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Anfrage von B90/Grüne – ein Kommentar

Berlin hält an Sonnensteuer fest

Nun ist die Katze aus dem Sack. Wer bis zuletzt gehofft hatte, die neue Bundesregierung werde das Thema Energiewende endlich einmal offensiv angehen, wird eines Besseren belehrt. Schon in den Koalitionsverhandlungen hatten Union und SPD den Ausbau der erneuerbaren Energien stiefmütterlich behandelt. Doch mit der Antwort des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage von Julia Verlinden von B90/Grüne stellt die Bundesregierung klar, dass es kein Abweichen vom bisherigen Weg geben soll.

Brüssel denkt über Eigenverbrauch ohne Hürden nach

Konkret hatte Verlinden bei der Bundesregierung angefragt, ob diese eine Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU unterstützt. Das Europaparlament hatte bereits im Januar dieses Jahres mit einer satten Mehrheit beschlossen, dass die Hemmnisse für den Eigenverbrauch von Energie in ganz Europa fallen sollen. Die Produzenten von Solarstrom sollen ohne Abgaben, Steuern oder Gebühren ihren eigenen Strom verbrauchen dürfen. Zudem soll auch der Solarstrom, wenn er nicht durch öffentliche Netz fließt, ohne Hemmnisse an Dritte geliefert werden. Damit hat das Parlament vor allem private Haushalte im Blick – ein Freifahrtschein für Mieterstromprojekte.

Inzwischen ist die ganze Debatte auch bei der Kommission in Brüssel angekommen. Nicht gerade ein Hort des Fortschritts, wenn es um die Energiewende geht, denkt die Kommission doch tatsächlich darüber nach, den Eigenverbrauch europaweit ohne Hemmnisse zuzulassen. Doch wie steht die Bundesregierung zu diesem Vorstoß? Die Antwort auf die Anfrage von Verlinden, die letztlich die Frage nach der Abschaffung der Sonnensteuer ist, hätte nicht klarer ausfallen können: Die Eigenstromproduzenten sollen auch in Zukunft weiterhin anteilig EEG-Umlage zahlen.

Jeder soll seinen Beitrag leisten

Berlin sieht hier offenbar seine Felle davonschwimmen. „Es ist aus Sicht der Bundesregierung für die Finanzierung der Energiewende wichtig, dass jeder einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gesamtsystems leistet“, schreibt Rainer Baake, immer noch Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, in seinem Antwortbrief an Verlinden. Was ein angemessener Beitrag ist, lässt er aber offen. Muss er auch, angesichts der Tatsache, dass die mittelständische Wirtschaft immer mehr zur Kasse gebeten wird, während die Großindustrie üppige Vergünstigungen bei der Zahlung der EEG-Umlage genießt. Aber die produziert ja ihren Strom auch nicht selbst, sondern kauft ihn fleißig in der alten Energiewelt ein. Das soll die mittelständische Wirtschaft gefälligst auch tun. „Vollständige Ausnahmen und Befreiungen des Eigenverbrauchs sind damit nicht vereinbar“, schreibt Baake mit Bezug auf die Beteiligung der Betreiber von gewerblichen Eigenverbrauchsanlagen an der EEG-Umlage. „Sie können einen zu starken Anreiz setzten, ‚aus der Umlage zu fliehen‘ und damit die Finanzierungsbasis weiter verkleinern, wodurch die Kosten für die übrigen Verbraucher steigen.“

Hier wird klar, auch die neue Bundesregierung wird bei der Umsetzung der Energiewende eher Teil des Problems als Teil der Lösung sein. Sie wird den alten Holzweg beschreiten, den auch die Vorgänger schon gewählt haben. Dabei war schon bei der Einführung der Sonnensteuer klar, dass der Eigenverbrauch nicht Schuld daran ist, dass die EEG-Umlage steigt. Schon im Jahr 2014 steht in einem Gutachten, das im Auftrag der Bundesregierung angefertigt wurde: „PV-Eigenverbrauch führt heute zu einer Entlastung der EEG-Umlage, da die eingesparten spezifischen Differenzkosten höher als die durch den Eigenverbrauch entgangene EEG-Umlage sind.“ Sie Sonnensteuer ist also für die Verbraucher, die das EEG-Konto ausgleichen müssen, ein klares Verlustgeschäft. Zumal derzeit noch nicht einmal 1,3 Prozent des in Deutschland produzierten Ökostroms vor Ort verbraucht wird. Das liegt wiederum daran, dass die Hürden für den Eigenverbrauch hoch liegen und auch das Mieterstromgesetz offensichtlich so viele Unwägbarkeiten enthält, dass viele Hauseigentümer da sehr vorsichtig vorgehen.

Eigenverbrauch Gewerbemonitor 2017 | Seit Mitte 2016 ist der Anteil der Eigenverbraucher bei den gewerblichen Kunden der Photovoltaikindustrie sogar auf 63 Prozent gestiegen. - © EuPD Research
Eigenverbrauch Gewerbemonitor 2017 | Seit Mitte 2016 ist der Anteil der Eigenverbraucher bei den gewerblichen Kunden der Photovoltaikindustrie sogar auf 63 Prozent gestiegen.

Anlagenbetreiber bleiben am Gängelband

Das könnte sich tatsächlich ändern, wenn der Eigenverbrauch endlich ohne Hürden zugelassen wird. Von einer massenhaften Flucht aus der Finanzierung der Energiewende durch die Eigenverbraucher kann aber keine Rede sein. Denn sie finanzieren ja immerhin schon die Anlagen und damit den erzeugten Strom, der dann auch nicht an der Börse gehandelt werden müsste. Damit fallen keine Kosten für eine Einspeisevergütung an, die immer höher ist als der Preis des Stroms an der Börse, was wiederum das EEG-Konto belastet. Diese Differenzkosten sind zwar in den vergangenen Jahren gesunken, liegen aber immer noch höher als die zu zahlende anteilige EEG-Umlage.

Ob die Bundesregierung hier tatsächlich die „knallharten Lobbyinteressen von Konzernen der alten Energiewirtschaft geht, die den Wettbewerb mit Solarbürgern fürchten“, wie Macel Keifenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy und Aufsichtsratsmitglied beim Bündnis Bürgerenergie, kritisiert, sei einmal dahingestellt. Unverkennbar bleibt aber der schale Geschmack, dass die Bundesregierung die Energieversorgung nicht einfach den Bürgern überlassen will, sondern die Anlagenbetreiber möglichst am Gängelband der EEG-Förderung behalten.

Am Image der Energiewende kratzen

Es ist natürlich schade, dass schon nach drei Wochen im Amt klar wird, dass auch die neue Regierung keine Kreativität hinsichtlich der Energiewende zur Schau stellt. Sie schwingt die abgenutzte Entsolidarisierungskeule und versucht wieder, am Image der Energiewende zu kratzen. Nur: Das Argument der Entsolidarisierung ist so alt wie falsch, dass inzwischen jeder gemerkt hat, dass sich im Berliner Regierungsviertel niemand mehr die Mühe macht, darüber nachzudenken, wie es vorwärts gehen kann mit der Energiewende. Ein fatales Signal angesichts der Tatsache, dass die Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr wieder einmal gestiegen sind, wo doch eigentliche die Senkung das Ziel ist. Wie die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele erreichen will, bleibt dann wohl weiter ihr Geheimnis. Das wird wohl weiter vertagt, bis sich auch die letzten Fossilien freiwillig zur Ruhe gesetzt haben. (Sven Ullrich)