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Photovoltaikförderung in Deutschland

Minister über Kürzungen einig

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) haben sich auf eine gemeinsame Linie bei der Photovoltaikförderung geeinigt. Nach den heute von beiden Ministern präsentierten Vorstellungen soll die Vergütung von eingespeisten Solarstrom schon zum 9. März 2012 zusätzlich zur geplanten Degression abgesenkt werden. Außerdem möchte man nur noch drei statt bisher vier Leistungsklassen haben: Kleinanlagen bis 10 Kilowatt, mittlere Anlagen bis ein Megawatt und Großanlagen über ein Megawatt Leistung.


Für Anlagen mit einer Leistung bis 10 Kilowatt sinkt die Vergütung um etwa 20 Prozent von derzeit 24,43 auf 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Dafür wollen die Minister Betreiber von Solarstromgeneratoren mit einer Leistung von bis zu 30 Kilowatt überproportional schröpfen. Bekam deren eingespeister Strom bisher ebenfalls 24,43 Cent pro Kilowattstunde, fallen jetzt in die nächsthöhere Leistungsklasse der Anlagen bis zu einem Megawatt und erhalten nur noch 16,5 Cent pro Kilowattstunde. Das wäre eine Absenkung um mehr als 32 Prozent. Ähnlich ergeht es auch den Betreiber von Photovoltaiksystemen mit einer Leistung bis 100 Kilowatt. Denn diese Leistungsklasse fällt komplett weg und soll ebenfalls als mittelgroße Anlage gelten. Wurde der Strom aus diesen Systemen bisher mit 23,26 Cent pro Kilowattstunde vergütet, sinkt die Einspeisevergütung jetzt um 29 Prozent auf ebenfalls 16,5 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde. Ein Viertel weniger Geld bekommen die Betreiber von Anlagen mit einer Leistung zwischen 100 Kilowatt und einem Megawatt. Deren Einspeisevergütung sinkt von 21,98 auf 16,5 Cent pro Kilowattstunde. Für alle noch größeren Solarstromgeneratoren wollen Rösler und Röttgen die Einspeisevergütung von 18,33 auf 13,5 Cent pro Kilowattstunde absenken. Das wäre eine Degression von über 26 Prozent. Auch die Freiflächenanlagen wollen die Minister nicht ungeschoren davonkommen lassen. Hier soll die Einspeisevergütung um knapp ein Viertel von bisher 17,94 auf künftig 13,5 Cent pro Kilowattstunde sinken. Dazu kommt noch, dass die beiden Minister ein Marktintegrationsmodell in das Erneuerbare-Energien-Gesetz einführen wolle. Das bedeutet, dass man nur 85 Prozent der Strommenge aus Anlagen bis zehn Kilowatt und 90 Prozent der Strommenge aus allen übrigen Anlagen zum Einspeisevergütungssatz abnimmt. Den darüber hinaus produzierten Strom sollen die Betreiber entweder selbst vermarkten oder selbst verbrauchen.

Degressionen um bis zu 50 Prozent

Doch das sind noch nicht alle Kürzungen, die die Minister für dieses Jahr vorgesehen haben. Denn für den Zeitraum zwischen 1. Mai und 31. Dezember sehen die Minister eine weitere monatliche Degression vor, die gegenüber dem Stand vom 1. Januar dieses Jahres einer kumulierten durchschnittlichen Kürzung von etwa 30 Prozent entspricht. Im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium heißt diese Idee „Verstetigung“. Das bedeutet, dass die Förderung bis zum Jahresende monatlich um 0,15 Cent sinken soll. „Rechnet man alle Kürzungen zusammen, gehen die Degressionen schnell über 40 Prozent hinaus und erreichen zusammen mit der bereits erfolgten Absenkung zum Jahresanfang bis zu 50 Prozent“, rechnet der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Grüne Hans-Josef Fell vor. Für die nächsten Jahre geben sich Rösler und Röttgen gegenüber der Solarbranche großzügig. Die durchschnittliche Degression soll sich dann im Bereich von 13 Prozent bewegen.

