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BEE veröffentlicht Halbjahreszahlen – ein Kommentar

Anteil der Erneuerbaren wächst zu langsam

In der Bundestagsdebatte zur Mieterstromgesetzgebung wurden die Fronten wieder klar, die sicherlich in den kommenden Monaten im Wahlkampf weiter verhärten. Nun mag man dem einen glauben oder dem anderen, aber am Ende zählen die harten Fakten, wenn es darum geht, die Anstrengungen zu bewerten, die gesteckten Ziele zu erreichen – seien es die Ausbauziele, die von der EU vorgegeben werden oder die Verpflichtungen, die sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ergeben. „Allein in dieser Legislaturperiode haben wir von 2013 bis 2017 einen Zubau von 40 Prozent zu verzeichnen“, tönt Thomas Bareiß von der CDU im Bundestag. Tatsächlich hat er recht, wenn er den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 33 Prozent beziffert. Doch woher er den 40prozentigen Zubau nimmt, bleibt sein Geheimnis.

Ökostromleistung steigt um 24 Prozent

Die konkreten Ausbauzahlen zeigen ein anderes Bild. Die installierte Windkraftleistung hat im genannten Zeitraum tatsächlich um 36 Prozent zugelegt. Bei der Photovoltaik sieht es noch düsterer aus. Nur 13 Prozent mehr Leistung wurden in der zu Ende gehenden Legislaturperiode aufgebaut. Zusammen kommen diese beiden Technologien auf einen Ausbau der Erzeugungsleistung von 24 Prozent – gut die Hälfte dessen, was Thomas Bareiß behauptet. Die Bioenergie kann die Statistik nicht aufbessern. Denn deren Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland ist – nach Angaben des Umweltbundesamtes – seit Jahren rückläufig und hat nach 2014 aufgrund der miserablen Rahmenbedingungen, die die große Koalition durchgedrückt hat, noch einmal einen kräftigen Dämpfer erfahren.

Tatsächlich kann man sich die Welt schönreden. Dass sie davon nicht besser wird und vor allem dass dadurch die Ziele nicht erreicht werden, zeigen die jetzt veröffentlichten Daten des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Die Bilanz des ersten Halbjahres sprechen Bände. Mit Mühen schleppt sich der Zuwachs der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung jedes Jahr höher – trotz der Bremsmanöver der großen Koalition. Im ersten Halbjahr 2017 betrug der Ökostromanteil 35,1 Prozent. Im Vorjahreszeitraum lag er noch bei 32,7 Prozent. An dieser Stelle hat Bareiß durchaus recht, wenn er daran glaubt, dass die erneuerbaren Energien weiter ihren Weg gehen.

Erneuerbare Wärme stagniert

Doch die Energiewende ist nicht nur Ökostrom, sonder vor allem erneuerbare Wärme. Exemplarisch können auch hier die Zahlen aus den ersten Monaten dieses Jahres ein Bild vom Energiemarkt abgeben. In den vergangenen Jahren hat sich nichts daran geändert, dass der Wärmebedarf in Deutschland mehr als doppelt so hoch ist, wie der Stromverbrauch. So werden in der Bundesrepublik innerhalb von sechs Monaten 296 bis 299 Terawattstunden Strom erzeugt. Der Wärmeverbrauch liegt jedoch bei 670 bis 712 Terawattstunden – Tendenz steigend. Hier hat die große Koalition in den vergangenen vier Jahren wenig bis gar nichts zustande gebracht. Üppige Förderprogramm reichen offensichtlich nicht aus, um die Bürger zum Umstieg auf erneuerbare Wärme zu bewegen. Deren Anteil am Gesamtwärmeverbrauch stagniert bei 13,5 bis 13,6 Prozent.

Hier muss das gesamte System vom Kopf auf die Füße gestellt werden. „Wir benötigen faire Wettbewerbsbedingungen für erneuerbare Energien über eine CO2-Bepreisung im Strom- und Wärmesektor“, fordert folgerichtig der kommissarische Geschäftsführer des BEE Harald Uphoff. Das würde viele Hausbesitzer dazu bringen, endlich ihre Heizungsanlagen zu dekarbonisieren. Diese Aufgabe liegt schon längst auf dem Tisch. Doch passiert ist bisher nichts.

Mehr Ökostrom in Elektroautos

Die Politik hat noch eine dritte Baustelle, die bisher vollkommen brach liegt und auf der es keinen Millimeter vorangeht: den Verkehrssektor. Immerhin verfahren die Deutschen in sechs Monaten fast 341 Terawattstunden Energie. Wie im Wärmesektor ist auch hier die Tendenz steigend. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor ist aber – im Gegensatz zum Wärme- und Stromsketor – rückläufig. Fairerweise muss man hier anerkennen, dass die große Koalition mit der Elektromobilität auf das richtige Pferd zu setzen scheint. Denn der Rückgang ist vor allem auf die sinkenden Anteile der Biokraftstoffe zurückzuführen. Der Stromanteil im Verkehr steigt. Inzwischen hat sich auch herumgesprochen, dass die Elektromobilität nur zur Energiewende beiträgt, wenn Ökostrom in die Batterien fließt. Denn der Anteil des fossil oder atomar erzeugten Stroms, mit dem die Elektroautos geladen werden, stagniert, während der Anteil des Ökostroms steigt.

Es mangelt am politischen Willen

Die Daten der Entwicklung der erneuerbaren Energien in den einzelnen Sektoren zeigen ganz deutlich: Das Schulterklopfen, dass in der großen Koalition zelebriert wird, ist keineswegs gerechtfertigt. Die Energiewende in Deutschland kommt in Tippelschritten vorwärts. Der große Wurf ist in den vergangenen vier Jahren ausgeblieben. Sich allein auf die Stromerzeugung zu konzentrieren, reicht nicht aus. Immerhin ist das Thema Sektorkopplung auch in der Bundespolitik angekommen. Doch bisher ist noch nicht viel passiert, auch wenn die Konzepte längst auf dem Tisch liegen. Es ist bekannt, was wann und wo gebraucht wird, um die Energiewende zu vollenden. Die technologischen Lösungen sind schon längst am Markt. Es fehlt allein der politische Wille, dies auch umzusetzen und die langsame Beerdigung der alten Energiewirtschaft endlich zu beschleunigen. (Sven Ullrich)