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Reaktion auf Anti-Windenergiepolitik

Enercon streicht Produktionskapazitäten in Deutschland

Tilman Weber

Die Unternehmensführung sehe sich „gezwungen, die Zusammenarbeit mit mehreren Produktionspartnern in Deutschland zu beenden“, teilte der führende Windturbinenhersteller des noch bis 2018 weltweit drittgrößten Marktes für Windparkinstallationen am Freitagnachmittag mit. Es gebe „für die kooperierenden Blattwerke in Aurich und Magdeburg keine Aufträge mehr“, informierte Enercon, „da durch verfehlte politische Reformen die Auftragslage für neue Windenergie-Projekte in Deutschland nahezu zum Erliegen gekommen ist.“ Die eigene Aufbauleistung im Heimatmarkt habe sich inzwischen auf das niedrige Niveau von vor drei Jahrzehnten reduziert.

Das Unternehmen aus Aurich verweist auf jüngste Entscheidungen und Ankündigungen der Bundesregierung, mit der diese den Windkraftausbau immer weiter ausbremst. So gab das Kabinett im Oktober ein als Klimapaket bezeichnetes Bündel geplanter Maßnahmen bekannt, mit denen Deutschland die offiziellen Klimaschutzziele des Landes erreichen soll. Im Klimapaket enthalten sind für die Windkraft bundesweit einheitliche 1.000 Meter breite Tabuzonen um Häuser selbst kleinerer Ansiedlungen sowie die Perspektive, jährlich bis 2030 nur noch bis zu 1.500 Megawatt (MW) neue Windkraftkapazität auszubauen. Das Volumen entspräche kaum mehr als der Hälfte der jährlichen Ausschreibungsvolumen zum Ausbau neuer Windparks, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seit 2017 vorsieht. Indes reduzierte bereits das im EEG 2017 eingeführte Ausschreibungssystem durch dessen Begrenzung auf 2.800 bis 2.900 MW pro Jahr die Zubauleistung der vorangegangenen Rekordjahre bis 2017 um bis zu 50 Prozent. Regulatorische Verbesserungen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für neue Windparks und zur Verkürzung gerichtlicher Verfahren gegen bereits erteilte Windpark-Baugenehmigungen versprach die Bundesregierung im Oktober zwar auch. Doch gibt es für diese noch nicht einmal einen festen Referentenentwurf.

Enercon zielt auf "rasche umfassende" Restrukturierung

„Wir bedauern diese Besorgnis erregende Entwicklung in höchstem Maße“, sagte Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig. Enercon müsse rasch umfassende Restrukturierungsmaßnahmen einleiten, um den kompletten Absturz des Deutschland-Geschäfts verkraften zu können und noch mehr als zuletzt ersatzweise Aufträge in ausländischen Märkten zu beschaffen und zu bedienen, ließ das Unternehmen wissen. „Unser Unternehmen verzeichnet erstmals erhebliche Verluste“, betonte Kettwig wohl mit Verweis auf die Fixkosten der aufgebauten Produktionskapazitäten in Deutschland. Enercon werde „mit einem umfassenden Turnaround-Programm“ reagieren, um „das Unternehmen … wieder in die Gewinnzone zu führen“. Zusätzlich kündigte Enercon ein hartes erneutes Spar- und Kostensenkungsprogramm an, einen Einstellungsstopp beim Personal, die Verlagerung der Produktion von Zulieferkomponenten für die Windräder ins Ausland. In den Zuliefer- und Wertschöpfungsketten werde es „umfangreiche Veränderungen“ geben. Enercon werde mehr Dienstleister und Lieferanten in genau den Ländern beauftragen, in denen die Auricher neue Windparks errichteten.

Rotorblattfertigung durch Zulieferer schon eingeleitet

Die wichtigsten Produktionszentren Enercons befinden sich bisher in Aurich und Magdeburg, wo das Unternehmen die Rotorblätter für den deutschen Markt und für einen Großteil der europäischen Märkte produziert. Allerdings hatte Enercon schon 2018 für neuere Maschinen die Fertigung der Rotorblätter durch Zulieferer im Ausland eingeleitet. Sogenannte Local-Content-Regelungen in mehreren wichtigen ausländischen Märkten verlangen für Windparkinstallationen, dass die Turbinenbauer einen wichtigen Teil der Komponenten-Produktion auch in diesen Ländern erledigen lassen. Dem werde Enercon bei den neuesten Anlagentypen nachkommen, indem es anders als vorher Drittanbieter mit der Fertigung der Rotorblätter beauftrage, hieß es von dort.

„Uns ist bewusst, was dieser schmerzhafte Schritt für die Beschäftigten in den betroffenen Unternehmen bedeutet“, sagte Kettwig. Es drohten erhebliche Folgen bis zur „Schließung ganzer Werke“. Betroffen seien vermutlich Tausende Arbeitsplätze. Allerdings könne nur eine solche konsequente Neuausrichtung die Wettbewerbsfähigkeit Enercons nachhaltig stärken.

3.000 Stellen sofort betroffen

So dürften durch die Schließungen der Fertigungsstraßen für die Windturbinenflügel jeweils 1.500 Stellen an beiden Standorten wegfallen, ließ Enercon am Samstag bestätigen. Allerdings dürften noch deutlich mehr Arbeitsplätze unmittelbar von den weiteren angekündigten Maßnahmen betroffen sein. Denn das in Aurich ansässige Unternehmen lässt viele Bauteile von Zulieferern für sich fertigen, die oft kaum oder keine anderen Kunden haben. 27 solcher mittelständischer Partnerunternehmen soll es geben.

Seit 2017: Windkraft verlor 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze

Mit den Schließungen würde sich eine traurige Bilanz der Energiepolitik der Bundesregierung seit 2017 fortsetzen. Gemäß von der Bundesregierung bestätigter Statistik waren bereits 2017 in der Windbranche rund 26.000 Stellen weggefallen. Die Gewerkschaft IG Metall schätzt die Zahl der seit 2018 bis September dieses Jahres zusätzlich weggefallenen Stellen in der Branche auf 8.000 bis 10.000.