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Klimaschutz

Merkel: Unterm Strich CO2-frei bis 2050

Tilman Weber

Der Initiative des französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron wollte sie sich erst nicht anschließen. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) in der vergangenen Woche im rumänischen Sibiu hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch verneint, dass die deutsche Regierung der von Frankreich angeführten Gruppe mit bislang acht weiteren Ländern folgen könnte, die für eine EU-weite Klimaneutralität bis 2050 eintritt. Auch die EU-Kommission bereitet ein Konzept für eine solche Netto-Null-Strategie bei den Emissionen vor.

Nach der Umweltministerin auch die Kanzlerin für Klimaneutralität

Beim zweitägigen Petersberger Klimadialog in Berlin sprach sich nun aber bereits am Montag die dem Koalitionspartner SPD angehörende Bundesumweltministerin Svenja Schulze für die EU-Klimaneutralität zur Mitte des Jahrhunderts aus. Am Dienstag zeigte Merkel selbst auf dem internationalen Dialog-Treffen ihre Sympathie für die Initiative: Deutschland solle ab 2050 unterm Strich keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstoßen, sagte die Kanzlerin. „Die Diskussion soll nicht heißen, ob wir es erreichen können, sondern wie können wir es erreichen.“

Bislang gilt für Deutschland das Klimaziel der Bundesregierung, bis 2050 den Ausstoß für den Teibhauseffekt verantwortlichen Kohlendioxids (CO2) um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Ein von Umweltministerin Schulze im Februar im Kabinett vorgelegter Entwurf eines Klimaschutzgesetzes fordert indirekt zwar die Festlegung auf eine Reduktion der Emissionen um mindestens 95 Prozent. Allerdings sind das Kabinett und auch die Koalition über den Entwurf zerstritten. Vor allem CDU- und CSU-Politiker lehnen ihn in großen Teilen ab.

Angela Merkel unterstützt auch Klimaschutzgesetz

Angela Merkel unterstützte nun in Berlin allerdings auch den Klimaschutzplan ihrer Ministerin. Eine klare rechtliche Regelung für Klimaschutzbemühungen aller Ressorts im Kabinett sei „richtig“, betonte sie. Indirekt, wenngleich nicht ganz eindeutig bestätigte sie damit Passagen im Klimagesetz, die einzelne Ministerien zur Mitwirkung beim Klimaschutz verpflichten würde. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, alle zuständigen Ministerien auch an drohenden Kosten durch Nichterfüllung der Klimaziele zu beteiligen. So müssten die Koalitionäre jährlich überprüfen, in welchen Emissionsbereichen vom Verkehr über den Bau bis zum Kraftwerksbereich spezifische Ziele verfehlt werden. Danach hat das dafür zuständige Ministerium binnen eines halben Jahres Maßnahmen vorzulegen, die Emissionsminderungen wieder auf den richtigen Zielpfad bringen.

Derzeit drohen bereits bis zu 60 Milliarden Euro Strafzahlungen an die EU, weil Deutschland die Klimaschutzziele für 2020 und womöglich auch 2030 nicht erreichen wird.

Offenheit auch für CO2-Steuer

Hinter den Klimaschutzbemühungen der Regierung müsse das ganze Kabinett dahinterstehen, forderte Merkel. Es sei keine Frage, ob dies erforderlich sei, sondern nur „welcher Mix aus Ordnungsrecht und vielleicht marktwirtschafltichen Methoden“ der richtige sein werde. Das war eine Anspielung auch auf die Forderung der Umweltschutzministerin, eine bundesweite CO2-Steuer zur Beschleunigung der Klimaschutzanstrengungen einzuführen, für die sich Merkel somit offen zeigte.

Zugleich machte die Bundeskanzlerin deutlich, dass Ihr Umschwenken in Sachen Klimaschutzinitiative der neun EU-Länder keineswegs ein klares Umschwenken in deutscher Klimapolitik hin zu einer wieder entschiedenen Energiewende bedeutet. Sie definierte in ihrer Rede, dass es auch nicht vermeidbare Treibhausgase geben werde, die dann entweder „gespeichert oder durch Aufforstung kompensiert werden“ müssten.

Bundeskanzlerin bringt unterirdische CO2-Ablagerung erneut ins Spiel

"Wenn wir dafür eine Lösung finden, können wir uns der Initiative der 9 Mitgliedstaaten der EU anschließen“, sagte Merkel. Die Bundeskanzlerin machte damit deutlich, dass sie der unterirdischen Verpressung technisch abgeschiedener CO2-Emissionen eine wichtige Rolle einräumen könnte.

Das unter dem internationalen Kürzel CCS bekannte, aber gerade in Deutschland höchst umstrittene Verfahren unterstützt auch die Bundesumweltministerin. Das hatte diese Anfang 2019 klar gemacht. Kritiker befürchten, das Kohlendioxid könne durch unvorhergesehene Vorgänge im Boden durch Risse wieder austreten und zu unvorhergesehenen Gefahren und großen Umweltschäden führen.

CO2-Abscheidung und CO2-Verpressung auf Linie der EU

Merkel zeigte sich so auf der Linie, die offenbar die EU selbst einzunehmen beginnt. So will die EU nun ein Modellgroßprojekt für CCS im Hafen der niederländischen Handelsmetropole Rotterdam unterstützen.

Neuer Höchstwert bei CO2-Konzentration

Die französische Initiative zur Klimaneutralität bis 2050 fällt zusammen mit der Bekanntgabe eines neuen Negativrekordes der weltweiten Emissionen. Wie das Mauna Loa Observatorium auf Hawaii jetzt bekannt gab, hat die durchschnittliche weltweite Anreicherung der Luft mit Kohlenstoffpartikeln einen traurigen neuen Höchstwert erreicht. Im Observatorium beobachteten die US-Forscher 2018 einen mittleren Anreicherungsgehalt von 409,92 ppm. Die Einheit ppm - wörtlich parts per million beziehungsweise auf Deutsch „Teilchen pro Millionen“ – kommt rechnerisch einer Anreichung der Luft mit Schadstoffen zu 0,001 Prozent des analysierten Luftvolumens gleich.

Im Vorjahr habe die gemessene CO2-Anreicherung noch 407,05 ppm betragen, informierte die Organisation National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die das Observatorium in Hawaii leitet. Laut NOAA erlebte die Welt 2018 die vierthöchste Steigerungsrate dieser Anreicherung seit 60 Jahren.