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3,1-Grad-Ziel? Warum die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes keine gute Idee ist

Es klingt wie eine pragmatische Idee: der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat vorgeschlagen, die Klimaschutzziele der einzelnen Sektoren so aufzuweichen, dass die Budgets untereinander verrechnet werden können. Die Idee. Wenn die Industrie oder die Energiewirtschaft nur kräftig genug einsparen, ist es nicht so schlimm, wenn der Verkehrssektor die Dinge ein bisschen schleifen lässt – wie 2022 zum wiederholten Male geschehen. Unterm Strich, so die Überzeugung, geht es doch ums große Ganze, das Sparziel insgesamt und wie das erreicht wird – naja, da kann man doch ein bisschen großzügig sein.

Investitionen und unpopuläre Entscheidungen werden verschoben

Die Idee ist bereits von vielen Seiten kritisiert worden. Wichtige Investitionen und unpopuläre Entscheidungen könnten auf den St. Nimmerleinstag oder doch zumindest auf die Zeit nach der nächsten Wahl verschoben werden. Ungute Diskussionen (Wieso müssen wir sparen, damit die anderen dann ihr Budget überziehen dürfen?) poppten bereits auf und dürften den Klimaschutz eher behindern als beschleunigen.

Und mittlerweile zeigt sich, dass auch die Kernidee nicht funktioniert – denn Voraussetzung ist ja, dass die anderen Sektoren überhaupt in der Lage sind, so viel CO2 einzusparen, dass der Verkehrsminister ohne größeren Handlungsdruck weiter Autobahnen bauen darf.

Viermal so viel CO2 wie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar

Eine aktuelle Studie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt, dass das Versagen im Verkehrssektor nicht von anderen Sektoren kompensiert werden kann. Selbst der Energiesektor, der in Deutschland von allen Sektoren die Emissionen bisher am stärksten reduziert hat, habe keinerlei übriges Treibhausgas-Budget abzugeben, schreibt die DUH in einer Presseinformation. Wissing könne also nicht mit Verweis auf die Klimaschutzbemühungen anderer Sektoren untätig bleiben.

„Alle Ampelparteien haben fest versprochen, ihre Klimapolitik an 1,5 Grad auszurichten, sind davon aber weit entfernt“, kritisiert Niklas Höhne, Studienautor vom NewClimate Institute. „Unsere Studie zeigt, dass der Verkehr mit dem aktuellen Kurs im Zeitraum von 2023 bis 2030 fast viermal so viel klimaschädliche Treibhausgase verursachen wird als mit der 1,5-Grad-Grenze noch vereinbar wäre. Es ist völlig ausgeschlossen, dass andere Sektoren das wettmachen können.“

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In Zahlen: Mehr als 1.100 Millionen Tonnen Treibhausgase wird der von Wissing verantwortete Verkehrssektor nach aktueller Prognose allein in diesem Jahrzehnt noch verursachen, erlaubt wäre ein gutes Viertel. Würde alle Sektoren so nachlässig mit ihren gesetzlich festgeschriebenen Einsparzielen umgehen, würde das eine Erdüberhitzung von 3,1 Grad bedeuten, ermittelte die Studie.

So gingen die Wissenschaftler:innen vor

Für die Berechnung ermittelte die Studie zunächst das deutsche CO2-Budget für verschiedene globale Temperaturgrenzen von 1,5 Grad bis 4 Grad auf Basis der Methodik des Sachverständigenrats der Bundesregierung für Umweltfragen. Auch Nicht-CO2-Emissionen seien berücksichtigt, worden, so die DUH. Etwa 20 Prozent dieses nationalen Budgets wurden dem Verkehrssektor zugeordnet, entsprechend seines Anteils an den deutschen Gesamtemissionen.

Als Grundlage für den zu erwartenden Emissionsverlauf im Verkehr von 2023 bis 2030 diente der letzte Projektionsbericht der Bundesregierung von 2021, der nur geringfügige CO2-Reduktionen im Verkehr prognostiziert. Zudem wurde das sogenannte Sofortprogramm des Verkehrsministeriums von Juli 2022 berücksichtigt, obwohl die dort genannten Maßnahmen so vage und unkonkret seien, dass ihr CO2-Effekt nicht seriös beziffert werden könne, schreibt die DUH. Die vom Verkehrsministerium vorgelegte Quantifizierung sei also als spekulativ anzusehen. Zudem seien bislang keinerlei Maßnahmen umgesetzt.

Das Ergebnis wurde dann verglichen mit den tatsächlich zu erwartenden Emissionen im Verkehr im Gesamtzeitraum von 2016 (Inkrafttreten des Pariser Abkommens) bis 2030. Die Analyse zeigt, dass die Verkehrsemissionen im Gesamtzeitraum 2016 bis 2030 nicht nur das 1,5-Grad-Budget, sondern auch das 2-Grad- und 2,5-Grad-Budget für diesen Zeitraum bei weitem übersteigen und einem Pfad zur 3,1-Grad-Erderhitzung entsprechen. (kw)

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