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11 % mehr CO2 in Energie und Industrie – 20 % mehr CO2 in der Luftfahrt

Über 1.700 stationäre Anlagen in Deutschland unterliegen dem Europäischen Emissionshandel (EU-ETS). 2021 emittierten sie rund 355 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente (CO₂-Äq). Das entspricht einem Anstieg um elf Prozent gegenüber 2020. Was führte zu diesem Anstieg der Emissionen fast auf das Niveau vor der COVID-19-Pandemie im Jahr 2019?

Wie haben sich die Treibhausgasemissionen der Energie- und Industrieanlagen im Einzelnen entwickelt? Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt ist dieser Frage in einer aktuellen Veröffentlichung nach gegangen. Hier der Download zur Studie: „Treibhausgasemissionen der emissionshandelspflichtigen stationären Anlagen in Deutschland 2021“. Jürgen Landgrebe, Leiter des Fachbereichs V „Klimaschutz, Energie, Deutsche Emissionshandelsstelle“, Daniel Klingenfeld, Abteilungsleiter V 3 „Energieanlagen, Luftverkehr, Register und ökonomische Grundsatzfragen“, Alexandra Zirkel, Fachgebiet V 3.3 „Ökonomische Grundsatzfragen des Emissionshandels, Monitoring, Auswertungen“, haben die Studie im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.  Landgrebe wies zunächst darauf hin, dass es 2020 Corona-bedingt einen Emissionsrückgang um 11,7 Prozent gegenüber 2019  gegeben habe, davon energieseitig -15 % und bei der Industrie -5 %. 2021 folgte dann der Anstieg um 11 Prozent gegenüber 2020 – bei der Energie waren es +14 %, die Industrie kam auf +5 %. Der Luftverkehr hat sich ebenso katastrophal entwickelt: Die Emissionen sind 2021 um 4,6 Mio. t CO2 gestiegen, gegenüber 2020 sind das + 20 %. 2020 waren sie Corona-bedingt um 60 % gesunken.

 Unterm Strich hatte Corona einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Emissionen als der Emissionshandel. Obwohl seit dem Beginn der dritten Handelsperiode 2013 die Emissionen der Energieanlagen kontinuierlich sanken. Zwischen 2017 und 2020, dem letzten Jahr der dritten Handelsperiode, hat sich der Kohlendioxid-Ausstoß um insgesamt 34 Prozent verringert. Das wiederum ist auf den Rückgang der Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle zurückzuführen. Ursachen hierfür sind vor allem die wachsende Bedeutung von Strom aus erneuerbaren Energien, ab 2016 die Überführung von Stromerzeugungskapazitäten in die Sicherheitsbereitschaft und die Stilllegung von Kraftwerksblöcken sowie ab 2018 die deutlich gestiegenen EUA-Preise.

Konjunkturelle Erholung führte zu steigenden Emissionen

Das erste Jahr der vierten Handelsperiode des EU-ETS begann entgegen dem Trend der dritten Handelsperiode mit einem Anstieg der Emissionen um 14 Prozent auf 235 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Gründe dafür waren eine gestiegene Stromnachfrage aufgrund der konjunkturellen Erholung, sowie zunehmende Emissionen aus der Verbrennung von Stein- und Braunkohle. Letzteres lag an der deutlich geringeren Einspeisung der Windkraftanlagen sowie dem überproportionalen Preisanstieg bei Erdgas, welcher den Einsatz von Stein- und Braunkohlekraftwerken gegenüber den Erdgasanlagen wirtschaftlich begünstigte. Braunkohle war im Jahr 2021 mit einem Anteil von rund 19 Prozent wieder der wichtigste Energieträger in der Stromerzeugung – im Jahr 2020 war dies erstmals Windkraft-Onshore, auch der Anteil der Steinkohlekraftwerke verzeichnete einen Anstieg. Umso beachtenswerter ist dabei die relativ hohe Anzahl von Kraftwerksstilllegungen und Überführungen in die Netzreserve mit einer Kapazität von insgesamt 7 Gigawatt im Jahr 2021 (davon etwa 1 Gigawatt Braun- und rund 6 Gigawatt Steinkohle).

Das Problem: Die Emissionen der energieintensiven Industrie bewegten sich bis 2018 kaum und lagen jeweils zwischen rund 123 und 126 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten. Erst 2019 sanken sie erstmalig mit 120 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten erkennbar. Im Jahr 2020 sanken sie dann weiter auf 114,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Dieser Rückgang der Emissionen ist vor allem durch die konjunkturellen Entwicklungen infolge der COVID-19-Pandemie bedingt, während er im Jahr 2019 wesentlich durch den globalen Wirtschaftsabschwung beeinflusst war, der sich auch in Deutschland auf die Produktionsentwicklung auswirkte. 2021 stiegen die Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozent auf 120 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Damit stiegen die Emissionen nach zwei Jahren mit konjunkturbedingten Emissionsrückgängen wieder an und erreichten fast wieder das Niveau vor der COVID-19-Pandemie. Der Rückgang der gesamten deutschen EU-ETS-Emissionen bis 2020 ist damit überwiegend auf den Emissionsrückgang der Energieanlagen zurückzuführen.

