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Energiepolitik

Fünf Wahrheiten über den deutschen Kohleausstieg

Nicole Weinhold

Die Nähe der Politik zur Wirtschaft ist in Deutschland nichts Neues. Lobbyismus beherrscht das Schalten und Walten unserer Regierung beim Thema Kohleausstieg, sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene. Was vielen aber nicht klar ist: jeder deutsche Bürger muss dafür teuer bezahlen. Fünf Punkte, die uns zu denken geben sollten:

1. Deutschland ist beim Kohleausstieg abgehängt

Über viele Jahre hat Deutschland innerhalb Europas versucht, einen Ruf als Vorreiter beim Thema Klimaschutz aufrechtzuerhalten. Doch die Zahlen und Fakten erzählen eine andere Geschichte. Nach Informationen von Beyond Coal Europe steht Deutschland mit seinem Kohleausstieg bis 2038 inzwischen abgeschlagen hinter viele anderen Staaten da. Belgien ist seit 2016 kohlefrei, Schweden und Österreich sind es seit diesem Jahr ebenfalls, Frankreich hat seinen Kohleausstieg im Jahr 2022, ein Jahr später folgt Portugal, Großbritannien steigt bis 2024 aus der fossilen Energie aus. In Italien ist es 2025 soweit, Griechenland verabschiedet sich 2028 von der Kohle, die Niederlande und Finnland werden bis 2029 komplett aussteigen. In Spanien sind inzwischen der Großteil alle Kohlekraftwerke abgeschaltet worden, der Ausstieg wird für 2025 erwartet, die Sowakei und Ungarn wollen bis 2030 aussteigen.

© Foto: Europe Beyond Coal

In Europa sind viele Länder weiter als Deutschland beim Kohleaussteig.

2. Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe

Die Bundesregierung will an die beiden Kohlekonzerne Leag und RWE rund 4,35 Milliarden Euro Entschädigung zahlen. Dafür steht in dem Vertrag, dass die Konzerne nicht vor einem internationalen Schiedsgericht klagen dürfen. Basis für solche Klagen ist der europäische Energiecharta-Vertrag. Der Vertrag, der Energiekonzernen enorme Rechte gegenüber Staaten verleiht, hätte längst reformieren oder gekündigt werden müssen. Italien hat sich davon bereits befreit, Deutschland nicht. Die Bundesregierung hätte dem Steuerzahler viele Kosten ersparen können, wenn sie hier anders gehandelt hätte.

3. Spanien schließt Kohlekraftwerke

Die Entwicklungen in Spanien verdienen einen näheren Blick. Dort haben Energieversorger in den vergangenen Monaten rund die Hälfte aller Kohlekraftwerke abgeschaltet. 2018 kamen 14 Prozent des in Spanien produzierten Stroms aus Kohlekraftwerken, 2019 weniger als fünf Prozent, im Mai 2020 nur noch 1,4 Prozent. Aufgrund des europäischen Emissionshandels waren sie schlicht nicht mehr wirtschaftlich. In Deutschland ist die Situation eigentlich ähnlich. Aufgrund der gesunkenen Börsenstrompreise wegen Corona ist auch hier der Großteil der Kohle aus der Merit-Order gefallen. In Spanien haben aber die Energiekonzerne dafür keine Steuergelder erhalten. Stattdessen hat die Regierung sich systematisch für den Umstieg auf erneuerbare Energien stark gemacht und Steuerhürden wie die bei uns immer noch existierende Sonnensteuer auf Eigenverbrauch abgebaut. Dort floriert der Ausbau der Erneuerbaren - im Gegensatz zu Deutschland, wo die Windkraft fatal ausgebremst wird. Lediglich ein Prozent der Elektrizität wird jetzt aus Marokko importiert, während früher dorthin exportiert wurde.

Anafi 1.6.1 - © Foto: Endesa
Anafi 1.6.1

Spanien treibt die Erneuerbaren weiter voran.

4. Versorgungssicherheit

Wie gerade erwähnt, sieht es in Deutschland ähnlich aus wie in Spanien und vielen Ländern Europas - die Kohle ist in der Merit-Order der Strombörse von saubereren Energiequellen ausgestochen worden und kommt nur noch als kleiner Bruchteil der alten Leistung zum Zuge. Trotzdem gibt es keinen Blackout. Die Versorgungssicherheit ist gegeben. Dabei war das immer eines der Hauptargumente: Wir brauchen die Kohle, sonst geht das Licht aus. Jetzt zeigt sich, dass dieses Argument vorgeschoben war.

5. Jobs

Auch in Spanien bedeutet das Abschalten der Kohlekraftwerke einen Verlust an Arbeitsplätzen. Einige Regionen leben von den Kraftwerken, die Jobs schaffen. Die spanische Regierung sucht deshalb gemeinsam mit den Betreibern nach alternativen Möglichkeiten für die Arbeitsplatzsicherung. Damit die Kohleregionen in Deutschland den Strukturwandel hinbekommen und neue Jobs entstehen, hilft der Bund den Kohleländern Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit rund 40 Milliarden Euro. Das ist aber nicht dasselbe wie eine durchdachte Jobstrategie. Solange gleichzeitig neue Institutionen des Bundes etwa für Digitalisierung lieber in München als in Chemnitz eröffnet werden, sind die Gelder verschwendet. Und noch etwas: Die Kohlebranche beklagt zehntausende Jobs. Die Regenerativbranche hat durch Missmanagement der Regierung Arbeitsplätze in sechsstelliger Größenordnung verloren. Das waren Zukunftsjobs, die vernichtet wurden.

© Foto: https://buergerwerke.de/

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