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Erneuerbare Wärme in der Industrie

Auf die Temperatur kommt es an

Der deutsche Solarthermiemarkt stottert seit Jahren vor sich hin. Immer wieder geht der Absatz zurück. Zwar konnten die Solarthermiker Ende des vergangenen Jahres wieder einen Aufschwung verzeichnen. Immerhin ging die Zahl der Anträge auf Förderung einer Solarwärmanlage beim Bundesamt für Finanzdienstleistungen und Ausfuhrkontrolle (BAFA) um 37 Prozent nach oben, nachdem die Bundesregierung die Förderung aufgestockt hat. Doch immer noch kommt der Bau von Anlagen zur solar erzeugten Prozesswärme nicht so richtig voran.

Solarthermie in Schlüsselindustrien einsetzbar

Dabei gibt es viele Branchen, die auf diese Art der Wärmeerzeugung in den Produktionsprozessen umsteigen könnten. So kann beispielsweise in der Textilindustrie oder der Holzverarbeitung sogar die Niedertemperatur-Solarthermie, die Wärme – ob für Raumheizung oder den Produktionsprozess – bis zu 100 Grad Celsius bereitstellt, zusammen mit Wärmepumpen die komplette Wärmeversorgung übernehmen. Selbst Schlüsselindustrien wie Fahrzeug- und Maschinenbau brauchen zu zwei Dritteln Wärme in einem Bereich, den die Niedertemperatur-Solartermie abdecken kann. Das geht aus einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hervor.

Nach Temperaturbereich aufgeteilt

Die Forscher von der Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart haben untersucht, inwieweit sich der industrielle Prozesswärmebedarf in den Ländern der Europäischen Union mit erneuerbaren Energien decken lässt. Dabei verweisen sie darauf, dass vor allem das Wissen über die Bedürfnisse der einzelnen Branchen eine Voraussetzung ist, den Absatz von erneuerbaren Wärmeerzeugern zu forcieren. Hier geht es vor allem um die Temperaturbereiche, die in den Produktionsprozessen wichtig sind. Entsprechend haben die Forscher den Prozesswärmebedarf auch nach diesen Temperaturbereichen eingeteilt. „Diese Differenzierung ist insbesondere bei der Prozesswärme entscheidend, weil die meisten erneuerbaren Technologien Wärme nur bis zu einer gewissen Temperatur bereitstellen können“, erklärt Tobais Naegler vom DLR in Stuttgart und Mitautor der Studie. Die Temperaturbereiche wurden auch für Industriebranchen insgesamt untersucht. Dabei müssen die Anbieter von erneuerbaren Wärmeversorgern aber auf die konkreten Anforderungen im jeweiligen Betrieb eingehen. Denn nicht jeder Temperaturbereich wird in jedem Produktionsunternehmen einer Branche gebraucht.

Solarthermie kann großen Anteil übernehmen

Die Solarthermie ist da nur eine dieser erneuerbaren Technologien. Die preiswerteren Flachkollektoren sind vor allem für Branchen geeignet, die in ihren Prozessen bis zu 100 Grad Celsius benötigen. Neben Fahrzeug- und Maschinenbau, der Textil- und der Holzindustrie sind vor allem die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Dort liegt der Bedarf von Wärme im niedrigeren Temperaturbereich inklusive Raumheizung und Warmwasserversorgung bei etwa 58 Prozent. Der restliche Wärmebedarf müsste dann aber mit einer anderen Technologie abgedeckt werden. Denn dieser liegt dann bei Temperaturen zwischen 100 und 500 Grad Celsius. In bestimmten Unternehmen könnten hier Vakuum-Röhrenkollektoren die Wärmeversorgung übernehmen, da diese immerhin Temperaturen von bis zu 200 Grad Celsius bereitstellen. Wenn der Produktionsprozess nach noch höheren Temperaturen verlangt, kann entweder die konzentrierende Solarthermie (CSP) oder die Tiefengoethermie zum Einsatz kommen. Beide Technologien schaffen derzeit Temperaturen von bis zu 300 Grad Celsius.

Hohe Temperaturen verlangen andere Technologien

Auch in der chemischen Industrie können diese Technologien zum Teil punkten. Allerdings werden dort für bestimmte Prozesse Temperaturen von 1.000 Grad Celsius und mehr benötigt. Das geht über die Grenzen, die Wärmetechnologien wie Solarthermie und Geothermie bereitstellen können. Diese werden vor allem in der Stahlherstellung und der Produktion von Nichteisenmetallen gebraucht. Zu mehr als 90 Prozent werden auch bei der Produktion von nichtmetallischen Mineralstoffen und der Erzgewinnung Temperaturen von 500 bis mehr als 1.000 Grad Celsius gebraucht.

Potenzial für die Photovoltaik

In diesen Branchen wird vor allem die Photovoltaik die Technologie der Wahl sein. Denn Stromheizungen schaffen solche Temperaturen ohne Probleme. Alternativen wären Gas- oder Biomassekessel. Dabei müssten aber die Brennstoffe Wasserstoff oder Methan regenerativ erzeugt werden, um die Energiewärme beim Wärmeverbrauch in der Industrie voran zu bringen. „Die enge Kopplung des Wärmesektors mit dem Stromsystem, die aus der Nutzung von Strom oder synthetischen Gasen gerade im Hochtemperaturbereich resultiert, birgt Risiken aber auch Chancen hinsichtlich der Integration hoher Anteile erneuerbaren Stroms in die Gesamtenergieversorgung“, betont Naegler. Denn gerade wenn es um die Integration von volatilen erneuerbaren Energien in das Stromsystem geht, stellt die Prozesswärme ein riesiges Potenzial der Verbrauchssteuerung dar. „Diesen Aspekt gilt es in weiteren Studien noch genauer zu untersuchen“, fordert Naegler. (Sven Ullrich)