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Photovoltaik in China

Tiger entdeckt sein Hinterland

China ist dabei, sich einen einheimischen Photovoltaikmarkt aufzubauen. Noch bis vor Jahresfrist galt China als Tiger ohne Hinterland. Vor allem die staatliche chinesische Entwicklungsbank (CDB) – auch im vergangenen Jahr wieder der größte Kreditgeber für die Photovoltaikbranche – förderte mit üppigen Krediten den Aufbau von Produktionskapazitäten. Das führte dazu, dass 85 Prozent aller Module im Asien-Pazifik-Raum hergestellt werden. Die im Land produzierten Solarmodule gingen allerdings hauptsächlich ins Ausland. Mit dem Zusammenbruch des Marktes in Deutschland musste Peking reagieren und seine Geldströme umleiten, so dass diese nicht einfach nur in der Verschuldung der Produzenten verbrannt werden. Die Regierung hat sich darauf besonnen, nicht mehr Produktionskapazitäten, sondern die Entwicklung eines einheimischen Photovoltaikmarktes zu fördern. Im Juni 2013 hat sich der chinesische Staatsrat für eine Konsolidierung der Solarindustrie und den Stopp der unbegrenzten Erweiterung der Produktionskapazitäten ausgesprochen.

Zubauziel steht fest

Zumindest der Plan, einen eigenen Solarmarkt zu entwickeln und nicht mehr das Geld in der ungehemmten Produktion zu versenken, beginnt zu fruchten. Inzwischen ist China einer der führenden Märkte der Welt. Die Marktanalysten von Mercom Capital in Autin, Texas, rechnen für 2013 mit einem Zubau von 8,5 Gigawatt. Für dieses Jahr steht auch schon ein Zubauziel fest: Peking will 2014 Solarstromanlagen mit einer Gesamtkapazität von zwölf Gigawatt neu installiert wissen. „Dieser Meilenstein ist das letzte Kapitel beim Übergang von einer europäisch geprägten zu einer neuen Solarindustrie, wo Angebot und Nachfrage aus dem Asien-Pazifik-Raum die Grundlage für den weltweiten Markt mit einem Gesamtvolumen von 50 Gigawatt bilden“, betont Steven Han, Photovoltaikanalyst beim Marktforschungsinstitut Solarbuzz in Santa Clara, Kalifornien.

Entwicklungsbank steht Pate

Der Umbruch im Reich der Mitte ist radikal. Nicht jeder Modulbauer darf an Ausschreibungen für geplante Projekte teilnehmen oder gar öffentliche Fördergelder beziehen. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnolgie veröffentlichte zum Jahreswechsel eine Liste von nur 109 Unternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen und Fördergelder beziehen können. Auf dieser Liste fehlen gestandene Hersteller wie LDK Solar oder Shunfeng Photovoltaic International. Der Modulbauer mit Sitz im ostchinesischen Wujin hat im vergangenen Jahr die Produktionsstätten des einstigen Primus der Modulbranche Suntech im benachbarten Wuxi für nahezu eine halbe Milliarde Dollar übernommen. Allerdings ist der Ausschluss von der Förderung längst nicht das Aus für die Hersteller auf dem chinesischen Markt. Denn die Entwicklungsbank in Peking steht Pate für die Entwicklung des Photovoltaikhinterlandes. So bekommen sechs Tochterunternehmen von Shunfeng Kredite mit einer Gesamthöhe von 160 Millionen Dollar von der Entwicklungsbank, um im Nordwesten des Landes fünf Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 110 Megawatt zu errichten. Damit kratzt Shunfeng schon jetzt an der Gigawattmarke. Denn bisher besitzt das Unternehmen schon 31 solcher Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 890 Megawatt. Zwei weitere Solarparks mit einer Gesamtleistung von 200 Megawatt sind noch im Bau. Außerdem plant das Unternehmen den Bau von Kraftwerken in Nordwestchina mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt. Die Vereinbarungen mit den Provinzbehörden stehen bereits und die Regierung in Peking hat zugesagt, dafür 35,7 Quadratkilometer Land für jährlich eine Million Dollar (730.000 Euro) zur Verfügung zu stellen.

