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Solarpflicht in der Bundeshauptstadt - ein Kommentar

Berliner Grüne wollen Photovoltaik auf jedem Neubau sehen

Die Berliner Grünen wollen die Energiewende in der Bundeshauptstadt auf Trab bringen. Die Fraktion von B90/Grüne im Abgeordnetenhaus – dem Berliner Landtag – hat beschlossen, eine Solarpflicht einzuführen. Genauere Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Aber klar ist schon, dass die Grünen – immerhin Regierungspartner in Berlin – auf allen Neubauten eine Photovoltaikanlage sehen wollen.

Noch immer dümpelt die Energiewende in der Bundeshauptstadt vor sich hin. Nicht einmal ein Prozent der potenziell nutzbaren Dachfläche ist mit Solarmodulen belegt. Das wollen die Grünen ändern und das errechnete Potenzial von 2.400 Hektar heben. Zum Beschluss gehört auch der Einsatz für bessere Rahmenbedingungen, unter anderem für Mieterstrom. Zudem soll der Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Sanierung und beim Neubau von Heizungsanlagen vorgeschrieben werden.

Nur ein Teil des Potenzials wird genutzt

Solche Regelungen sind leider dringend notwendig. Schließlich hat sich der Berliner Senat ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Bis 2050 soll die Energieversorgung in der Bundeshauptstadt klimaneutral vonstatten gehen. Dafür ist die Einrichtung einer Solarberatungsstelle nur ein erster Schritt. Ohne die Immobiliengesellschaften und Hauseigentümer direkt in die Pflicht zu nehmen, wird das nichts. Zwar sind immer mehr Eigentümer von Mehrfamilienhäusern an solchen Mieterstromprojekten interessiert. Doch selbst wenn es für Mieterstromprojekte einfacher wird, besteht für große Immobiliengesellschaften als Vermieter angesichts des angespannten Wohnungsmarktes nur ein geringer Anreiz, solche Projekte tatsächlich umzusetzen. Schließlich stehen die Mieter Schlange, auch wenn es keinen Solarstrom vom Dach des Mietshauses gibt.

Allerdings muss hier auch der Senat mit gutem Beispiel vorangehen. Mit den fehlenden Solaranlagen auf Schulneubauten hat sich die Landesregierung ein veritables Eigentor geschossen. Allein die Debatte war schon ein Offenbarungseid. Hier müssen die Grünen ihrem Koalitionspartner noch ordentlich Druck machen, so dass die Photovoltaikanlage und die regenerativ betriebene Heizung zur Standardausrüstung nicht nur bei den landeseigenen Neubauten, sondern auch im Gebäudebestand wird.

Änderung der Bauordnung im Blick

Berlin hat hier einen entscheidenden Vorteil. Die Bundeshauptstadt ist nicht die erste Kommune, die mit einer Solarpflicht liebäugelt. Umgesetzt wird sie bisher in Deutschland in Waiblingen und jüngst auch in Tübingen. Die Solarpflicht-Ambitionen der hessischen Kommune Marburg wurden seinerzeit von der CDU-FDP-Landesregierung in Wiesbaden ausgebremst, indem einfach die Bauordnung des Landes geändert wurde. Das kann in Berlin nicht passieren. Hier ist es relativ einfach. Schließlich ist die Stadt gleichzeitig Bundesland und die Bauordnung ist Ländersache. Jetzt müssen nur noch die beiden Koalitionspartner SPD und Linke mitmachen. Die setzten bisher eher auf die Freiwilligkeit der Hauseigentümer, die das vielleicht wirtschaftliche Potenzial sehen, vielleicht aber auch nicht.

Mieter sollen nicht alle Kosten tragen

Gleichzeitig müssen sie die Mieter im Auge behalten. Denn bisher tragen diese die Kosten für die energetische Sanierung. Für Vermieter ist das immer das Einfallstor für üppige Mieterhöhungen, die die Kostenspirale für den Wohnraum in Berlin weiter antreibt. Doch auch dafür haben die Grünen eine Lösung. Denn in Zukunft sollen nur noch sinnvolle energetische Sanierungsmaßnahmen von den Mietern getragen werden und die auch nur gestaffelt nach Einkommen der einzelnen Mieter. Auch dafür liegen noch keine Details auf dem Tisch, wie das aussehen kann. Aber an dieser Stelle werden es die Berliner Grünen schwerer haben. Denn das Mietrecht ist Bundessache. Sie sind damit auf Mitarbeit der Bundesregierung angewiesen. Ob das gelingt, ist zumindest bis zu den nächsten Bundestagswahlen mehr als fraglich.

Doch mit ihrem Vorschlag zeigen die Berliner Grünen vor allem eins: Sie haben nicht nur eine Idee, sondern auch einen Vorschlag für deren Realisierung. Die Details müssen zwar noch ausgearbeitet werden. Doch müssen die Koalitionspartner zumindest schon mal Interesse bekunden, ehe man sich an die Ausarbeitung einer konkreten Initiative macht.

Alle sollten solche Vorgaben machen

Natürlich werden jetzt die ewigen Pessimisten vorbringen, dass die Bereitschaft in neuen Wohnraum zu investieren sinkt, wenn eine Solarpflicht eingeführt wird. Das mag auch sein, auch wenn die Kosten für eine Solaranlage auf dem Dach oder an der Fassade eines neuen Miets- oder Gewerbebaus in Berlin in den allgemeinen Baukosten ohnehin untergehen, so preiswert wie die Photovoltaik inzwischen geworden ist. Doch allein das Wort „Pflicht“, könnte tatsächlich abschreckend wirken. Deshalb sind die anderen Städte nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und auf der ganzen Welt aufgerufen, solche Vorgaben zu machen. Denn dann hat das Immobilienkapital keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Und dann wird es auch etwas mit der Energiewende in den urbanen Zentren. Eine Solarpflicht ist – trotz aller Skepsis gegenüber ordnungspolitischen Maßnahmen – offensichtlich dringend notwendig und muss sozial gerecht ausgestaltet werden.