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Neue Schwachwindanlagen

Großrotorturbinen: Noch mehr Bilder und Aussagen

Auf der Windenergiemesse AWEA in den Vereinigten Staaten hatte GE das neue Produkt Digital Wind Farm vorgestellt. Investoren konnten auf der jährlich im Frühling organisierten Branchenpräsentation für den US-Markt lernen, wie flexibel sich die Windparks der Zukunft nach den Anforderungen der Netzbetreiber hoch- und runterregulieren lassen. Und wie gezielt sich damit die Eigenschaften des Stroms für verschiedene vom Netzbetreiber eingeforderte Systemdienstleistungen anpassen lassen.

GE´s Digital Wind Farm und gesenkte Erzeugungskosten

Die Digital Wind Farm soll ganze Windparks miteinander virtuell vernetzen. „Diese Möglichkeit der Steuerung ist technologisch schon eine Realität. Beim europäischen Windenergiekongress EWEA in Paris wird der Konzern das Konzept auch für den europäischen Markt vorstellen“, sagt Andreas von Bobart, der Windenergiechef für GE in Deutschland.

Einen sehr großen Beitrag für neue flexible, aber auch besonders verlässliche Windstromerzeugung soll für GE aber die neue Großrotoranlage GE 3.2-130 leisten. Die Windturbinensparte präsentierte das Modell im September auf der Husumer Windenergiemesse zuerst im deutschen Markt. Hier sind schon mehr als anderswo spezifische Binnenlandrotoren gefragt, die dank besonders großer Rotoren auch an Schwachwindstandorten regelmäßig Energie einfangen. Andreas von Bobart erwartet durch sie eine weitere Senkung der Erzeugungskosten. Mit den gesenkten Erzeugungskosten könnten sich Investoren an den ab 2017 hierzulande stattfindenden Ausschreibungen für neue Windenergieprojekte beteiligen, so von Bobart.

GE ermöglicht den Kunden mit der 3MW-Plattform laut Von Bobart einen deutlichen Sprung bei der „Cost of Energy“, wie diese Stromgestehungskosten in Cent pro Kilowattstunde im Branchenduktus heißen. Im Vergleich zur bisher für deutsche Binnenlandwindparks vermarkteten Anlage GE 2.75-120 – 2,75 MW und 120 Meter Rotordurchmesser – werde die neue Anlage bis zu 20 Prozent mehr Ertrag liefern.

Senvion, Vestas, und Co: Auslastungs-Ziele von bis 41 Prozent

Es ist eine fast als konzertierte Aktion anmutende Offensive der gesamten Branche. Die Turbinenbauer rücken mit ähnlichen Großrotoranlagen fürs deutsche Binnenland und für die bevorstehenden deutschen Ausschreibungen zeitgleich vor: 127 bis 140 Meter Rotordurchmesser, 3,0 bis 4,2 Megawatt (MW) Leistung. Und genau dieses Design ertüchtigt die neuen Modelle, bei aufkommendem Wind schnell in der Leistung aufzudrehen. Sie haben damit häufig genug Puste, um nach Bedarf der Netze mal ein bisschen mehr einzuspeisen oder Leistung vor der Abgabe in die Netze erstmal zwischenzuspeichern.

Senvion greift am weitesten aus. Der Windturbinenhersteller verlängert die Rotorblätter seiner 3.XM Plattform auf 68 Meter, so weit wie an Land kein Anbieter sonst. Mit der 3.4M140 will der Zweitplatzierte auf dem deutschen Markt weitere Marktanteile gewinnen. Mit 3,4 Megawatt (MW) Leistung und 140 Meter Rotordurchmesser soll die Turbine an guten süddeutschen Standorten bei in Nabenhöhe 6,5 Meter pro Sekunde durchschnittlicher Windgeschwindigkeit 12,2 Gigawattstunden (GWh) jährlich einbringen. Das ist ein Auslastungsrekord für Schwachwindregionen von ungefähr 41 Prozent. Die Fähigkeit „bedarfsoptimiert“ Strom zu erzeugen, ist das erklärte Ziel: „Tatsächlich war das einer der Haupttreiber“, sagt Stephan Kirchhoff vom Senvion-Produktmanagement.

