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Windforce 2020

Offshore-Windenergie-Konferenz für den Green Deal

Tilman Weber

Die EU-Kommission als regierende Behörde der Europäischen Union (EU) habe zum Jahreswechsel für ihr Ziel Klimaneutralität Europas einen notwendigen Ausbau der Offshore-Windenergie auf bis zu 450 Gigawatt (GW) definiert, so erklärt das Windenergie-Branchennetzwerk WAB die Aktualität dieses Bezugs. Die Bundesregierung ziehe bekanntlich nach und habe „zum ersten Mal ein langfristiges Ziel … mit 40 GW in deutschen Seegebieten“ formuliert. Weil die von der EU bis 2050 und der Bundesregierung bis 2040 so angesteuerte Energieversorgungszukunft auch „mehrere Gigawatt für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff“ erfordere, werde die Konferenz die Erzeugung von Wasserstoff aus Meereswindstrom als Schwerpunktthema behandeln. „Wie diese Ziele erreicht werden können, erläutern Branchenexperten auf der Windforce“, teilte die WAB am Freitag in Bremen bei einer Vorstellung der Konferenzpläne mit.

Partnerland Großbritannien

Die jährlich in Bremerhaven veranstaltete zweitägige Konferenz war wegen der Kontaktbeschränkungen zum Schutz vor der Coronapandemie im Mai abgesagt und auf den 3. und 4. September verschoben worden. In 15 Sitzungen – zumeist thematisch auf Technik, Wirtschaft, Politik und Szenarien fokussierte Vortrags-Panels – deckt die 16. Windforce auch die internationale Kooperation als Grundlage des künftigen europäischen Offshore-Ausbaus ab. Mit Großbritannien haben die Organisatoren aus den Reihen des WAB außerdem den weltweit führenden Offshore-Windenergie-Staat zum Partnerland gemacht.

Green Deal nicht im nationalen Alleingang möglich

Dabei zielen die Programmacher insbesondere auf die Programmatik der EU-Kommission eines europäischen „Green Deal“ ab, den die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen beim Antritt als EU-Komissionschefin im vergangenen Jahr zugesagt hatte. Doch Deutschland als bislang zweitgrößter europäischer Offshore-Windkraft-Standort mit nun 7,5 GW ausgebauter Erzeugungskapazität und einem Ausbauziel schon bis 2030 von 20 GW kommt auch zusammen mit Großbritannien und dort schon installierten 10 GW sowie dem britischen Ausbauziel für 2030 von 30 GW nicht einmal annähernd in die Reichweite des gigantischen Szenarios der EU-Kommission von 450 GW. Die Leiterin der Abteilung Energie und Infrastruktur im britischen Außenhandelsministerium, Deryth Wittek, verwies am Freitag in Bremen daher auf die Notwendigkeit einer noch engeren internationalen Kooperation der Branche: Zusätzlich zu den zehn installierten GW seien in britischen Gewässern vier weitere GW in Bau und sechs GW steckten nicht mehr weit vom Baustart entfernt noch in der Finanzierungsphase. Doch damit seien bis Ende 2026 nur etwas mehr als 20 GW am Netz zu erwarten. Die vierte Ausschreibungsrunde bringe ab 2021 weitere rund acht GW bringe ins Spiel – womit nur noch die restlichen fünf Jahren von 2026 bis 2030 blieben, um die dann immer noch fehlenden 20 GW bis zum 40-GW-Ziel Londons zu errichten. „Dies können wir nicht alleine stemmen ohne eine Zusammenarbeit mit Deutschland“, sagte Wittek.

Fokusthema Wasserstoff - für Großbritannien und Norddeutschland wichtig

Wittek verwies auf Berechnungen, wonach das Königreich alleine bis 2050 rund 75 GW Offshore-Windkraft benötigen würde, um genug grünen Strom auch eingedenk der sogenannten Sektorenkopplung zu haben. Mit Elektrolyse durch bestenfalls im Stromnetz sonst überschüssigen Offshore-Windstrom soll nach europaweiten Plänen eine großformatige Wasserstoffproduktion in Europa entstehen. Sie soll zunehmend insbesondere Brennstoffzellenautos, aber auch andere Verkehrsmittel antreiben. Durch die Kopplung des Strom- mit dem Verkehrssektor soll so der immer noch auf Benzin und Diesel basierende Autoverkehr ebenfalls klimaneutral werden.

In diesem Zusammenhang bekommt auch die erst vor wenigen Wochen festgezurrte nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung insbesondere für die Stammsitz-Region der WAB in Nordwestdeutschland eine hohe Wichtigkeit. Davon sind jedenfalls die WAB-Macher und die Energiewendepolitiker der Region um Bremen überzeugt: So verdeutlichte der Bremer Staatsrat für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität und frühere WAB-Geschäftsführer Ronny Meyer, mit dem neuen Thema Wasserstoff decke die Windforce ein Thema ab, das mehr als bisher zum Bundestrend geworden sei. Hierbei werde die Offshore-Windkraft-Industrie eine große Rolle einnehmen, was der Region an der Nordsee einen großen Anteil an der Wertschöpfung beim Wasserstoff sichern könne.

