Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD fordert den schnellen Hochlauf der H2-Wirtschaft damit es „klimafreundlichen Wasserstoff aus verschiedenen Quellen" geben kann. Statt einem klaren konkreten Zeichen, zeigt die Bundesregierung jedoch bislang eher Zurückhaltung und plant den Bau neuer Gaskraftwerke. Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) hat daher acht Thesen aufgestellt, die die aktuelle Situation der Industrie beschreiben und Vorschläge für Regularien aufzeigen:
1. Wenn Klimaschutz, Industrie und Resilienz zusammen gedacht werden, braucht es Wasserstoff und seine Derivate
Eine erfolgreiche Wasserstoffstrategie müsse in eine Industriestrategie eingebettet sein, die auch die Wettbewerbsfähigkeit aller industriellen Anwender im Fokus hat. Das Thema der Resilienz und Energie- und Rohstoffversorgungssicherheit sei für die gesamte deutsche Volkswirtschaft essenziell und ein breit aufgestellter Energiemix für unterschiedlichste Anwendungen unabdingbar.
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2. Gerade in der Wasserstoffhochlaufphase braucht es sehr pragmatische Ansätze
In der Hochlaufphase der Wasserstoffwirtschaft würde auch kohlenstoffarmer Wasserstoff eine relevante Rolle spielen. Mit den von der EU derzeit rechtlich geplanten Anforderungen im Rahmen des Delegated Act „Low 3 Carbon Hydrogen“ könne der europäische Markt für internationale Anbieter von klimafreundlichem, kohlenstoffarmem Wasserstoff und seinen Derivaten unattraktiv und im globalen Nachfragewettbewerb chancenlos werden.
Ein konkreter Ansatzpunkt sei eine Verlängerung der Übergangsphasen und Fristen für RFNBO-konformen Wasserstoff sowie kohlenstoffarmen Wasserstoff. Ein weiterer pragmatischer Ansatz sei es, den Schwellenwert von 90 % EE-Anteil einer Gebotszone für die Hochlaufphase temporär abzusenken und dadurch größere Potenziale von nachhaltigem Wasserstoff zu ermöglichen.
3. Die Rahmenbedingungen für alle Teile der Wertschöpfungskette müssen deutlich einfacher werden
Überregulierte Prozesse zu verschlanken würde wesentlich dazu beitragen, insbesondere Unsicherheiten für alle Akteure und damit Markteintrittsbarrieren auf den unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette abzubauen sowie das Ineinandergreifen der unterschiedlichen Teile der Wertschöpfungsketten zu ermöglichen
4. Der Ausbau der Infrastruktur muss entsprechend des künftigen Bedarfs erfolgen – um nicht zum Flaschenhals zu werden
Damit der Wasserstoff auch in der Fläche ankommt, brauche es Neben dem Wasserstoff-Kernnetz ergänzend ein Verteilnetz, über das Wasserstoff-Cluster zunehmend angebunden werden können. Für den Import von Wasserstoff und seinen Derivaten spielen Übersee- wie auch Binnenhäfen eine Schlüsselrolle. Der Aufbau von Hafenterminals, Cracker-Anlagen und weiterer Infrastruktur verlange tragfähige Geschäftsmodelle und nachhaltige Finanzierungsmechanismen.
5. Wasserstoff muss auf liquiden Märkten handelbar sein – dafür sind verlässliche Nachfrage und verlässliches Angebot notwendig
Um langfristige Planungssicherheit für Marktakteure und Investoren entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu schaffen, brauche es auch einen nachfrageseitigen und für Investoren hinreichend vertrauenswürdigen Pull-Effekt, durch beispielsweise eine sinnvoll ausgestaltete sowie verteilungs- und wettbewerbspolitisch austarierte Grüngasquote, grüne Leitmärkte oder andere ähnlich wirkende Instrumente mit dem Ziel, mit einer verbindlichen Wasser- 7 stoffnachfrage den Markthochlauf zu ermöglichen
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6. Eine verlässliche Finanzierung auf einer möglichst breiten Basis ist unverzichtbar
Der Staat müsse dafür sorgen, dass Finanzierungsmöglichkeiten gesichert sind, etwa durch langfristige Abnahmegarantien, Differenzkostenförderungen und attraktive Verzinsungsmodelle für Unternehmen. Ein besonderer Fokus solle dabei auf der Mobilisierung privaten Kapitals liegen.
7. Die konsequente Entwicklung regionaler Wasserstoffcluster als lernende Systeme ist der Schlüssel zum flächendeckenden Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.
Durch die Schaffung lokaler Projekte würden komplexe Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette für unterschiedliche Stakeholder risikoärmer erprobt, demonstriert und skaliert werden. Sie fungieren heute als Innovationszentren, dienen der Sektorkopplung und sind Katalysatoren für die gleichzeitige Defossilisierung mehrerer Sektoren in einer Region
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8. Europäische und internationale Komponente des Wasserstoffhochlaufs wird eine deutlich größere Rolle spielen müssen.
Energiepartnerschaften würden mit belastbaren Ergebnissen fortgeführt, gepflegt beziehungsweise neu etabliert werden müssen. Die benötigte Infrastruktur für Importe von Wasserstoff und seinen Derivaten im Inland sowie grenzüberschreitend solle in alle Richtungen konsequent auf- und ausgebaut werden. Ziel müsse sein, den Zugang zu Wasserstoff aus Ländern mit kostengünstigen Produktionsbedingungen zu ermöglichen.