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Windpark-Wartung – III

Fit an Flügel und Fuß

Der Bundesverband Windenergie (BWE) hat das Thema Spezialwartungen vor drei Jahren für sich entdeckt. „Unser Arbeitskreis bestand schon Jahre“, sagt Stefan Brassel, Sprecher des verbandseigenen Expertenkreises AK Rotorblatt. Seit 2010 sei der im BWE fest verankert. Experten für Rotorblattreparaturen entwickeln hier Kriterien dafür, „welche Toleranzmaße eine Klebeschichtdicke oder eine Stegposition auf dem Gurt hat.“ Diese inneren Strukturteile geben dem Rotorblatt die notwendige Stabilität, sind aber auch potenzielle Bruchstellen. Der Sprecher des BWE-Arbeitskreises ist selbst Leiter der Rotorblattwartung beim Serviceunternehmen Deutsche Windtechnik in Bremen und kennt das bisherige Problem: Die Hersteller der Rotorblätter sahen wenig Notwendigkeit, ihre Daten auszutauschen. Mittlerweile hat der BWE-Arbeitskreis deshalb einen Schadenskatalog mit Grenzwerten erstellt. Er legt fest, welche Therapie für das jeweilige Schadensausmaß notwendig ist.

Blattschwächen mindern Erträge

Dass diese Selbsthilfe trotz des schon viele Jahre langen Windkraftausbaus im Gigawattbereich notwendig wurde, liegt an einer Fehlentwicklung: Um das Geschäft mit der Wartung von Triebstrang, Elektrik oder Steuerung der Anlage wetteifern unabhängige Servicedienstleister und Turbinenbauer-Wartungsdienste schon lange. Doch die Extremitäten wie Rotorblätter oder Fundamente überließen die Hersteller gerne Spezialfirmen. Denn Wissen und Kletterkünste der entlang der Turbinenflügel abseilenden Blattinspekteure haben wenig mit traditionellem Maschinenbau-Wissen der Standardwartungsdienste zu tun. So erfordern Rotorblätter und Fundamente Teams, deren Fachkräfte vielerorts erst noch teuer ausgebildet werden müssten.
Dabei sind es weniger die großen Unfälle, wegen derer die Komponentenwartung wichtiger wird. „Erosionsschäden der Grundbeschichtung sind sehr häufig“, betont Brassel vom BWE-Arbeitskreis. Den neuen Rotorblättern fehlten oft Kunststofffolien oder Doppellackierungen, die bei heutigen Großrotoren zusätzlich erforderlich seien.
Weil in Zeiten modernster Windparksteuerung selbst leichte Blattschwächen große Ertragseinbußen verursachen können, haben die Anlagenhersteller den Wert guter Fundament-, Turm- und insbesondere Rotorblattwartungen erkannt. „Die Turbinenhersteller bauen seit drei Jahren doch noch eigene Wartungsteams für Rotorblätter auf“, sagt ein Windparkprojektierer, der damit nicht zitiert werden will. Dem Deutschlandmarktführer Enercon schreiben von ERNEUERBARE ENERGIEN stichprobenartig befragte deutsche Projektierer hier eine längere Tradition zu. Aber auch Vestas und Nordex gelten als Vorreiter.
Das spanische Service-Unternehmen GES hatte 2008 den Flügelreparaturbetrieb WKA Service Fehmarn übernommen. Dieser wartet heute in Deutschland jährlich mit 130 Technikern die Rotoren an rund 700 Anlagen. Auftraggeber sind Turbinenhersteller, die GES als Subunternehmen im Herstellerservice buchen. Im europäischen Ausland werde die GES-Wartungssparte mit 40 weiteren Instandhaltungstechnikern auch von Energiekonzernen gebucht, betont der Geschäftsführer der GES-Deutschland-Tochter, Arkin Pariltan. Durch verbesserte Harze zum Kleben gelöster Blattstrukturen oder Optimierungen an den Schutzschichten gegen die UV-Strahlung der Sonne erhöhe sein Unternehmen die Servicequalität, sagt er.
Andere Wartungsspezialunternehmen definieren sich vor allem über die von ihren Mitarbeitern beherrschten Abseiltechniken als Dienstleister an den langen vertikalen Bestandteilen der Windturbinen. So wartet das Unternehmen Seilpartner aus Berlin deshalb auch Türme. Vermehrt setzt es inzwischen eigene Arbeitsbühnen ein.

