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Netzanschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen: Engpässe bremsen die Energiewende

Der Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) an das Stromnetz ist eine zentrale Voraussetzung der Energiewende. Ohne Netzanschluss kann kein Strom eingespeist, keine Förderung nach EEG in Anspruch genommen und kein Beitrag zum klimaneutralen Strommix geleistet werden. In der Praxis aber wächst der Rückstau beim Anschluss neuer Anlagen – ein Problem, das zunehmend zur Bremse der Energiewende wird.

„Anschlussstau“ gefährdet Projekte

Die Stiftung Umweltenergierecht hat in ihrem neuesten Würzburger Bericht zum Umweltenergierecht Nr. 60 den Rechtsrahmen für den Netzanschluss von EE-Anlagen untersucht, einschließlich der Frage, welche Rolle flexible Netzanschlussvereinbarungen (flexible connection agreements – FCAs) darin spielen könnten. Der Bericht entstand im Rahmen des Forschungsprojektes EE-Netzintegration.

Während der Ausbau von Wind- und Solarenergie rasant voranschreitet, hinkt die Ertüchtigung der Netze hinterher. Viele Projekte warten monatelang oder jahrelang auf den Anschluss. Für Projektierer ist das ein erhebliches Risiko – denn ohne Netzanschluss fehlt die wirtschaftliche Grundlage für Finanzierung und Betrieb.

Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Nach § 8 EEG 2023 haben Betreiber einen Anspruch auf unverzüglichen und vorrangigen Netzanschluss. Begleitend sichern § 11 EEG (Netzzugang) und § 12 EEG (Netzertüchtigung) die vollständige Aufnahme und Verteilung von Strom aus erneuerbaren Energien. Netzbetreiber dürfen den Anschluss daher nur in seltenen Ausnahmefällen verweigern.

Klare Trennung von Netzanschluss und Netzzugang

Das EEG macht deutlich: Netzanschluss und Netzzugang sind getrennte Ansprüche. Selbst Engpässe rechtfertigen keine Verzögerung beim Anschluss, sondern erfordern gegebenenfalls eine spätere Leistungsbegrenzung (Redispatch) mit Entschädigung nach § 13a EnWG.
Die Regel „Das Netz folgt der Anlage – nicht umgekehrt“ bleibt damit ein zentrales Prinzip des EEG.

Neue Möglichkeit: flexible Netzanschlussvereinbarungen

Ab Februar 2025 erlaubt § 8a EEG 2023 sogenannte flexible Netzanschlussvereinbarungen. Diese sollen es ermöglichen, Netzkapazitäten effizienter zu nutzen und den Netzverknüpfungspunkt flexibler festzulegen. Solche Vereinbarungen sind freiwillig – sie dürfen den gesetzlichen Anspruch nicht ersetzen, sondern bieten zusätzlichen Handlungsspielraum für Betreiber und Netzbetreiber.

Kernpunkte der Untersuchung

Netzanschlussanspruch ist Grundpfeiler des EEG – eine Antwort auf Machtasymmetrien zwischen Netz- und Anlagenbetreibern. Anschlussverweigerungen sind unzulässig, außer in seltenen Ausnahmefällen. Netzverknüpfungspunkt spielt eine Schlüsselrolle für Kosten und Effizienz. Flexible Vereinbarungen können Chancen für eine bessere Nutzung vorhandener Netzressourcen schaffen.

Interview mit Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht

Warum haben Sie das Thema Netzanschluss untersucht?

Thorsten Müller: Der Anspruch auf einen schnellen und vorrangigen Anschluss gehört zu den zentralen Strukturmerkmalen des EEG. Ohne Netzanschluss würde der gesetzliche Zahlungs- und Abnahmeanspruch ins Leere laufen. In den letzten Jahren hat sich aber gezeigt, dass auch aufgrund des nicht ausreichend erfolgten Ausbaus des Verteilernetzes die Durchsetzung des Anspruchs immer stärker zum Problem geworden ist. Wir hören sehr oft, dass Netzanschlussbegehren lange verzögert oder ganz abgelehnt werden. Häufig wird hier die Rechtslage unzureichend eingeordnet. Wir wollten mit unserer Untersuchung zur Versachlichung beitragen und die geltende Rechtslage klarstellen.

Was sollten Projektierer beachten, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein?
Thorsten Müller: Projektierer müssen ihre Rechte genau kennen, um gemeinsam mit dem Netzbetreiber im Fall von Netzengpässen pragmatische Lösungen zu entwickeln. Flexible Netzanschlussverträge können dabei helfen, ersetzen aber nicht den gesetzlichen Anspruch. Solche Vereinbarungen funktionieren nur, wenn beide Seiten Interesse an einer Einigung haben – das ist bislang offenbar selten der Fall. Wenn es zum Streit kommt, sollten Betreiber notfalls bereit sein, ihre gesetzlichen Ansprüche durchzusetzen.

Welche Lösungen sehen Sie für die aktuellen Netzprobleme?
Thorsten Müller: Allein durch wissenschaftliche Klarstellungen wird sich der „Anschlussstau“ nicht lösen. Notwendig ist ein deutlicher Ausbau der Stromnetze, aber auch eine bessere Nutzung der bestehenden und neu errichteten Netzanschluss- und Netzübertragungskapazitäten. Die Vermeidung von Einspeisespitzen aus Erneuerbare-Energien-Anlagen gehören ebenso dazu wie die konsequente Digitalisierung der Verteilernetze. Ebenso wichtig ist ein neues Planungs- und Genehmigungsrecht zur Beschleunigung des Verteilernetzausbaus sowie die Schaffung neuer Netzinfrastrukturen wie Einspeisenetze und Bypässe in Form von Direktleitungen.

Rechte kennen, Spielräume nutzen

Die Untersuchung verdeutlicht: Der gesetzliche Netzanschlussanspruch ist kein theoretisches Recht, sondern die Basis einer erfolgreichen Energiewende. Verzögerungen beim Netzanschluss konterkarieren die Klimaziele. Für Planer und Betreiber gilt daher: Rechte kennen, Spielräume nutzen – und wo nötig, auch einfordern.