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Kommentar zum Divestment eines Finanzriesen

Black Rock und Rock´n Roll: Geld braucht gutes Klima

Tilman Weber

Und plötzlich ist der Glaube ans intelligente Kapital wieder erweckt: Black-Rock-Chefmanager Larry Fink hat in einem Brief an durch Black-Rock-Beteiligungen verbundene Unternehmen zu mehr Klimaschutzanstrengungen aufgerufen. Klimarisiko sei auch Anlagerisiko, schrieb er. Und dazu notierte er die deutliche Warnung: Blackrock werde sich von Anlagen trennen, „die ein deutliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellen“. Der US-amerikanische Superfonds drohte also mit kaltem Kapitalentzug, ohne Rücksicht auf gesundheitliche Folgen fürs ökonomische Wohlergehen auch großer Firmen – so lange diese nicht ihr klimaschädliches Verhalten mäßigen.

Wohlwollende Wirtschaftsexperten und Journalisten wie etwa von der konservativ-liberalen Wochenzeitung Die Zeit sehen bereits eine „neue grüne Haltung“ beim weltgrößten Finanzkonzern. Ein zunehmend stärkerer Einfluss auf Realwirtschaft und Politik sei aus solchen im Wirtschaftsdeutsch Divestments genannten Kapitalentzügen gegen nicht nachhaltige Firmen zu erwarten, hatte eine Wissenschaftlergruppe in der US-amerikanischen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences analysiert. Unter ihnen der Forscher des Energiewende-freundlichen Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) aus der brandenburgischen Landeshauptstadt, Jonathan Donges.

Die weltweite Finanzwirtschaft habe vermutlich einen historischen Kipppunkt erreicht oder sogar überschritten, schrieb Donges. Dieser Kipppunkt, so die Vorstellung des Marktbeobachters, sei der Moment, nach dem eine positive Kettenreaktion erfolgen werde. Oder zumindest könnten nun die globalen Kapitalströme in Richtung Energiewende kippen und dabei eine naturwüchsige Beschleunigung beim Divestment weg von kohlenstoffintensiven Wirtschaftsbereichen eintreten zu lassen.

Eben noch galt Black Rock aufgrund seines aggressiven Kurses mit hohen Renditezielen als einer der großen Treiber der globalen Klimakrise: Der Fonds verschärfe die Situation mittels Einstreichens von Gewinnen aus Umwelt- und Klimazerstörung – so warnten 2019 noch Umweltschutzorganisationen wie die US-amerikanische Friends of the Earth.

Richtig ist, dass ein Fonds-Riese wie Black Rock mit seinem enormen Kapital auch ein gewaltiges Schwert zur Machtausübung führt. Mit sieben Billionen US-Dollar verwaltet die Organisation bereits fast doppelt so viel, wie ganz Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt in einem Jahr wirtschaftlich umsetzt.

Allerdings hatte Black-Rock-Boss Fink die Divestments auf Unternehmen beschränkt, die mehr als ein Viertel ihres Umsatzes in der Kohlewirtschaft machen – genauer: mit der Kohleverfeuerung, der thermalen Kohlenutzung. So haben Marktkenner ausgerechnet, dass ausgerechnet der weltgrößte Übersee-Exporteur von Kohle, der Schweizer Weltkonzern Glencore, nicht betroffen wäre. Außerdem sind wohl rund zwei Drittel des Kapitals im Black-Rock-Imperium auf Indexfonds festgelegt: Fonds, die jeweils die besten Werte verschiedener Aktienindizes enthalten. Hier kann der US-Finanzriese also Klimasünder nicht rauswerfen.

Aber stimmt es denn generell, dass die Wirtschaft die Energiewende und Klimarettung will und beides vorantreiben kann? Tanzt mit Black Rock ein ins Rollen gekommener Investor plötzlich Rock´n Roll fürs Klima, nachdem sein Puls jahrelang eher im besinnungslosen Techno-Beat des Aktienspekulationshandels geschlagen hatte?