Zur Bruchlandung angesetzt

Mit diesen Vorschlägen wollen die Minister „die Zubaumenge und die Kosten wirksam begrenzen“. Fraglich ist aber, ob sie damit auch die Belastungen aus den Stromkosten für die Verbraucher stabil halten. Denn „ein weiterer Zubau von Photovoltaikanlagen fällt kostenmäßig nicht weiter ins Gewicht“, betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) „Im Gegensatz dazu steigen die Preise für die fossilen Energien steigen seit Jahren. Das heißt, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir auf eigenen Beinen stehen und wettbewerbsfähig sind. Und da stimmen wir mit der Politik überein. Wir wollen keine Dauersubventionierung, sondern schnellstmöglich die Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Wir sind auch auf dem besten Wege dahin. Aber noch brauchen wir die Unterstützung, sonst bricht alles zusammen, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Wir sind im Landeanflug zur Wettbewerbsfähigkeit, aber gerade da kommt es darauf an, die Turbine nicht zu stark zu drosseln, sonst riskieren wir den Absturz.“

Wie viel die Solarenergie den Verbraucher kostet, macht Herbert Muders, Geschäftsführer von Juwi Solar in Wörrstadt, deutlich. „Derzeit zahlt jeder Stromkunde im Schnitt gerade mal 3,50 Euro im Monat für die Nutzung der Solarenergie“, rechnet er vor. „Das ist so viel, wie ein Latte Macchiato im Pappbecher kostet. Bei weiterem Zubau kämen maximal zehn bis 15 Cent dazu – weniger als ein extra Schuss Vanillesirup für den Milchkaffee. Dagegen stehen Milliardeninvestitionen in regionale Wertschöpfung, zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine langfristig sichere und bezahlbare Energieerzeugung, die einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen für Deutschland haben.“

Technologieführerschaft in Gefahr

„Gleichzeitig schaffen wir für die Photovoltaikindustrie stabile Rahmenbedingungen, damit sie sich auch in Zukunft auf dem Weltmarkt behaupten kann“, erklärt Röttgen. Dass das mit der massiven Kürzung der Einspeisevergütung gelingt, darf bezweifelt werden. „Hier stehen zehntausende Arbeitsplätze und Deutschlands Technologieführerschaft bei einer der wichtigsten Zukunftsenergien auf dem Spiel“, erklärt Carsten Körnig. „Wir haben die größte Dichte an Forschungseinrichtung im Bereich der Solarenergie weltweit. Das alles hängt natürlich auch an den Unternehmen und wenn die Subventionen hier gekürzt werden, dann werden wir die Technologieführerschaft aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren.“

Widerstand kommt aber nicht nur aus der Photovoltaikbranche, sondern auch von den Gewerkschaften und der Opposition. So kritisiert Fell von den Grünen: „Die Absenkung erfolgt gemäß einem planwirtschaftlichen Modell, dessen Erfinder der FDP Parteivorsitzende Rösler ist“. Er bezeichnet die Änderungsvorschläge als einen großen Schritt von Schwarz-Gelb zum Ausstieg aus dem EEG. Auf Fells Ablehnung stößt vor allem die Tatsache, dass die Kürzungen in den nächsten Jahren „an Bundestag und Bundesrat vorbei laufen und von den Ministerien per Rechtsverordnung vorgegeben werden. Dies würde, sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat bei der Photovoltaikvergütung weitgehend entmachten.“

Ambitionierter Zeitplan

Die Gewerkschaften haben vor allem die Arbeitsplätze im Blick. So kritisiert der Zweite Vorsitzende der IG Metall Detlef Wetzel die Kürzungspläne. Mit ihrem Vorhaben „setzt die Bundesregierung die Arbeitsplätze in der Solarindustrie leichtfertig aufs Spiel“, erklärt er. „Es werden keine populistischen Maßnahmen benötigt, sondern ein Zukunftsdialog zwischen Politik, Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften für eine Industriepolitik, die auf die Stärkung von Produktionsstandorten und auf die Förderung von Forschung und Innovation setzt." Ob es einen Dialog noch geben wird, bleibt zweifelhaft. Denn die Minister drücken auf Tempo bei der Umsetzung des Vorhabens. Schließlich haben sie zwei Wochen Zeit, um die Novelle durch den Bundestag und den Bundesrat zu bringen. Das ist noch ambitionierter als der Schnellschuss aus dem letzten Jahr. Die Fraktionen im Bundestag haben die Gesetzesvorlage schon und noch in dieser Woche soll das Bundeskabinett abstimmen. Dass Schnellschüsse auch nach hinten losgehen können, hat man allerdings Ende letztes Jahr in Großbritannien gesehen. Dort stoppte der Oberste Gerichtshof die allzu kühne und übereilte Absenkung der Photovoltaikförderung. (Sven Ullrich)