Wenig beachtet: Fundamente

Zu wenig beachtet hatte die Branche lange auch die Fundamente. Bis 2005 ist Problemen mit Rissen in den Betonsockeln zugeschaut worden, darf man den Spezialunternehmen glauben. „Wir sind als Quereinsteiger gerufen worden“, sagt Firmenchef Klaus Deininger. Sein Unternehmen für Betoninstandsetzung und Bauwerksabdichtung KTW Umweltschutztechnik kam ins Geschäft, als vor fast zehn Jahren rings um die ersten Megawattanlagen vermehrt Risse auftraten. Die Spalten liefen mit Wasser voll, dieses ließ die Bewehrungen rosten.
Als kritischster Bereich entpuppte sich ein damals verbreitetes Fundamenteinbauteil, ein einbetonierter Ring aus Metall. Er ragt oben aus dem Fundament, um daran den Turm anzuflanschen. Durch Schwingungen des Turms zermürbte der Ring den Beton, wo der Fundamentguss nicht ausreichend verdichtet worden und mit Luftbläschen durchsetzt war. „Der Turm begann in diesen Fällen, sich im Fundament zu rühren“, schildert Deininger.
Die Branche hat inzwischen mit eigenen Entwicklungen reagiert. Eine fünf Millimeter dicke Weichschicht aus Schaumstoff reicht heute nach Sanierungen um den Einbauring herum bis 50 Zentimeter tief in das Fundament. Bei Neubauten werden zudem eher Ankerkörbe statt Einbauringe verwendet. Sie bestehen aus Ankerbolzen, die über zwei Ringe zum Zylinder zusammengefasst sind. Aus dem Fundament lassen die Fundamentbauer einen Bolzenkreis zum Anflanschen des Turms herausragen. Die Ankerkörbe sind vorgespannt und verhindern so, dass der Turm durch Kippbewegungen eine Zugwirkung im Beton ausübt und zu Rissen führt. Denn Beton kann nur Druck aushalten.

Tausende Sockel inzwischen saniert

Bis heute sanierte KTW 2.000 Fundamente, dichtete Risse ab, steuerte mit Bohrungen porös gewordene innere Areale an und injizierte dorthin Spezialmaterial zum Verfestigen. Nun betreibt KTW lieber Vorbeugung: Mit dem Kunststoff Polyurethan beschichten die Thüringer auf Wunsch die Sockeloberflächen in einem engen Radius um den Turm. Deininger erklärt: „Es bildet sich eine flexible Abdeckung, die 180 Millionen Lastwechsel in der Laufzeit einer Windturbine mitmacht – ohne zu reißen.“ KTW verlegt außerdem optional beim Fundamentbau je zwei Verpressschläuche – einen innen und einen außen, im Kreis entlang des T-förmigen unteren Endes des Fundamenteinbauteils. Genau an diesem Grat entstehen im schlimmsten Fall die zermürbten Betonstellen. Die Schläuche haben einen mit Stöpseln verschließbaren Eingang an der Fundamentoberfläche und im Fundament-innern abschnittsweise geschlitzte Ausgänge für den Füllstoff. „Manche Kunden wollen, dass wir nach einem halben Jahr Setzungszeit des Turms hierdurch Polyurethan einpressen und so die gefährdeten Stellen stabilisieren“, sagt Deininger.
Die Injektionen begrenzen die Pflegekosten der Turbinenfüße in der Laufzeit einer Anlage auf angeblich 2.500 Euro. Die Reparaturen kaputter Fundamente verschlängen hingegen locker das Dreifache. Es ist wie mit einer Versicherung: Letztlich muss jeder Kunde selbst abschätzen, wie sehr er sich gegen eventuelle Probleme wappnen will.
Im Branchenverband BWE arbeitet seit fünfeinhalb Jahren ein Arbeitskreis auch an Standards für Fundamentwartungen. Ende 2013 brachte er eine Broschüre dazu heraus. Demnach gelten Risse bis 0,2 Millimeter als in Ordnung. Gutachter sollen größere Risse unmittelbar nach Fundamentguss inspizieren. Sie müssen unterscheiden, ob diese aus der Betonhärtung stammen oder doch aus Hebelwirkungen des Turms. Bei Härtungsrissen lasse sich eine Kunststoffbeschichtung zum Schutz vor Wasser darüberlegen, erklärt der Arbeitskreis-Sprecher Jörg Janetzky. Falls das Fundamentbauteil sich aber im Fundament bewegt, wird es kritischer. Ab vertikalen Bewegungen der Einbaukomponente um 1,5 Millimeter müssen die Instandhalter mit Injektionen tätig werden. Allerdings ließen heutige Ankerkörbe solche Bewegungen selten werden.

