute mangels Wind oder Sonne abzudecken. So versorgen wir auch die 14.000-Einwohner-Stadt zu mehr als 300 Prozent mit Erneuerbaren-Strom.

Allerdings ist diese Energie nur bilanziell „da“. Vertrieblich ist ein Großteil nicht nutzbar, da auf Basis der EEG-Förderung, also auf Basis der staatlich subventionierten Vergütungen gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), diese Energie von den Übertragungsnetzbetreibern oder im Stromhandel von Direktvermarktern genutzt wird. Das Stadtwerk verwendet also nur einen Teil des Stroms zur Versorgung der Kunden. Und noch offene Energiebedarfe besorgt es am Terminmarkt oder über Stromlieferverträge, PPA genannt, die es mit regional einspeisenden Grünstrom-Erzeugern schließt.

100 Gigawattstunden (GWh) und mehr – genug zur Dreifach-Versorgung Haßfurts erzeugen Wind- und Solarkraft ringsum im Jahr. Doch das ist nur bilanziell da, das Übertragungsnetz liefert trotz guten Stromspeichersystems in der Stadt viel zu. Smart Grids ließen die Zufuhr auf 14 GWh senken.

Und real müssen wir viel eigens erzeugte Elektrizität „entsorgen“: Im sehr windreichen Spitzenjahr 2023 hatten wir rund 140 GWh, selbst im deutlich ertragsschwächeren 2024 waren es 104 GWh. Jährlich werden weitere PV-Anlagen für künftig noch mehr Grünstromerzeugung in Betrieb genommen. Viel davon muss aber über das übergeordnete Netz abtransportiert werden, weil unsere Speicher nicht allen Überschussstrom für wind- und sonnenschwache Phasen einspeichern können.

Um Abhilfe zu schaffen, müssten wir entweder ins Niederspannungsnetz investieren oder durch optimierte und effizientere Energieverwendung innerhalb des Verteilnetzes gegensteuern.

Genau diese effizientere Verwendung konnten wir im E-Crew-Projekt auf Haushaltsebene aufzeigen: Die Stromzulieferung aus dem Hochspannungsnetz kann ohne weitere Groß- oder Haushaltsspeicher mit Konzepten wie E-Crew auf nur noch rund 14 GWh reduziert werden. Zugegeben braucht es mehr, als was das auf 105 teilnehmende Haushalte begrenzte Modellprojekt lieferte: E-Crew wies ein Potenzial zur Feinsteuerung von 0,06 GWh nach. Hochgerechnet auf die Stadt ergäbe sich ein Potenzial bestenfalls einzelner Gigawattstunden. Mit E-Crew zeigten wir aber exemplarisch, auf welche Weise man die vor Ort erzeugte Energie möglichst im Stadtgebiet halten kann.

Um dies nachzuvollziehen, seien einige Fakten aufgezählt: Die Haushalte teilten sich auf zehn Energiegemeinschaften auf, die mittels Batteriespeichermöglichkeiten und Optimierungen im Verbrauchsverhalten sich virtuell die wetterabhängige Stromerzeugung teilten. Über ein digitales Portal konnten sie ihre Energiedaten kontrollieren. Weil die Stadtwerk Haßfurt GmbH über ein freiwilliges Pilotprojekt schon 2011 und 2012 die Kunden vollständig mit Smart-Metern, also intelligenten digitalen Stromzählern ausgerüstet hatte, verfügt sie über alle Verbrauchs- und Erzeugungsdaten im stündlichen Auflösungsintervall. In Summe konnten die E-Crews binnen neun Monaten 62.214,54 Kilowattstunden (kWh) austauschen. Sie konnten diesen Energiebezug aus dem vorgelagerten Stromnetz virtuell vermeiden, weil sie virtuell Energie von virtuellen Crew-Nachbarn bezogen. Insgesamt erhöhten sie so ihren Eigenverbrauch um ein Fünftel. Da der Ansatz nicht reell erfolgt ist, hat das Stadtwerk als eine Art Wertschätzung pauschale Boni von 3,5 Cent pro kWh als Gutschrift auf die Verbrauchsabrechnung gezahlt, was einen persönlichen finanziellen Vorteil von 20 bis 50 Euro ermöglichte.

Vorteile der Energiegemeinschaften belegt

Diesen Aufwand betrieb der kommunale Versorger auch, weil er ein Modell für die Umsetzung europäischer Rechtsprechung vorführen konnte. Die Europäische Union hat das Recht zur Anwendung von Energiegemeinschaften in der Erneuerbaren-Direktive RED II geregelt. Später als andere Länder hat die Bundesrepublik dies erst im vergangenen Jahr vorangetrieben. Wir haben also 2023 teils den Grundstein zur Anwendbarkeit und wirtschaftlichen Umsetzung hierzulande legen können.

Eine völlige Autarkie unserer Stromversorgung haben wir inzwischen durch das Modell eines Stülpmembranspeichers simuliert. Die Technische Hochschule Nürnberg führt das Entwicklungsprojekt unter dem Arbeitstitel „Geomem“ und ließ Bachelor- und Masterarbeiten zu dem noch nicht als Pilotprojekt geförderten oder gar realisierten Massenspeicher schreiben.

Bisher zeigen die Erkenntnisse aus Geomem: Der Speichertyp ließe Haßfurts Energiebedarf für drei Wochen sichern. Das Einspeichern würde einen Hohlraum von 120 Meter Durchmesser und rund 400 Meter Tiefe erfordern. Für das geotechnische System wird durch Freischneiden einer kolbenförmigen Bodenmasse eine Unterhöhlung erzeugt. Mit grünem Überschussstrom betreibt es eine Pumpe, um die Unterhöhlung mit Wasser zu fluten. Dies hebt die freigeschnittene Bodenmasse an und speichert so hydraulische Energie. Bei zu wenig Grünstromerzeugung stoppt der Pumpmotor und wird zum Generator. Durch das Gewicht der Bodenplatte strömt das Wasser zurück und erzeugt Strom.

Weil das Großspeichersystem wohl zu teuer wäre, dürften vorerst aber dezentrale Speicher und Einspeise- und Verbrauchsoptimierungen wie E-Crew in Richtung Grünstromautarkie weisen.

Norbert Zösch
Geschäftsführer

Foto: Stadtwerk Haßfurt GmbH | Michael Wagenhaeuser - Stadtwerk Haßfurt GmbH

Lukas Albert
Kaufmännischer Leiter, beide Stadtwerk Haßfurt

Foto: Stadtwerk Haßfurt GmbH | Michael Wagenhaeuser - Stadtwerk Haßfurt GmbH

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