Am vergangenen Freitag, am 24. Januar, ging das sogenannte Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos zu Ende. Das inoffizielle, aber gut besuchte Treffen der weltwirtschaftlichen Elite und wichtiger Politiker trägt bei manchen Beobachtern den Beinamen Klassentreffen, weil es sich um eine informelle Zusammenkunft von Gleichen unter Gleichen handelt. Milliardäre dominieren. Doch nie zuvor war so offiziell ein Thema das Hauptthema in Davos wie dieses Mal die Rettung der Welt vor dem Klimawandel.

Es gab nur leider kein Ergebnis.

Zwar ist eine offizielle Abschlusserklärung in der Tradition des WEF nicht vorgesehen. Doch wie gering die Wertschätzung für eine nachhaltige Neuausrichtung der Wirtschaft bei den Konzernentscheidern ist, dokumentiert ein hochsymbolisches Ereignis: Die derzeit bekannteste Klimaschutzaktivistin und schwedische Schülerin Greta Thunberg hatte zusammen mit anderen Vertretern der Schüler- und Jugend-Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) einen Tagesordnungspunkt beantragt. Das WEF setzte FFF für Freitagmorgen an. Da sind die meisten Wirtschaftsbosse schon abgereist. Der FFF reservierte Raum bot Sitzgelegenheiten für nur 50 Zuhörer. Die Tageszeitung Welt erfasste die Situation mit feiner Ironie: Der Klimaschutzaktivistin sei entweder gar nicht zugehört worden – oder man habe sie bloß sympathischen Kinderstar wahrnehmen wollen: Süß, stark und selbstbewusst – aber unwichtig für Weltpolitik oder Weltwirtschaft. Ob sie sich denn als Wiedergeburt der schwedischen Kinderromanfigur Pippi Langstrumpf sehe, lautete so eine Journalistenfrage an Thunberg, nachdem sie ihre klimapolitischen Forderungen vorgetragen hatte.

Die kanadische Publizistin, Autorin und Aktivistin Naomi Klein hatte bereits vor Jahren in ihrem wunderbaren Buch „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“ detailliert analysiert, warum Umwelt- oder Klimaschutzbewegungen sich nicht auf großes Kapital stützen können. Und warum es bestenfalls andersherum funktioniert: Ist die Klimaschutzbewegung stark, folgen ihr vielleicht auch die wirtschaftlich wichtigen Akteure. Wer hingegen auf die Macht grün orientierten Kapitals setzt, darf über irrwitzige Folgen wie die einer US-Umweltschutzorganisation nicht klagen, die aufgrund ihrer Verstrickung mit der Wirtschaft die Ölförderung in einem Naturschutzgebiet gleich selbst betrieb – ein von Klein dokumentiertes Beispiel.

Um hier einen deutschen Blickwinkel einzunehmen, ist zu fragen: Warum investieren Stadtwerke hierzulande derzeit selten in große neue Windparks und viel lieber in die Digitalisierung? Ziel der Digitalisierung ist: Statt grünen Strom selbst zu erzeugen und zu wenig lukrativen geringen Preisen zu vertreiben, wollen die Stadtwerke mit der Nutzung der ihnen zufließenden Stromverbraucherdaten neue lukrative Dienstleistungsprodukte entwickeln. Diese Produkte können der Energiewende dienen, aber müssen nicht. Warum lassen Investoren keine Windparks im Süden Deutschlands ausbauen – obwohl die Ausschreibungen keinen Wettbewerb mehr erzeugen und daher jedes süddeutsche Windprojekt zum Zuge käme? Offenbar scheitert es nur daran, dass sich Windparks im derzeitigen gesetzlich gestalteten Vergütungsrahmen offenbar gemäß Investorenansprüchen nicht genug rentieren. Warum baut die Energiewirtschaft lieber städtische Wärmespeicher zum Aufnehmen überschüssigen Stroms auch aus Kohlekraftwerken, statt kleiner dezentraler Speicher oder Wasserstofferzeuger innerhalb von Windparks? Dabei ließe sich mit Windparkspeichern die Grünstromnutzung verstetigen! Was bedeutet es für die Stadtwerke Leipzig, wenn sie das Ende der Fernwärme-Abnahme aus dem örtlichen Kohlekraftwerk Lippendorf bis 2025 beschließen – und danach die Bundesregierung den Betrieb dieses Kraftwerks bis in die 2030er-Jahre hinein festlegt?