Rückeroberung von Marktanteilen

Vestas setzt mit der neuen Anlage V136 auf eine prompte Rückeroberung von Marktanteilen, die der traditionelle Deutschlandmarktzweite im ersten Halbjahr 2015 aufgrund eines speziellen statistischen Effektes verloren hatte: Stimmt die Analyse von Vestas-Produktmanager Arne Dyck, haben viele Kunden zuletzt mit Bestellungen auf die Serie der neuen Groß-Binnenlandanlagen bereits umgestellt. Viele bestellten demnach bereits die Turbine V126, die Vestas 2012 angekündigt hatte und seit 2014 in ersten Projekten errichtet. Die Errichtung vieler solcher Anlagen stehe aufgrund der neu angelaufenen Projektplanungen und Serienproduktion noch bevor. Die entsprechende Bugwelle neuer Vestas-Windparks in Deutschland werde daher demnächst noch aufschlagen.

Bereits die 3,3-Megawatt-Anlage V126 galt als Nachfolgemodell für den bisherigen Verkaufsschlager für deutsche Binnenlandstandorte, V112 mit 3,0 Megawatt (MW) Leistung. Nach diesem ersten Sprung bei der Rotorgröße auf V126 um 14 Meter legt Vestas jetzt mit V136 mit noch einmal zehn Meter Rotordurchmesser nach. Die längeren Rotorblätter der 3,45-MW-Anlage sollen die Stromerzeugung weiter verstetigen und eine höhere Leistung durch mehr Drehmoment ermöglichen: Um noch einmal bis zu 18 Prozent auf 12,2 Gigawattstunden jährliche Erzeugung werde der Ertrag damit in küstenfernen Windparks erhöht.

Natürlich soll die V136 gemäß der Vestas-Strategie keine bloße Deutschlandanlage bleiben. „Diese Anlage ist technologisch sachlich betrachtet nur die nächste Evolutionsstufe. Aber im Moment stellen wir sie erstmal als klassische Schwachwindanlage für den deutschen Markt vor“, betont Arne Dyck. Das Modell werde hierzulande den Windenergieanlagenmarkt für küstenferne Standorte „rapide umkrempeln“, ist er überzeugt.

Als eine wichtige Innovation zählt man bei Vestas die Verbesserungen der Schallemissionen. Mit 105,5 Dezibel beim Schallleistungspegel wird ausgerechnet die Anlage mit dem weitaus größten Rotor die leiseste der bisherigen drei Binnenlandturbinen. Verantwortlich dafür ist neben einer etwas langsameren Rotordrehzahl vor allem die Ausstattung mit Sägezahnhinterkanten. Die Konkurrenten Nordex und Senvion glänzen bei den Lärmwerten allerdings auch mit 104,5 und 104 Dezibel.

Große Nabenhöhen, intelligente Steuerung, Windmessung mit Ultraschall

Die neuen Anlagen können aber ihre versprochenen Ertragssteigerungen gerade auch deshalb voll ausschöpfen, weil die Hersteller sehr große Nabenhöhen in Aussicht stellen. So hat Vestas einen neuen eigenen Stahlturm im Angebot, der im untersten Segment einen großen Durchmesser von 6,5 Meter haben wird – und dafür mit nur noch 35 Millimeter Wandstärke extrem materialsparend ausfallen kann. Solche breiten Füße waren bei Windenergieanlagen bisher nur in Betonbauweise möglich, da Stahlzylindersegmente zum Transport unter Autobahnbrücken hindurch kaum mehr als vier Meter Durchmesser haben durften. Vestas durchbricht das Limit, indem der Anlagenbauer die unteren 65 Meter in zwei mal drei montierbaren Drittelschalen aus Stahl zur Baustelle liefert.

