Im Plasmalyse-Reaktor herrschen Temperaturen zwischen 1.300 und 1.500 Grad Celsius.
Die Methan-Plasmalyse gewinnt CO2-armen Wasserstoff. Welche Technologie steckt dahinter und welche Einsatzmöglichkeiten gibt es?
Fabian Kauschke
Grüner Wasserstoff sei zu teuer, zu energieintensiv und daher nicht wettbewerbsfähig. Mit dieser Aussage sprechen Kritiker dem Gas häufig die Zukunftsfähigkeit ab. Doch schon heute planen Unternehmen Projekte mit einer Gesamtleistung, die das Ziel der Nationalen Wasserstoffstrategie von zehn Gigawatt (GW) übersteigt. Nach Angaben des Branchenverbandes „Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft“ sind 11,3 GW angekündigt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nur ein Bruchteil der geplanten Projekte rechtzeitig oder überhaupt fertiggestellt wird. Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung wurden 2023 weniger als zehn Prozent der ursprünglich angekündigten grünen Wasserstoffproduktion realisiert. Grund genug, den Blick auf Technologien zu richten, die die Elektrolyse in der Energieintensität unterbieten und dennoch emissionsarmen Wasserstoff erzeugen.
40 bis 80 Kilowattstunden (kWh) erneuerbarer Strom werden derzeit benötigt, um ein Kilogramm grünen Wasserstoff herzustellen. Die Plasmalyse verspricht, diesen Wert deutlich zu unterbieten und das Kilogramm H2 mit weniger als 12 kWh zu erzeugen. Das Berliner Unternehmen Graforce hält fünf Patente zur Anwendung verschiedener Plasmaverfahren und stellt Anlagen zur Methan- und Ammoniak-Plasmalyse her.
Aus Methan wird H2 und Carbon Black
Die Methan-Plasmalyse dekarbonisiert Methan (CH4), um Wasserstoff und festen Kohlenstoff sowie Wärme in Industriequalität zu erzeugen. Nimmt man 200 Kilogramm Methan und 500 kWh erneuerbare Energien und führt diese durch die Plasmalyse, dann entstehen dabei 50 Kilogramm Wasserstoff, 150 Kilogramm Carbon Black und 150 kWh industrielle Wärme. Carbon Black ist ein Rohstoff, der in der Industrie beispielsweise bei der Produktion von Farben, Hochleistungsbeschichtungen, Kunststoffen, Reifen, Beton oder Asphalt verwendet wird. Als Aktivkohle wird Carbon Black in der Wasseraufbereitung (4. Reinigungsstufe) und für die Gasseparation verwendet. In der Landwirtschaft dient er der Bodenaufwertung insbesondere sandiger Böden (durch Steigerung der Wasser-Adsorption). Low-carbon Carbon Black kann Petrol-Koks unter Verringerung der CO2-Emissionen ersetzen und wird in Form von Grafit zum Beispiel in Lithium-Ionen-Batterien verwendet.
12 Kilowattstunden benötigt die Plasmalyse zur Erzeugung von einem Kilogramm Wasserstoff.
Das Nebenprodukt, das hier in dreifacher Menge im Vergleich zum Wasserstoff auftritt, ist demnach bereits heute in vielfältige industrielle Prozesse eingebunden. Bisher wurde es CO₂-intensiv über die Verbrennung von Erdöl oder Erdgas erzeugt. Die aus dem Plasmalyse-Prozess gewonnene Abwärme kann ebenso auf verschiedenen Temperaturniveaus industriell genutzt werden.
Bei der Verwendung von Biomethan und langfristiger (> 35 Jahre) Speicherung des erzeugten Carbon Blacks in Produktform (C-Stahl) fungiert das Verfahren als CO2-Senke. Wird Rohbiogas (zu gleichen Teilen aus Biomethan und CO2 bestehend) verwendet, kann mit dem gleichen Prozess CO2-neutrales Syngas erzeugt werden, welches aufbereitet zu SAFs (Synthetic Air Fuels) mittelfristig der Dekarbonisierung der Luftfahrt dienen wird. Dafür muss zunächst das Methan von den sonstigen Bestandteilen des Biogases getrennt werden.
Spaltung im Reaktor
Der Plasmalyse-Reaktor hat eine Länge von drei Metern und einen Durchmesser von einem Meter. Er ist hauptsächlich mit Wärmedämmung gefüllt. Im Inneren befindet sich ein 2,5 Meter langes Grafitrohr. In diesem Grafitreaktor befindet sich eine Plasmafackel, die unter Zufuhr von Wasserstoff ein thermisches Wasserstoffplasma erzeugt, das dazu dient, den Reaktor schnell und energieeffizient auf hohe Temperaturen zu bringen. Das dazu benötigte H2 wird initial über ein externes Gasbündel zugeführt und bleibt nach der Spaltung erhalten.
