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Neue Klimastudie erschienen – ein Kommentar

Dresden ignoriert Klimawandel

In Sachsen läuft der Wahlkampf auf Hochtouren. Die Energiewende ist allerdings bisher kein Thema auf den Plakaten, die in den Städten und Gemeinden des Freistaates hängen. Bisher. Denn jetzt hat die Staatskanzlei in Dresden eine eigene Klimastudie auf dem Tisch liegen. Dort itzen aber nicht die Verfechter der Energiewende. So fordert Dresden von der Bundesregierung, gegenüber den erneuerbaren Energien härtere Bandagen anzulegen. „Das vorliegende Gesetz ist mit Sicherheit nicht grundlegend. Es ist auch keine Reform. Es ist aus der Sicht des Freistaates Sachsen eher Stückwerk. Grundlegende Entscheidungen im Bereich der Förderung der erneuerbaren Energien sind aufgeschoben worden“, sagte Sven Morlok in der Bundesratsdebatte um die EEG-Novelle. Er ist nicht nur das letzte Relikt der alte FDP des Philipp Rösler, sondern auch Sachsens Wirtschaftsministers. Morlok und seine Partei umwerben vor allem den Mittelstand. Die Agentur für Erneuerbare Energien hat insgesamt gut 1.700 Unternehmen gezählt, die in Sachsen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien herstellen und installieren. Die Dresdner Staatsregierung lässt diese zumeist mittelständischen Firmen aber allein. Denn auch der Koalitionspartner CDU setzt weiter auf die Verstromung der Braunkohle und will damit die etwa 3.000 Arbeitsplätze in den Braunkohletagebauen und den Kraftwerken retten. Dass sie damit die nahezu 19.000 Arbeitsplätze in der Branche der erneuerbaren Energien gefährdet, davon ist in den strategischen Überlegungen der Staatsregierung keine Rede.

Braunkohlestrom verstopft weiter die Netze

„Die heimische Braunkohle ist als Energieform notwendig“, sagt Umweltminister Frank Kupfer (CDU) nach Erscheinen einer aktuellen Studie zur Klimaveränderung im Freistaat gegenüber der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse. „Wir können nicht gleichzeitig auf Atom- und Kohleenergie in Deutschland verzichten – auch wenn die Kohle Treibhausgase produziert.“ Dass die Regierungskoalition in Dresden das tatsächlich ernst meint, zeigen die Zahlen. Gut drei Viertel des Stroms in den sächsischen Netzen stammt aus den Braunkohlekraftwerken in Boxberg und Lippendorf in der Lausitz. Im Oktober 2012 hat Vattenfall sogar einen neuen Block in Boxberg in Betrieb genommen – mit der vollen Unterstützung aus Dresden. Mit einer Leistung von 670 Megawatt war er größer als die gesamte Photovoltaikleistung, die zu diesem Zeitpunkt in Sachsen installiert waren und mehr als ein Drittel der im Freistaat installierten Leistung der regenerativen Kraftwerke. Die Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien sind nicht sehr ambitioniert. Derzeit liegt der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bei gut 17 Prozent. Bis 2023 soll dieser Anteil auf 28 Prozent steigen. Das ursprüngliche Ziel von 33 Prozent bis 2020 wurde damit drastisch zurückgefahren. Außerdem will sich Sachsen in Sachen Energiewende offensichtlich nicht mit den Nachbarn in Brandenburg und Sachsen-Anhalt messen, wo der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch längst über 50 Prozent liegt.

Im Gegenteil: Während der Debatte um die EEG-Reform brachte Sachsen sogar einen Entschließungsantrag in den Bundesrat ein, um mehr die Hürden für die Erzeugung regenerativen Stroms aufzubauen. So sollten die Ausschreibungen für Photovoltaikfreiflächenanlagen schneller als geplant eingeführt werden. Gleichzeitig wollte Dresden den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Ausbau des Verteilnetzes koppeln. Damit hätten die Netzbetreiber das Tempo der Energiewende bremsen können. Der Vorstoß war für den Bundesrat zu viel. Er viel in der Abstimmung durch.

Klimawandel ist in Sachsen angekommen

Diese Blockadepolitik wird sich Dresden nicht mehr lange leisten können. Dass auch in Sachsen mit dem Klima nicht alles in Ordnung ist, hat Umweltminister Kupfer jetzt schwarz auf weiß. Die Jahresmitteltemperatur ist in den vergangenen 30 Jahren um 0,6 Grad angestiegen. Das hat dazu geführt, dass im Freistaat die Anzahl der Tage im Jahr, an denen die Temperaturen 25 Grad Celsius übersteigen, um 17 Prozent zugenommen haben. Gleichzeitig hat der Klimawandel vor allem Auswirkungen auf die Wetterkapriolen. Während in den Monaten, in denen die Landwirtschaft den Regen braucht, zwölf Prozent weniger Regen auf Sachsen niedergehen, steigt das Risiko von Starkregen in den Monaten Juli bis September drastisch an. In diesen Monaten ist in den vergangenen 30 Jahren die Zahl der Gewitter um 18 Prozent angestiegen. Die Niederschlagsmenge stieg dabei um zwölf Prozent. Das sind die Ergebnisse einer Klimastudie, die das Institut für Hydrologie und Meteorologie der TU Dresden im Auftrag des sächsischen Umweltministeriums erstellt hat.

Dass der Klimawandel an den sächsischen Landesgrenzen nicht Halt macht, weiß man im Freistaat schon lange. Niemand wird das „Jahrhunderthochwasser“ im Jahr 2002 vergessen. Das medienwirksame Krisenmanagement hat damals Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Posten gerettet. Allerdings hat die Flutkatastrophe viele Schäden verursacht, an denen die Sachsen jetzt noch zu leiden haben. Allein die Landesregierung in Dresden hat bisher 900 Millionen Euro in die Schadensbeseitigung investiert. Zusätzliche 650 Millionen Euro haben die sächsischen Steuerzahler seither für den Ausbau des Hochwasserschutzes berappen müssen. Seither treten die Flüsse in Sachsen jährlich über die Ufer. Statt die Ursachen anzugehen, setzt Dresden vor allem auf Schutzmaßnahmen. Doch wie viel Schutz ist möglich? Wie hoch müssen die Deiche an den Ufern von Elbe und Mulde werden, damit die Bewohner nicht alljährlich ihr Hab und Gut verlieren? Auch in diesem Jahr standen die Ufer des Elbsandsteingebirges wieder unter Wasser.

Steuerzahler muss für Schäden aufkommen

Sicherlich ist Sachsen nicht allein für den Klimawandel verantwortlich. „Aber jeder muss vor seiner eigenen Haustür kehren“, betont Christian Bernhofer, Autor der Klimastudie, gegenüber der Freien Presse. „Ich würde mir wünschen, dass es in Sachsens Energiemix keine zusätzlichen Treibhausgasverursacher mehr gibt.“ Die Änderung der Energiepolitik ist in Dresden auch nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen kein Thema. Dort fordert man mehr Kosteneffizienz beim Ausbau der erneuerbaren Energien. In der Zwischenzeit muss der sächsische Steuerzahler aber immer wieder für die Schäden des Klimawandels aufkommen. Die Kosten dieser Blockadepolitik hat in Dresden aber noch niemand ausgerechnet. (Sven Ullrich)