Widerstand gegen Windenergieprojekte speist sich aus lokalen Ängsten und Sorgen. Rechtspopulistische Überzeugungen spielen hingegen eine untergeordnete Rolle, ergab eine aktuelle Studie. Doch populistische Rhetorik gibt es in den Konflikten regelmäßig – und damit auch ein Einfallstor für populistische Gruppen und Parteien.
Sieben ungelöste Konflikte um Windparks und Netzausbau untersucht
Das Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam ist der Frage nach Zusammenhängen zwischen Windkraftprotesten und Rechtspopulisten nachgegangen. „Die Energiewende genießt in der Bevölkerung grundsätzlich großen Rückhalt. Dennoch stoßen Erneuerbare-Energien-Projekte vor Ort häufig auf Widerstand“, sagt Autor Jörg Radtke. „Wir wollten wissen, welchen Einfluss Rechtspopulisten auf die Proteste haben.“ Denn auf nationaler Ebene seien sie, vor allem die AfD, die einzige politische Kraft, die grundsätzlich gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien ist.
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Die untersuchten Konflikte betreffen fünf Windenergie- und zwei Netzausbauprojekte in sechs Bundesländern. Keins der Projekte sei bis heute abgeschlossen, da es erheblichen Widerstand von lokalen Bürgerinitiativen und überregionalen Netzwerken gebe, schreibt das Institut in einer Presseinformation. Bei allen habe es Versuche von Rechtspopulisten, insbesondere der AfD, gegeben, lokale Proteste für sich zu vereinnahmen. Dies war jedoch größtenteils erfolglos, da lokale Initiativen generell nicht bereit waren, mit politischen Parteien zusammenzuarbeiten, und besonders gegenüber der AfD Vorbehalte hatten. Sie konzentrieren sich auf unmittelbare, lokale Anliegen. Im Mittelpunkt stehen häufig Sorgen bezüglich Landschaft, Umwelt und Gesundheit.
Populistische Rhetorik allgegenwärtig
Die Interviews ergaben aber auch: Populistische Rhetorik ist unter Gegnern der Energiewende-Projekte dennoch allgegenwärtig. Die Kernbestandteile des klassischen Populismus, nämlich Anti-Elitismus, Anti-Pluralismus und die Fokussierung auf den „einfachen Menschen“, nähmen in der Energiewende spezifische Formen an.
- Anti-Elitismus: Politische und wirtschaftliche Eliten nutzen die Energieprojekte zu ihrem persönlichen Vorteil aus. In der Landbevölkerung ist das Gefühl verbreitet ist, man trage die Lasten des städtischen Energieverbrauchs und die Stadtbevölkerung habe keine Ahnung von den praktischen Problemen des Landlebens.
- Anti-Pluralismus: Ein homogenes Volk soll direkt über die Energiewende entscheiden. „Wir sehen das zum Beispiel in unserem Fallbeispiel aus Mecklenburg-Vorpommern, wo Bürgerinnen und Bürger Volksabstimmungen über Energieprojekte fordern und eine angebliche ‚Scheindemokratie‘ anprangern, in der ihre Einwände und Bedenken ignoriert werden“, so Ko-Autor David Löw-Beer.
- Der einfache Mensch: Auch die Forderung, der Mensch solle im Mittelpunkt stehen, ist ein wiederkehrendes Thema, ermittelte die Studie. Nach dieser Sichtweise gelten „normale Bürgerinnen und Bürger“ als von Natur aus tugendhaft, ihre Belastung durch die Kosten der Energiewende sei ungerecht.
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Forscher mahnen: Bedenken Ernst nehmen
Die Forscher sehen in der Neigung der lokalen Protestinitiativen zum Populismus ein erhebliches Potenzial für Rechtspopulisten, mit diesen in Kontakt zu treten. Dieses Potenzial werde durch unzureichende Reaktionen auf Proteste – wenn Projekte entweder unverändert fortgeführt werden oder mit längeren Verzögerungen konfrontiert sind – noch verstärkt.
Ihr Rat lautet daher, den Bedenken der Bürger Rechnung zu tragen, besonders im Hinblick auf soziale und ökologische Gerechtigkeit. Ein konstruktiver Umgang mit Kritik, eine sinnvolle Beteiligung und die ernsthafte Berücksichtigung der Anliegen der Gemeinschaft seien von entscheidender Bedeutung, um die gesellschaftliche Legitimität und Nachhaltigkeit von Energiewende-Projekten zu verbessern.