Damit die Anlagen mit immer längeren Rotorblättern tatsächlich mehr Leistung einfahren, bedarf es einer immer intelligenteren Steuerung. Dazu gehört eine Windfeldfrüherkennung: Die Turbinen müssen noch genauer und schneller erfassen, welche Eigenschaften die auf sie zufließende Windströmung hat. Die Wissenschaft setzt hier auf Lasertechnologie: Das sogenannte Lidar ertastet mit Laserstrahlen aus der Gondel Windfelder Hunderte Meter vorweg. Doch noch immer gilt diese Technologie als zu teuer.

Das dänische Sensorik-Unternehmen Romo Wind bietet eine vorläufige Alternative mit Ultraschall an. Sie ermöglicht Windmessungen direkt am Spinner. Die drei an der Nabennase montierten Arme messen durch Ultraschall mit zehn Hertz die Windgeschwindigkeit.

Die Datenverarbeitung kann nämlich Beschleunigungen und Verzögerungen des Schalls durch den Wind zueinander in Beziehung setzen und daraus die exakten Winddaten einschließlich dessem Turbulenzen berechnen. Tatsächlich verbreitete Romo Wind auf der Messe die Erfolgsdaten des ersten Referenzprojektes: Demnach soll der 24-MW-Windpark Sustrum in Schleswig-Holstein den Ertrag um 7,7 Prozent gesteigert haben. Das Plus ist laut Romo Wind die logische Folge der dank Ispin korrigierten leichten Fehlstellungen der Gondel.

Maßgeschneidert für den deutschen Markt: Überlegungen bei Nordex

“Maßgeschneidert für den deutschen Markt“ , wirbt Nils Lehming bei der Neuvorstellung der Binnenlandanlage N131/3300 mit um zehn Prozent erhöhter Leistung. Der Produktmanager bei Nordex ist verantwortlich für die Drei-MW-Anlagenplattform just bei dem Hersteller von Windturbinen, der schon bisher bei Binnenlandanlagen einen ganz besonderen Erfolg für sich verbuchen kann. Nordex hatte sich in den vergangenen drei Jahren mit seiner ersten Binnenlandversion N117 mit 2,4 Megawatt (MW) Leistung und 117 Meter Rotordurchmesser zum gemessen an den Marktanteilen unangefochtenen viertgrößten Player im deutschen Windgeschäft emporgearbeitet – mit scheinbar unaufhaltsam wachsenden Marktanteilen. Nun kann Nordex die im Jahr 2013 angekündigte Windturbine für Schwachwindstandorte N131/3000 nach Anpassungen in der Steuerung und bei der Ausstattung speziell für den deutschen Markt als 3,3-Megawatt-Anlage neu anbieten. Die Entwickler nahmen beispielsweise für internationale Märkte eingebaute Extras wie das Anti-Vereisungssystem und Kaltklima-Anforderungen heraus.

Angaben zu Stromgestehungskosten vermeidet das Nordex-Marketing. Nur so viel: Ausgehend vom vergangenen Jahr will Nordex bis 2020 die Stromgestehungskosten um 15 Prozent senken. Dazu beitragen soll ein flexibilisiertes Einspeiseverhalten: Zunächst forscht Nordex daran, welche weiteren Dienstleistungen fürs Stromnetz die Anlage kann. Etwa die Momentanreserve in Form plötzlicher Leistungsschübe, um gefährlich absackende Frequenzen im Netz zu stützen: Dem Rotor wird kinetische Energie entzogen und dadurch kurzzeitig dem Netz mehr Wirkleistung, als im Wind vorhanden, zur Verfügung gestellt um die Frequenz zu stützen.

Nordex schaut sich solche Optionen speziell für Märkte wie Irland an, wo sie als Systemdienstleistungen gefragt sind. Zudem erwartet Lehming, dass auch Speichertechnologie künftig zu der Ausstattung von Windenergieanlagen gehören wird: „Es wird in zwei Richtungen gehen: Ein eingebauter Akku und die Momentanreserve aus der Schwungmasse des Rotors“: Demnach werden Anlagen künftig mit kurzfristig Energie aus Einspeisungsspitzen speichern, und sie anschließend nachspeisen. Und die Momentanreserve wird speziell die Netzfrequenzen stützen.

(Tilman Weber)

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