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Energiewende in Gefahr: Lackmann zerlegt Eon-Chef Birnbaum

In einem scharf formulierten Schreiben rechnet Johannes Lackmann, eine der bekanntesten Stimmen der Erneuerbaren-Energien-Branche, mit dem jüngsten Süddeutsche-Zeitung-Interview von Eon-Chef Leonhard Birnbaum ab. Der Anlass: Birnbaums Forderung, den Ausbau der Erneuerbaren Energien künftig stärker an den schleppenden Netzausbau zu koppeln – und die Kosten von Redispatch-Maßnahmen, Ausgleichskosten für Netzengpässe teilweise auf die Erzeuger abzuwälzen.

Für Lackmann ist dies ein Affront: „Die Netze haben eine dienende Funktion – sie müssen dem Bedarf der Menschen und der Wirtschaft folgen, nicht umgekehrt.“ Anstatt die Verantwortung für den jahrelang verschleppten Netzausbau zu übernehmen, versuche Eon nun, die Schuld an die Betreiber von Wind- und Solarparks weiterzureichen. Für Branchenvertreter ist das ein gefährliches Signal: Sollte diese Linie politisch Gehör finden, drohe eine massive Verlangsamung der Energiewende.

Birnbaums Forderungen: Abwehrmaßnahmen statt Aufbruch

Im SZ-Interview beklagte Birnbaum, dass die Energiewende Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden sei. Der Boom bei Wind- und Solaranlagen überlaste die Stromnetze, der Netzausbau könne kaum Schritt halten. Seine Lösung: eine intensivere Steuerung des Ausbaus – mit Betonung auf Netzkapazitäten.

Doch Lackmann hält entschieden dagegen. Der Vorschlag sei nicht nur technisch rückwärtsgewandt, sondern stelle die politische Priorität der Energiewende in Frage. „Geht’s noch?“, schreibt er polemisch, „jetzt soll der Windkraftausbau der verschlafenen Netzplanung folgen?“ Stattdessen fordert er, Verantwortung und Tempo endlich dort zu verankern, wo sie hingehören – bei den Netzbetreibern selbst.

Besonders scharf geht er mit dem von Birnbaum behaupteten „Verbot, Netze auf Vorrat zu bauen“ ins Gericht. Laut Energiewirtschaftsgesetz (§14d EnWG) sei eine vorausschauende Netzplanung sogar vorgeschrieben. Lackmanns Fazit: Entweder sei Birnbaums Aussage Ausdruck von Unkenntnis – oder bewusster Irreführung.

Eon unter Druck: Blockierte Batteriespeicher und Redispatch-Rekorde

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt im Brief: die Blockadehaltung von Eon-Tochterfirmen wie Avacon und Westnetz gegenüber Batteriespeichern. Hunderte Anträge lägen seit Jahren unbearbeitet, so Lackmann, während Birnbaum öffentlich empfehle, „zu jedem Windrad doch einfach eine Batterie zu bauen“. Für die Erneuerbaren-Szene klingt das wie blanker Hohn.

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Hinzu kommt der Dauerengpass: Die Hochspannungsleitung von Paderborn nach Nordhessen gilt als eine der am stärksten überlasteten Trassen Deutschlands. Nach Lackmanns Darstellung betreibt Eon sie mit völlig veralteten Methoden und fahrlässig niedriger Auslastung. Die Folge: Hunderte Windräder werden abgeregelt, der Ökostrom fließt nicht – die Kosten landen am Ende bei den Verbrauchern.

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Lackmann fordert daher eine Neuausrichtung des Verursacherprinzips: Redispatchkosten seien nicht länger über Netzentgelte auf die Allgemeinheit oder gar auf Erzeuger umzulegen. Wer den Netzausbau verschleppe, müsse zahlen – also die Netzbetreiber selbst.

Markt statt Macht – ein Appell aus der Praxis

In seinem Brief zieht Lackmann eine radikale, aber folgerichtige Konsequenz: Wettbewerb im Netzsektor. Wie einst im Telekommunikationsbereich müsse die Bundesnetzagentur den Netzausbau künftig ausschreiben, damit kosteneffiziente und schnelle Lösungen Vorrang bekommen. Auch ein kritischer Blick auf Eons Gasgeschäft darf laut Lackmann nicht fehlen: Wer gleichzeitig Erdgas vertreibe, könne kein echtes Interesse an Dekarbonisierung haben.

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Seine Quintessenz fällt bitter aus: „Die hochdotierten Dilettanten im Elfenbeinturm sind dabei, Deutschlands Wirtschaft an die Wand zu fahren.“

Der Druck wächst – und die Energiewende steht auf dem Spiel

Mit seinem offenen Brief trifft Johannes Lackmann einen Nerv – und spricht aus, was viele in der Branche denken. Eon und andere Netzbetreiber stehen zunehmend im Fokus, weil trotz Milliardenbudgets noch immer Engpässe, Verzögerungen und Verdrängung politischer Verantwortung den Ausbau der Erneuerbaren behindern.

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Wenn die Energiezukunft nicht an alten Strukturen scheitern soll, fordert die Branche endlich Transparenz, Wettbewerb und Verantwortlichkeit im Netzsektor. Ob Eon-Chef Birnbaum auf diesen Weckruf reagiert, dürfte zeigen, ob Deutschlands Energiewende eine echte Chance auf Beschleunigung hat – oder weiter im Netzstau stecken bleibt.