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Kommentar: Die entdemokratisierte Energiewende

Abschied von Bürgerprojekten

Viele Mittelständler und Bürgerwindparks haben sich in den letzten Wochen und Monaten beim Niedersächsischen Landesverband des Bundesverbands Windenergie gemeldet. Und meldeten sich mit schlechten Nachrichten. „Viele Repoweringprojekte stehen jetzt auf der Kippe“, sagt Roman Denter Landesgeschäftsstellenleiter des BWE in Niedersachsen.

Der Grund: Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im August in Kraft tritt, hat viele Projekte aus der Bahn geworfen. Durch die unsinnige Stichtagsregelung im Gesetz sind teils jahrelange Planungen ein Fall für den Papierkorb.* Denn für Repoweringprojekte gelten nun neue Konditionen: Kein Bonus und – wie für alle Neuprojekte – die verpflichtende Direktvermarktung. Das macht unterm Strich etwa 0,8 Cent pro Kilowattstunde weniger Ertrag.

Die Folge: Banken passen ihre Finanzierungsbedingungen an. Sie fordern mehr Eigenkapital, weil ja das Projektrisiko durch die geringeren Erlöse steigt. Als Projektentwickler kann man darauf in der Regel gerade noch reagieren, indem man etwas Geld nachschießt. Für Bürgerwindparks ist das schwieriger. Hier stecken ein paar Dutzend Bürger mit einigen Tausend Euro pro Kopf drin. Und die sollen jetzt noch ein paar Tausender nachlegen? Die Zahl derer die das nicht können oder wollen ist hoch genug um ganze Projekte zu kippen.

Während die Koalitionsfraktionen CDU und SPD bis heute die tolle Akzeptanz des Windausbaus durch Bürgerbeteiligung loben, bröckelt das Modell Bürgerwindpark zusehends.

* Die Stichtagsregelung besagt, dass Projekte, die zwischen August und Ende 2014 fertiggestellt werden, nur noch nach altem EEG vergütet werden, wenn sie schon am 23. Januar genehmigt waren. Bekannt wurde dieser Stichtag am 17. Januar mit dem Entwurf des neuen EEG.

Investoren gesucht: Viel Arbeit, wenig Marge

Und das hat System. Wozu sonst werden alle Projekte Anfang 2017 nur noch über Ausschreibungen vergeben? So sollen die Kosten weiter gedrückt werden und die Margen purzeln gleich mit. Dabei findet sich schon jetzt kein Publikumsfonds mehr, der noch in die Erneuerbaren investiert, weil es sich für Privatanleger schlicht nicht mehr rechnet. Nur als Depot für institutionelle Investoren mit mehrstelligen Millionenüberschüssen taugt eine Beteiligung noch (ERNEUERBARE ENERGIEN 04/2014, S. 43).

Unterm Strich bedeutet die Ausschreibung noch höheren bürokratischen Aufwand für einen Bürgerwindpark plus den Zwang in einen Preiskampf mit mittelständischen Projektentwicklern und Konzernen zu treten. Also viel mehr Arbeit, viel weniger Marge.

Wie sehr eine Bürgergemeinschaft die Energiewende auch voranbringen will, um bei diesem Spiel mitzumachen müsste sie schon verrückt sein. Da kann die SPD noch so oft versprechen, dass Bürgerwindparks weiterhin faire Chancen haben sollen.

Akzeptanz steht auf dem Spiel

Die aktuelle Kostensenkungsstrategie der Energiepolitik trifft die am härtesten, die vor 15, 20 Jahren als Verbraucherbasis das Fundament der heutigen Energiewende gelegt haben. Ohne ihre Nachfrage hätte es den technischen Fortschritt und die 120.000 Arbeitsplätze in der Windenergie wohl nie gegeben.

Wer sie und alle anderen engagierten Bürger jetzt von der aktiven Projektentwicklung ausklammert ist nicht nur undankbar, er betreibt vor allem eine gefährliche Entdemokratisierung der Energiewende. Das geht zu Lasten der Akzeptanz des Windausbaus in der Bevölkerung – und gegen ihren Willen werden die Grünstromziele der Bundesregierung nur schwer durchzusetzen sein.

(Denny Gille)