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Kommentar

Autogipfel beim Kanzler: Mehr Mut zur E-Mobilität

Die deutsche Automobilindustrie steckt in der Krise. Der angekündigte Stellenabbau bei Herstellern und Zulieferern macht die Politik zu Recht nervös. Sogar die Volkswagen AG spricht offen über mögliche Werkschließungen – das gab es noch nie!

Das Problem: Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sind sehr gut bezahlte, tarifgebundene Jobs. An ihnen hängen ganze Städte wie Sindelfingen oder Bundesländer wie Niedersachsen. Und sie dürften auch wegen der hohen Gehälter nicht ohne weiteres zu ersetzen sein.

Es geht nicht um ein Verbrenner-Verbot

Was also tun? Bundeskanzler Merz hat für Mitte dieser Woche zum Autogipfel gerufen, um eine Lösung zu finden. Die Ankündigungen im Vorfeld lassen ahnen, dass der Kanzler das „Verbrenner-Verbot“ aufweichen möchte. Bisher sehen EU-Vorgaben vor, dass ab 2035 der Flottengrenzwert bei null liegt, neu zugelassene Autos also kein CO₂ mehr ausstoßen dürfen. Pragmatisch und technologieoffen solle man mit diesen Vorgaben umgehen, finden Merz und sein Verkehrsminister Schnieder; die Ministerpräsidenten der Autoländer Bayern und Niedersachsen sehen das genauso.

Doch man sollte einige Dinge klarstellen: Es geht nicht um ein "Verbrenner-Verbot". Dieser Begriff suggeriert, dass ab 2025 kein Auto, das irgendeinen Kraftstoff verbrennt, unterwegs sein darf. Das ist gleich doppelt falsch: Es geht nicht darum, zugelassene Diesel oder Benziner stillzulegen, sondern um Neuzulassungen, die kein CO₂ emittieren. Den Autobauern steht es dabei frei, wie sie dieses Ziel erreichen – das nennt man Technologieoffenheit.

Das Verbrenner-Aus ist weder Selbstzweck noch Mittel zur Abschaffung der europäischen Autoindustrie

Zum anderen ist das Verbrenner-Aus kein Selbstzweck und auch kein Mittel zur Abschaffung der europäischen Autoindustrie. Es geht um Klimaschutz, um saubere Luft und um die Flexibilisierung des Stromverbrauchs. Erste Projekte und Studien zum sogenannten bidirektionalen Laden zeigen, dass E-Autos eine wichtige Rolle als Speicher spielen können und so die Stromversorgung sichern helfen.

Vehicle-to-Grid: Elektroauto wird Teil des Energiesystems

Drittens ist das Problem der Autoindustrie hausgemacht. Viel zu lange setzten die Deutschen auf teure schwere E-Autos und vergaßen, Flottenfahrzeuge für Pflegedienste, Zweitwagen für kurze Strecken oder günstige Autos für junge Leute mit E-Antrieb anzubieten.

Jedes fünfte neu zugelassene Auto ist ein E-Auto

Und nicht zuletzt hat die Realität den Beharrungswillen der Verbrennerfans längst überholt. 57 Prozent der in den ersten acht Monaten neu zugelassenen Autos verfügten laut Kraftfahrtbundesamt über einen sogenannten alternativen Antrieb, also Elektro (Batterie), Hybrid, Plug-in, Brennstoffzelle, Gas und Wasserstoff. Die Zahl alternativ angetriebener Neuwagen überstieg das Niveau des Vorjahreszeitraums um 25 Prozent. 18 Prozent der neuen Zulassungen waren reine E-Autos, mit 18 Prozent fast jedes fünfte. Deutsche und europäische Hersteller liegen hier übrigens vorn, aller Klagen zum Trotz. Die Anzahl der Ladesäulen hat sich unterdessen so stark erhöht, dass Betreiber über Minderauslastung klagen.

8,5 Gigawatt öffentlich zugängliche Ladeleistung sind installiert

Was also tun? Um die Klimaziele zu erreichen, ist ein fossiles Verbrenner-Aus unumgänglich. Dieses jetzt auszubremsen, weil man in der Vergangenheit den Trend zur E-Mobilität verschlafen hat, bedeutet, anderen den Markt zu überlassen. In China werden nicht nur günstige E-Autos produziert, sie werden dort, dem wichtigsten Markt für die deutschen Autobauer, auch gekauft. Es wäre also besser, so schnell wie möglich auf innovative E-Modelle umzusteigen und nicht noch die zehn Jahre abzuwarten, die Europa erlaubt. Dass Finanzminister Lars Klingbeil jetzt angekündigt hat, die Kfz-Steuer-Befreiung für E-Autos fortzuführen, ist zudem ein wichtiges Signal für den Heimatmarkt. Die Frage wird sein, ob er diese Regelung, die auch im Koalitionsvertrag steht, auch durchsetzen kann.

Schwere Mobilität mit grünem Gas

Merz fordert Mut – und braucht ihn selbst

Bleibt die Frage der Arbeitsplätze. Aufgabe der Politik wäre es, nicht am Verbrenner-Aus zu rütteln, sondern mit stabilen Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass neue Arbeitsplätze entstehen können. Denn dass ein E-Motor weniger Teile braucht als ein Verbrennungsantrieb, weiß auch die Politik nicht erst seit gestern.

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In seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit forderte Friedrich mehr Mut und Gestaltungswillen. Diesen Mut braucht auch die Mobilitätswende – jetzt.