Das UBA verweist in seiner Studie, eine anteilige Wirkung des EUA-Preises im EU-ETS auf die Emissionsentwicklung lasse sich außerdem ausschließlich im Hinblick auf die Emissionen der Energieanlagen ab dem Jahr 2019 beobachten: „Sowohl 2019 als auch 2020 verbesserte sich die Wirtschaftlichkeit der Erdgaskraftwerke unter anderem aufgrund der gestiegenen EUA-Preise gegenüber Kohlekraftwerken, sodass diese mehr und mehr die Erzeugung aus Kohlekraftwerken verdrängten. Diese Entwicklung setzte sich im Jahr 2021 aufgrund der gestiegenen Erdgaspreise nicht fort.“

Insgesamt hält das UBA fest, dass der EU-ETS wirkt. Seine Emissionsrückgang während HP 3 im stationären Bereich vor allem im Energiesektor sind dafür Zeichen: Der Rückgang der Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle (wachsenden Bedeutung von Strom aus erneuerbaren Energien, ab 2016 Überführung von Stromerzeugungskapazitäten in die Sicherheitsbereitschaft und die Stilllegung von Kraftwerksblöcken, ab 2018 deutlich gestiegene CO2 -Preise). 2021 war allerdings geprägt durch die Erholung der gesamtwirtschaftlichen Lage nach dem pandemiebedingten Einschnitt im Jahr 2020. Beim Strom hält das UBA fest: Gestiegene Stromnachfrage, gesunkene Einspeisung erneuerbarer Energien und hohe Erdgaspreise führten – trotz historisch hoher CO2 -Preise – zu einem Anstieg der Stromerzeugung aus Kohle und damit zu einem Anstieg der Emissionen. Die Industrie hat einen Emissionsanstieg in 2021 v.a. produktionsbedingt zu verantworten; neben einem CO2-Preissignal hält das UBA begleitende Fördermaßnahmen für Investitionen zur Transformation der Wirtschaft in Richtung Dekarbonisierung für notwendig.

Daniel Klingenfeld, der in seinen Ausführungen den Blick auf Europa richtete, sagte, eine Reform im Rahmen des Fit-for-55-Pakets müsse jetzt entschieden umgesetzt werden. Eine deutliche Absenkung des Cap sei essenziell, um strukturelle Überschüsse zu verhindern und den EU-ETS in Einklang mit dem Gesamtziel von minus 55 Prozent zu bringen. Die Marktstabilitätsreserve (MSR) müsse zudem durch Verstetigung der verdoppelten Entnahmerate und dynamisch sinkende Schwellenwerte weiter gestärkt werden. Das UBA veröffentlicht in Kürze ein Papier zu MSR und Rebasing des Cap. Mit einem CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), der Einfuhren in die EU mit einer Abgabe belastet, der ihrem CO2-Gehalt entspricht, soll vor Carbon Leakage (Verlagerung von CO2-Emissionen, die in Nicht-EU Drittstaaten unter das Europäische Emissionshandelssystem fallen) geschützt werden und könne zudem die Zuteilung für die Industrie schrittweise auslaufen. „Für den ETS 2 ist eine ambitionierte Umsetzung und ein breiter Anwendungsbereich erforderlich. Ambitionierte CO2 -Bepreisung und Sozialverträglichkeit können hier durch Nutzung der Erlöse Hand in Hand gehen“, heißt es vom UBA. „So kann und wird der Emissionshandel einen maßgeblichen Beitrag zur Klimaneutralität leisten: Er schafft Planungssicherheit und stärkt die Wirtschaftlichkeit von Effizienz- und Suffizienzmaßnahmen nachhaltig.“  Jetzt sind das Europaparlament (EP) und der Europarat gefordert: Im EP ist eine Positionsfindung am 22/23 Juni, im Rat am 28. Juni möglich.

Wie sehen die aktuelle Emissionshandelspreise aus?

Das Jahr 2021 war insgesamt von einem anhaltend stabilen Aufwärtstrend geprägt. Zwischen Januar und Oktober stieg der EUA-Preis zunächst kontinuierlich an, von etwa 33 Euro bis auf 65 Euro. Ab November beschleunigte sich die Aufwärtsbewegung und der EUA-Preis erreichte Anfang Dezember mit über 90 Euro einen neuen Höchststand. Danach folgte eine Konsolidierungsphase und der EUA-Referenzkontrakt notierte zum Handelsschluss des 31.12. bei etwa 80 Euro, knapp 150 Prozent über dem Jahresanfangswert. Bis Februar 2022 stieg der EUA-Preis zunächst auf über 98 Euro, dem höchsten Stand seit Beginn des EU-ETS im Jahr 2005. Danach folgte eine kurzfristige Korrektur nach unten, welche unter anderem durch Turbulenzen auf den internationalen Energiemärkten als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bedingt war. Der Referenzkontrakt fiel kurzzeitig auf unter 60 Euro, erholte sich jedoch schnell. Aktuell notiert der EUA-Preis bei rund 90 Euro (Stand 13.05.2022).

CO2-intensive Industrien in Deutschland. 

UBA

CO2-intensive Industrien in Deutschland. 
Die Kurven zeigen, das die EU auf einem guten Weg ist, aber nach Corona ein Stück Wirkung verloren hat. Deutschland ist dabei nicht Musterschüler Nummer eins. 

UBA

Die Kurven zeigen, das die EU auf einem guten Weg ist, aber nach Corona ein Stück Wirkung verloren hat. Deutschland ist dabei nicht Musterschüler Nummer eins.