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Kohleausstieg

Kohlevertrag lässt Chance auf früheren Ausstieg zu - trotzdem Proteste

Tilman Weber

Die Führung des Essener Konzerns RWE hatte für die Hauptversammlung eine in ihren Augen wohl sehr gute Botschaft mitgebracht: Er könne „ganz aktuell“ für den geplanten Ausstieg des Unternehmens aus der Erzeugung von Strom aus fossilen Energiequellen über die entscheidende und bisher noch fehlende Einigung zwischen der eigenen Branche und der Bundesregierung berichten, deutete Konzernchef Rolf Martin Schmitz an. „In Deutschland haben wir uns mit der Bundesregierung auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geeinigt …“, sagte Schmitz und lobte: „Dieser Vertrag setzt für die Braunkohle das um, was sowohl in der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ als auch in der Bund-Ländervereinbarung festgelegt wurde.“ Zudem forderte er die Parlamentarier im Bundestag zur Zustimmung für den am Donnerstag vom Kabinett der Öffentlichkeit präsentierten Vertrag. „Jetzt liegt das Verfahren im Parlament und wir hoffen, dass es in Kürze abgeschlossen wird.“

Es bleibt bei 4,35 Milliarden Euro Entschädigung

Dieser Vertrag mit den deutschen Braunkohleunternehmen sieht für RWE eine Entschädigung von 2,6 Milliarden Euro für die Stilllegung von Tagebauen und Kraftwerken sowie für den mitteldeutschen Braunkohlekonzern Leag weitere 1,75 Milliarden Euro Ausgleichszahlungen vor. Das Geld zahlt die Bundesrepublik Deutschland für die Kohlekonzerne als Ausgleich für wirtschaftliche Mindererträge in einem eigentlich einmal auf unbegrenzte Zeit angelegten Energieerzeugungsmodell mit fossilen Kraftwerken – und zwar in derselben Höhe, die bereits im Januar als Ergebnis einer Einigung zwischen Bund und den Kohleländern feststand.

Doch Bundestagsabstimmung und Option früheren Ausstiegs

Anders als noch am Mittwoch von im Klimaschutzlager verorteten Oppositionspolitikern und Klimaschutzorganisationen befürchtet, hatte das Kabinett die Möglichkeit eines früheren Kohleausstiegs als im Jahr 2038 doch noch eingeräumt. In dem am Donnerstag von der Regierung verabschiedeten Vertragsentwurf steht nun, dass die Bundespolitik das Abschalten der Kohlekraftwerke in den Jahren nach 2030 auch um drei Jahre bis zur Stilllegung des letzten Kraftwerks auf 2035 vorziehen kann. Sie muss dieses dann fünf Jahre vorher bekannt geben. Weitere Entschädigungen an die Kohlewirtschaft sind sogar ausgeschlossen, auch wenn die Energiewende dadurch schneller kommt, dass Kohlekraft durch einen immer höheren CO2-Preis unwirtschaftlich wird oder der Ausbau der Erneuerbaren schneller als aktuell vorauszusehen erfolgt. Die Politik darf ausdrücklich hier daher weitere Energiewendereformen vorantreiben, ohne dafür mit Entschädigungsklagen durch die Konzerne rechnen zu müssen.

Außerdem enthält der beschlossene Vertrag weiterhin den Vorbehalt, dass er dem Bundestag noch einmal vorgelegt werden muss. In der Version am Mittwoch war diese Passage zwischenzeitlich gestrichen. Am 3. Juli soll die Bundestagsabstimmung nun erfolgen.

Tagebau Garzweiler erhält Quasi-Garantie

Beim Braunkohletagebau allerdings gilt nun der Tagebau Garzweiler vertraglich festgehalten als wichtig für die Energieversorgung. Eine Verschonung der vom Abbruch bedrohten Dörfer in dem Revier ist damit vom Tisch. Der symbolisch für die Anti-Kohlekraft-Aktivisten wichtige Hambacher Wald im Tagebaugebiet Hambach hingegen ist gegen weitere Rodungen geschützt. Nicht geschützt ist er hingegen davor, dass an seinen Flanken der Tagebau weiter vorangetrieben werden darf – und damit die Austrocknung des Waldgebietes durch weiteres Absinken des Grundwasserspiegels droht.

Tagebau-Blockade und FFF-Demo in Essen

Am Freitag blockierten Aktivisten Bagger im Tagebau Garzweiler. Demonstranten von Fridays for Future demonstrierten in der Essener Innenstadt. Die Klimaschützer kritisieren nicht zuletzt auch, dass die Entschädigungen viel höher ausfallen, als die geänderten wirschaftlichen Bedingungen auf dem Strommarkt es erfordert hätten. Denn die stark gefallenen Strommarktpreise machen zunehmend auch die Kohleverstromung unwirtschaftlich.

Zweifelhafte Restrentabilität der Kohlekraftwerke

Ein weiteres Beispiel für die ohnehin bedrohte Rentabilität der Kohlekraftwerke lieferte am Freitag ausgerechnet RWE-Chef Schmitz selbst. Auf der Hauptversammlung erklärte er, RWE nehme "aktuell keinen Strom von Datteln 4 ab". RWE habe die vor Jahren abgeschlossenen Verträge mit dem Datteln-Betreiber Uniper wirksam gekündigt. Eine Abnahmeverpflichtung gebe es daher nicht. Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 war vor gut einem Monat um viele Jahre im Vergleich zum ursprünglich gesetzten Fertigstellungstermin trotz heftiger Kritik noch in Betrieb gegangen. Nun droht offenbar ein Rechtsstreit zwischen RWE und Uniper. Von den 1.100 Megawatt Kraftwerksleistung waren gemäß der früheren Übereinkunft 450 MW zur Stromerzeugung für RWE vorgesehen.