Drei Kredite in einer Woche

Doch Shunfeng ist nicht das einzige Unternehmen, das sich Geld bei der Entwicklungsbank in Peking leiht. Noch in der ersten Januarwoche vermeldeten zwei weitere Firmen Kreditverträge mit der CDB. So wird die China Wind Power Group mit 942 Dollar von der CDB-Niederlassung in der nordwestchinesischen Provinz Qinghaj in den kommenden beiden Jahren Photovoltaikkraftwerke mit einer Gesamtleistung von gut 800 Megawatt errichten. Seit dem Einstieg des einstigen Entwicklers von Windkraftwerken in die Photovoltaik hat China Wind Power schon Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 150 Megawatt gebaut. „Mit der finanziellen Unterstützung der Entwicklungsbank wollen wir noch mehr Photovoltaikprojekte entwickeln“, erklärt der Geschäftsführer und Direktor von China Wind Power, Yang Zhifeng. Nach eigenen Angaben hat der Unternehmen die exklusiven Rechte zur Entwicklung von Photovoltaikprojekten mit mehr als fünf Gigawatt Leistung in 24 chinesischen Provinzen. Auch Jinko Solar – immerhin auf der Liste der von der Regierung zur Förderung zugelassenen Hersteller – bekommt von der CDB in Peking Kredite im Umfang von immerhin 66 Millionen Dollar mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Damit will das Unternehmen aus Shanghai die bereits im vergangenen Jahr gebauten Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 50 Megawatt im Nordwesten finanzieren. Weitere 500 Millionen Dollar bekommt Jinko Solar als Kreditlinie zur Finanzierung von weiteren Photovoltaikprojekten. „Damit wollen wir die wachsende Nachfrage nach grüner Energie bedienen und unseren Aktionären gute Renditen bieten“, betont Xiande Li, Vorstandsvorsitzender von Jinko Solar. „Wir freuen uns, die Beziehung zur CDB weiter auszubauen. Die Bank hat umfangreiche Erfahrung mit Photovoltaikfinanzierungen. Mit diesem Geld können wir unsere Projekte in Xinjiang und Qinghai langfristig stabil finanzieren.“ Jinko Solar hat gegenüber Shunfeng einen entscheidenden Vorteil: Für den Solarstrom aus seinen Kraftwerken bekommt es eine Einspeisevergütung von umgerechnet 12,5 Eurocent pro Kilowattstunde. Damit ist die Rendite zur Rückzahlung der Kredite abgesichert. Denn die Zeiten der zinsgünstigen Kredite aus Peking scheinen vorbei zu sein. Shunfeng gibt an, für das Darlehen marktübliche Zinsen bezahlen zu müssen.

Run auf Großanlagen ist ungebrochen

Offiziell ohne Geld aus Peking beginnt Trina Solar noch in diesem Jahr mit dem Bau der ersten Phase eines Ein-Gigawatt-Solarparks in der nordwestlichen Provinz Xinjiang Uyghur. Trina Solar plant mehrere Bauabschnitte. Die ersten beiden Teile mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt sollen noch bis Ende 2014 ans Netz gehen. In spätestens vier Jahren soll das gesamte Kraftwerk stehen. Sobald der erste Abschnitt genehmigt ist, will das Unternehmen aus Changzhou neben der Baustelle ein Modulwerk errichten. „Das schafft Arbeitsplätze und kurbelt die lokale Wirtschaft an“, sagt Jifan Gao, Vorstandsvorsitzender von Trina Solar. Der genaue Zeitplan hängt allerdings davon ab, wie schnell die Kommunalverwaltung arbeitet und wie schnell Trina Solar die Zusage für den Netzanschluss von staatlichen Netzbetreiber bekommt. Weitere 500 Megawatt Solarstromleistung will Yingli Solar errichten. Das Unternehmen in Baoding ging dazu sogar eine Vereinbarung mit dem Atomunternehmen China National Nuclear Corporation (CNNC) ein. Auf den Flächen des Atomkonzerns will Yingli Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 200 Megawatt bauen. Weitere Anlagen sollen auf den Flächen der Datong Coal Mine Group entstehen. „Die chinesische Regierung hat erst kürzlich neue Gesetze verabschiedet und wir erwarten, dass sich dezentrale Photovoltaikanlagen in China in nächster Zeit rasch verbreiten“, sagt Liansheng Miao, Vorstandsvorsitzender von Yingli Solar. Zu diesen Gesetzen gehören neben attraktiven Förderprogrammen auch eine Einspeisevergütung. Allerdings will die Regierung in Peking damit nicht ausschließlich den Bau von Solarkraftwerken forcieren. Vielmehr geht sie davon aus, dass in diesem Jahr zwei Drittel der anvisierten 12 Gigawatt neuer Solarstromleistung als Dachanlagen errichtet werden. Das würde eine radikale Änderung des Marktes bedeuten. Denn im vergangenen Jahr entstand weniger als ein Viertel der neu zugebauten Photovoltaikleistung als private und gewerbliche Dachanlagen. Die Marktforscher von NPD Solarbuzz bezweifeln, dass ein solch radikaler Umbruch gelingt. Die Analysten prognostizieren, dass mindestens die Hälfte als Freiflächenanlagen gebaut wird. Die Meldungen aus den Unternehmen bestätigen auch: Der Run auf die Solarkraftwerke in China ist ungebrochen. (Sven Ullrich)