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Herkunftsnachweise für Ökostrom: System mit Schwächen braucht grundlegende Reform

Dem Klimaschutz tut man mit den europäischen Herkunftsnachweisen einen Bärendienst, glaubt man einer aktuellen Studie zu dem Thema. Herkunftsnachweise (HKN) wurden eigentlich eingeführt, um dem Grünstrom in den Handel zu verhelfen. Doch stattdessen begünstigen die Zertifikate nun Etikettenschwindel, so das Ergebnis eine Impulspapiers, das im Auftrag der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erarbeitet wurde. 

Demnach ging es zunächst darum, Grünstrom mithilfe des HKN preislich aufzuwerten und auf diese Weise die Investition in Erneuerbare attraktiver zu machen. Der Handel mit HKN erfolgt europaweit und die Zertifikate haben eine Gültigkeit von zwölf Monaten. Das System ist also weitgehend losgelöst von den realen physikalischen Bedingungen der Stromproduktion und -verteilung. Die Entkopplung macht das Instrument laut Impulspapier anfällig für Zweckentfremdung und Missbrauch. Die neue Studie des FÖS legt nahe, dass Stromlieferanten die Zertifikate nutzen, um fossil erzeugte Strommengen mit Grünstromqualitäten auszustatten.

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Die wichtigsten Kritikpunkte des FÖS:

Keine Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien
Die niedrigen und stark schwankenden Preise für HKN bieten kaum finanzielle Anreize für Investitionen in neue Ökostromanlagen. Der grenzüberschreitende Handel und die Ausstellung von HKN auch für bereits geförderte Anlagen in vielen EU-Ländern haben zu einem sehr niedrigen Preisniveau geführt. Statt in neue Anlagen zu investieren, ist es für Unternehmen oft günstiger, bestehende HKN aus dem Ausland zuzukaufen.

Entkopplung von physikalischer Realität
HKN können unabhängig von den tatsächlichen Stromflüssen europaweit gehandelt werden - auch zwischen Ländern ohne Stromnetzverbindung. Zudem können zwischen Erzeugung und Nutzung bis zu 12 Monate liegen. Ignoriert werden auch die physikalischen Grenzen des Stromnetzes sowie die wetterbedingt schwankende Verfügbarkeit erneuerbarer Energien.

Uneinheitliche nationale Regelungen
Während in Deutschland aufgrund eines „Doppelvermarktungsverbots“ keine HKN für geförderte EEG-Anlagen ausgestellt werden, ist dies in den meisten anderen EU-Ländern möglich. Die unterschiedlichen Regelungen führen zu Intransparenz und dazu, dass die steigende Nachfrage nach HKN in Deutschland zunehmend durch Importe gedeckt wird.

Gefahr der Doppelzählung
In einigen Fällen wurde Ökostrom doppelt angerechnet - einmal als HKN und zusätzlich im nationalen Strommix. Prominente Beispiele sind Island und Norwegen, wo Grünstrom sowohl für den heimischen Verbrauch als auch als exportierte HKN bilanziert wurde.

Die Expert:innen empfehlen folgende Anpassungen:

Verpflichtende Kopplung einführen
HKN sollten verpflichtend an die tatsächliche Stromlieferung gekoppelt werden, wie es bereits für die Wasserstoffproduktion vorgeschrieben ist. Der Zeitraum zwischen Erzeugung und Verbrauch sollte maximal einen Monat betragen.

Zeitliche und räumliche Komponente stärken
Eine höhere zeitliche Auflösung (stündlich/viertelstündlich) würde die Schwankungen der erneuerbaren Erzeugung besser abbilden. Zudem sollte eine regionale Komponente eingeführt werden, die die physikalischen Transportmöglichkeiten berücksichtigt.

Europäische Harmonisierung vorantreiben
Die nationalen Regelungen zur Ausstellung und Anrechnung von HKN sollten vereinheitlicht werden. Bei einer Reform des Systems könnte auch das deutsche Doppelvermarktungsverbot überprüft werden.

Digitalisierung nutzen
Durch Automatisierung und digitale Plattformen könnten die Prozesse effizienter gestaltet und auch kleinere Anlagen besser eingebunden werden.

„Nur wenn HKN die physikalischen Realitäten des Stromsystems abbilden, können sie einen echten Beitrag zur Energiewende leisten“, fasst die Studie zusammen. Die vorgeschlagenen Reformen würden das System deutlich verbessern - allerdings sei dafür ein grundlegender Umbau nötig.

Die Bedeutung des Themas nimmt zu. Eine Reform des Systems ist daher dringend geboten. Für Wasserstoff gelten die strengeren Auflagen, die FÖS auch für den Stromhandel fordert. Grüner Wasserstoff muss mit Strom aus Erneuerbaren-Anlagen hergestellt werden. Die Herkunft des Stroms wird über HKN nachgewiesen. Im Unterschied zum sonstigen Stromhandel gilt, die HKN sind an die Strommengen für die Elektrolyse gekoppelt, um Greenwashing zu vermeiden.