Im Reaktor unter Sauerstoffabschluss spaltet sich das Methan bei Temperaturen zwischen 1.300 und 1.500 Grad Celsius in Wasserstoff und Kohlenstoff auf, der dann abtransportiert wird. Der Wasserstoff hat nach dem Prozess eine Reinheit von etwa 98 Prozent und kann so direkt beispielsweise in einem H2-Verbrennungsmotor (Keyou), einem H2-Blockheizkraftwerk oder H2-Turbinen eingesetzt werden. Für Anwendungen wie Brennstoffzellen ist jedoch ein höherer Reinheitsgrad erforderlich. Um diesen zu erreichen, wird der Plasmalyse eine Druckwechseladsorption nachgeschaltet. Sie bringt den Wasserstoff auf einen Reinheitsgrad von nahezu 100 Prozent.
Nicht grün, aber klimafreundlich?
Ein Plasmalyse-Reaktor besitzt eine Leistung von 0,5 Megawatt. Die Systeme können modular kombiniert werden, sodass Produktionsanlagen mit 30 Megawatt möglich sind. Angeschlossen an einen Industriebetrieb können alle drei Produkte, Wasserstoff, Kohlenstoff und Abwärme, verwendet werden. Im oberösterreichischen Kremsmünster ist in Zusammenarbeit mit Rag Austria eine Methan-Plasmalyse-Anlage entstanden, die diese Eigenschaften ausnutzt. Den produzierten Wasserstoff speichert der Projektpartner in der Region und verwendet ihn in einem Blockheizkraftwerk oder für die Industrie. Der gewonnene Kohlenstoff findet hier Verwendung in der Landwirtschaft, um den Boden anzureichern.
Was Unternehmen eint, ist die Notwendigkeit, zeitnah ihre CO2-Emissionen drastisch zu senken.
„Wir sind mit Stahlwerken, Energieversorgern, Pigmentherstellern und Unternehmen der Öl- und Gasbranche im Gespräch, um zeitnah signifikante Mengen an Wasserstoff und Kohlenstoff aus Erdgas herzustellen. Was diese Unternehmen eint, ist die Notwendigkeit, zeitnah ihre CO2-Emissionen drastisch zu senken“, sagt Projektmanager Marc Dünow zu den aktuellen Entwicklungen bei Graforce.
Wasserstoff aus der Methan-Plasmalyse wird gemäß der 2025 auf EU-Ebene zu ratifizierenden Verordnung als Low Carbon Hydrogen unter Berücksichtigung aller Vorketten-Emissionen definiert und kann auf dieser Grundlage zertifiziert, gefördert und gehandelt werden. „Dies ermöglicht den Durchbruch für unsere H2-Brückentechnologie“, so der Projektmanager. Unter der aktuellen europäischen Gesetzgebung kann nur Wasserstoff aus Wasserelektrolyse, erzeugt mit erneuerbarer Energie, als grün bezeichnet werden. Der in der Plasmalyse erzeugte Wasserstoff wird als türkis eingeordnet. Dennoch trägt die Technologie dazu bei, industrielle Prozesse zu dekarbonisieren. Durch die aktuell geringe Verfügbarkeit von nachgewiesen grünem H2 könnte die Plasmalyse wie zum Beispiel auch der Einsatz von blauem Wasserstoff als Übergangslösung bis zu einem gefestigten Markthochlauf der Elektrolysetechnologie dienen. Ob die Methan-Plasmalyse künftig in Förderprogramme des Bundes aufgenommen wird, ist allerdings fraglich. Daher richtet sich der Blick von Graforce auch aufgrund der gestiegenen internationalen Nachfrage in die USA, nach Saudi-Arabien, Australien, Thailand oder Korea.
Ammoniak-Plasmalyse
Ammoniak-Plasmalyse ist eine weitere Technologie zur Gewinnung von Wasserstoff. Sie wird zum Beispiel bei der Reinigung von Abwasser in Kläranlagen eingesetzt. Dabei werden die im Wasser enthaltenen Stickstoffverbindungen (wie Harnstoff und Ammonium) in einzelne N- und H-Atome zerlegt. Diese verbinden sich anschließend wieder zu grünem Wasserstoff und Stickstoff. Zurück bleibt gereinigtes Wasser. Mithilfe der Membrantechnologie werden die Gase getrennt und in Gasspeichern zur weiteren Verwendung gespeichert. Diese Technologie steht für die energieeffiziente Spaltung des künftigen Wasserstoff-Carriers Ammoniak (NH3) schon heute für die großtechnische Implementierung bereit.
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