Projektierer: Extremitäten im Blick

Für die Projektierer und großen Betreiber ist die forcierte Großbauteilwartung ein Trend: Sowohl für Rotorblätter und Türme als auch für Fundamente beauftragt beispielsweise PNE Wind in Cuxhaven jeweils Spezialunternehmen. Beim Bremer Projektierer WPD vergeben die Windparkgesellschaften ihre Rotorinstandhaltung häufig an die Deutsche Windtechnik Rotor und Turm. Der Turm sei hingegen „kein Problem“. Er werde Sichtkontrollen durch das mit der Gesamtwartung eines Windparks betraute Unternehmen unterzogen, sagt Pressesprecher Christian Schnibbe.
Interessant, dass die Spezialsparte der Deutsche Windtechnik (DWT) dennoch DWT Rotor und Turm heißt. „Streng genommen“, erklärt DWT-Geschäftsführer Matthias Brandt, „ist Turmwartung so etwas wie eine Karosseriewartung beim Auto. Es gibt sie nicht wirklich. Solange da nur Beulen sind, lässt der TÜV die durchgehen.“ Gleichwohl haben die Bremer sich den Turm mit auf die Fahnen geschrieben. Das Überprüfen auf nachlassende Drehmomente der Bolzen zum Zusammenhalten der Turmflansche ist Standard. Mitunter prüfe DWT aber auch die Dicke der Lackschicht am Turm, um notfalls ein Nachbessern am Rostschutz einzufordern, erklärt Brandt.
Dass Spezialwartungsdienstleistern die Arbeit nicht ausgehen wird, dafür sorgt ausgerechnet der technologische Fortschritt. Die zunehmende Größe und Höhe der Rotorblätter und deren erschwerte Zugänglichkeit sei eine neue Herausforderung, heißt es bei RWE Innogy. Bei den großen Rotoren träten „neue Lasten in Erscheinung, die das eine oder andere in Mitleidenschaft ziehen“, sagt auch ein Experte bei einem Wartungsunternehmen, der anonym bleiben möchte. Er verweist auf äußerliche Abnutzungen wie Erosionen der Blattvorderkante, Spannungsrisse in Vorder- und Hinterkante sowie großdimensionierte UV-Schäden der Außenhaut. Neuartig sind solche Ermüdungserscheinungen nicht. Doch wie die plötzlich um bis zu 15 Meter über bisherige Höchstmaße hinaus verlängerten Flügel an jeder ihrer Faser mit Belastungen zurechtkommen, müsse erst die Praxis im Windpark zeigen. Ein Beispiel? Wo UV-Strahlung zum Abblättern der Oberschicht führt, droht diese durch die besonders turbulent anströmende Luft sofort abgetragen zu werden. Man müsste also wohl öfter kontrollieren. ( Tilman Weber)