„Bremerhaven steht für Innovation und Produktion im Bereich der Windindustrie und ist als Standort ideal für die Kombination von Wind und „grünem“ Wasserstoff", betonte auch der Bremerhavener Stadtverordnete Torsten von Haaren.

Umstrittene Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes

Allerdings machte die WAB-Vorstandsvorsitzende und Projektmanagerin beim Regionalversorger EWE Irina Lucke auch die Gefahren durch die von der Bundesregierung geplante neue Ausschreibungsmethodik klar: „Nie war die Situation so verwirrend wie heute.“ Die durch die Bundesregierung geplante Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes mit ihrem Instrument einer zweiten Bieterrunde im Falle von mehreren Null-Cent-Geboten werde vom überwiegenden Teil der Offshore-Windbranche „äußerst kritisch gesehen“. Sie konterkariere die anderen positiven Signale. Nicht zuletzt bedrohe sie die Akteursvielfalt, von der die Nordwest-Region sonst profitieren könne.

Mehr Beschäftigung nur bei Mittelstandsbeteiligung

„Offshore-Wind kann in Deutschland wieder für mehr Beschäftigung sorgen, wenn kleine und mittlere Unternehmen in diesem politisch motivierten Markt bis dahin eine faire Chance erhalten“, sagte auch die WAB-Geschäftsführerin Heike Winkler. Jüngere Beispiele zeigen nach Ansicht der Windforce-Organisierenden, wie sehr die Nordwestregion in der Breite profitieren könnte: So hatte Anfang Juli das Spezialunternehmen Steelwind in Nordenham den Auftrag zur Lieferung der Monopile-Fundamente des Ostsee-Windparks Arcadis Ost erhalten.

Das neue Ausschreibungsmodell nach den Plänen der Bundesregierung könnte durch ein Nachbieten in der zweiten Auktionsrunde dazu führen, dass Projektierer für ihr Recht auf Bau eines Windparks im Meer eine Bezahlung anböten. Die WAB wie auch viele Branchenunternehmen setzen entgegen diesem Modell auf die Übernahme des britischen CFD-Systems. Der CFD-Mechanismus sieht vor, dass Offshore-Windparkbetreiber für die Einspeisung ihres Stroms einen in einer Ausschreibung ermittelten festen Preis pro Kilowattstunde erhalten. Dabei handelt es sich allerdings um einen Richtpreis, den der Staat als Ergänzung zum verbindlichen Vertrieb des Offshore-Windstroms an den Stromhandelsbörsen garantiert: Fällt der Windstromhandelspreis unter diesen Richtpreis, zahlt der Netzbetreiber beziehungsweise der Staat die zum Richtpreis entstandene Differenz. Übersteigt der Handelspreis dieses Niveau, zahlt das Windparkunternehmen den Überschuss über dem Richtpreis an den Staat zurück.

Differenzvergütungsmodell CFD verspricht finanzielle Stabilität

Mit dem CFD-Mechanismus ließen sich in Sturm- oder Starkwindsituationen drohende negative Preisentwicklungen ausgleichen. Die hieraus entstehende Stabilität für die Refinanzierung der Windparks lasse die Kosten der Finanzierung gemäß britischen Erfahrungen um 2,5 Prozent sinken, betonte Deryth Wittek vom britischen Außenhandelsministerium. WAB-Vorstandsvorsitzende Lucke sieht nicht zuletzt auch die für die deutsche Meereswindkraft wichtigen kommunalen Unternehmen wie Stadtwerke mit den drohenden Doppelauktionsrunden gefährdet. „Aus Compliancegründen“ müssten Stadtwerke dann aus den Tendern aussteigen – weil diese als kommunale Unternehmen aufgrund der ihnen auferlegten besonderen Regeln zu Transparenz und finanzieller Sicherheit dann sich fernhalten müssten. Außer der weiteren Auseinandersetzung mit der Politik über das Ausschreibungssystem soll die Windforce auch eine Beschleunigung der Ausschreibungen in Deutschland auf die politische Tagesordnung bringen. Die Branche führe bekanntlich bereits Gespräche mit der Politik dazu, sagte WAB-Geschäftsführerin Heike Winkler. „Die Bundesregierung sollte ihr Koalitionsvertrags-Versprechen erfüllen und kurzfristig eine Ausschreibung für das Küstenmeer und für freie Netzkapazitäten starten, die sonst über viele Jahre ungenutzt blieben.“

Plattform zur Orientierung in Nach-Corona-Zeit

Der Sprecher des Bremer Windparkprojektierungsunternehmens WPD, Christian Schnibbe, betonte mit Blick auf die 16. Windforce: In einer Situation, in der viele in der Branche eine Weichenstellung für die Nach-Corona-Zeit suchten, werde die Windforce zur besonders wichtigen Austauschplattform.

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Die Konferenz

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