All dies sind Beispiele dafür, wie geringe Hürden für Investitionen in Erneuerbare zu hoch sind, wenn es für andere Dinge noch geringere Hürden gibt. Nichts ist zu sagen gegen wirtschaftliche Elemente in der Gesetzgebung, die Investitionen klug zu lenken vermögen. Es ist klug, wenn im Kabinettsbeschluss zum Kohleausstiegsgesetz eine Entschädigung für Kohlekraftwerksbetreiber vorgesehen ist, die für alle nach 2025 vom Netz gehenden Anlagen mit zunehmend späterem Abschaltzeitpunkt immer weiter absinken. Vielleicht entscheiden sich manche Kraftwerksbetreiber nach wirtschaftlicher Neu-Kalkulation ihrer Anlagen für ein früheres Ausstiegsdatum. Auch steigende CO2-Zertifikatspreise könnten dazu führen.

Zugegeben: Das Interesse der Investoren an grüner Energie aufgrund langfristig stabiler Renditen ist weltweit ungebrochen. Dies lässt sogar Windpark-Installationen in den USA trotz energiewendefeindlicher US-Regierung eine Zeitlang erhalten. Doch wenn auch im Rahmen der Europäischen Union hinterhältige Führungskreise die Öffentlichkeit in falsche Debatten verwickeln, versickert das Kapital schnell in falsche Kanäle. Die in zusammenhanglose, reine Kohlendioxiddebatten verstrickte Öffentlichkeit übersieht dann, dass der Ausbau Erneuerbarer zurückgeht. Plötzlich sind Atomenergie oder Flüssiggas-Anlagen oder gar effiziente Kohletechnologien wieder Investitionsobjekte – ungeachtet beispielsweise zweifelhafter Herkunft von Gas aus umweltschädlicher Fracking-Förderung.

Richtig ist: Große Kapitalströme können Politik und Gesellschaft noch etwas mitziehen. Doch zugleich ist Kapital ziellos und flüchtig.

Beispiel Black Rock: Welchen langfristigen positiven Effekt könnte eine zunehmende Rolle von Investmentfonds haben, während sie in den Erneuerbaren-Ausbauländern kaum Steuern zahlen? Welche Akzeptanz wird der Ausbau der Windkraft in Deutschland erhalten, wenn die Politik eine ernsthafte Gewinnabschöpfung dann bei Black Rock und Co zugunsten des Gemeinwohls in der Nachbarschaft von Windparks nicht vorsieht? Welchen Kipppunkt für die Energiewende bringt es mit sich, wenn schwerreiche Investoren die Entscheider über die Rahmenbedingungen der Energiewende zu stellen versuchen – wie bei Black Rock geschehen: ob nun in Gestalt eines Kandidaten für die CDU-Parteiführung oder für die CDU-Bewerbung um die nächste Kanzlerschaft, ob in Gestalt eines Vorsitzenden der Kommission zum Rückbau von Einfluss des französischen Staates oder eines britischen Finanzministers.

Nein, die Schlussfolgerung ist einfach: Die Politik selbst muss das Notwendige tun, damit kleine wie große private Finanzströme Gutes bewirken. Gute Politik müsste das Divestment von Black Rock so weit lenken, dass der Fonds wirklich aus der Kohlekraft aussteigt.