Der kroatische Übertragungsnetzbetreiber HOPS (Hrvatski operator prijenosnog sustava) hat nach jahrelanger Blockade endlich die Netzanschlussgebühren für Solarparks und Windkraftanlagen festgelegt. Diese fallen allerdings so hoch aus, dass der kroatische Verband für Erneuerbare Energien OIEH davon ausgeht, dass viele der bisher auf Eis liegenden Projekte ganz gestoppt werden.
Riesiger Anschlusspreis festgelegt
Momentan sind von der fehlenden Regelung für den Netzanschluss 60 Projekte mit einer Gesamtleistung von 3,5 Gigawatt betroffen. Denn diese sind so leistungsstark, dass sie ans Übertragungsnetz angeschlossen werden müssen. Doch HOPS hat jahrelang keine Regelungen für diesen Netzanschluss geschaffen – und auch keinen Preis genannt. Jetzt wurde vom Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen der „Schaffung technischer Bedingungen im Netz“ (Stvaranje tehničkih uvjeta u mreži – STUM) ein Netzanschlusspreis von 144.800 Euro pro Megawatt installierter Leistung festgelegt.
Projekte nicht mehr kreditwürdig
OIEH geht jetzt davon aus, dass sich dadurch die Projekte um 40 Prozent im Vergleich zu den bisher geplanten Kosten verteuern werden. Unter diesen Bedingungen sei keines der geplanten Projekte bankenfähig, kritisieren die Branchenvertreter. Sie verweisen darauf, dass in den meisten europäischen Ländern die Anlagen ohne oder nur gegen geringe Gebühren ans Netz angeschlossen werden.
Netzbetreiber kann abschalten
Zudem kann der Übertragungsnetzbetreiber laut STUM die Anlagen jederzeit vom Netz trennen, wodurch sich die Sicherheit der Refinanzierung weiter verschlechtert. Dabei bekommen die Investoren noch nicht einmal die Garantie, dass die bisher vorgesehene Übertragungsleitung von Split nach Rijeka überhaupt gebaut wird, die mit dem Geld finanziert werden soll.
Übertragungsleitung ist fragwürdig
Doch dies hält OIEH ohnehin für Unsinn. Denn das Hochspannungsnetz, einschließlich der geplanten Leitung Split–Rijeka, stellt eine strategische Infrastruktur von nationalem und internationalem Interesse dar. Sie ist in die Entwicklungspläne des Netzes aufgenommen. Aufgrund seiner Bedeutung ist es mit Autobahnen oder Eisenbahnstrecken vergleichbar und darf nach den Regeln der Kroatischen Energieregulierungsbehörde (Hrvatska energetska regulatorna agencija – HERA) den Erzeugern nicht in Rechnung gestellt werden.
Verband warnt: Kroatiens Energiewende steht auf der Kippe
Außerdem hat die Regierung in Zagreb bereits vor längerem festgestellt, dass diese Leitung nicht erforderlich sei, da Engpässe im Netz durch Batteriespeicher gelöst werden könnten. Deswegen führt OIEH derzeit eine Studie durch, die aufzeigen soll, wo und in welchem Umfang Speicher installiert werden müssen. Die Ergebnisse sollen Anfang des kommenden Jahres vorliegen.
Schaden für Investoren und Gemeinden
Bis dahin werden aber vermutlich 45 der von den Anschlussgebühren betroffenen Projekte für erneuerbare Energien eingestellt werden, befürchtet man bei OIEH. Dies würde einen riesigen Schaden verursachen. Denn die Investoren und Planer haben dem Staat bereits 25 Millionen Euro für die Energiegenehmigungen dieser Projekte bezahlt. Doch den größten Verlust erleiden die lokalen Gemeinden, warnen die Branchenvertreter. Denn diese müssen auf Einnahmen verzichten, die diese Projekte ihnen gebracht hätten.
Projekte scheitern
Erneuerbare Energien sind seit Jahren in allen kroatischen Strategien und Plänen eindeutig definiert, und der Privatsektor ist dem Aufruf des Staates gefolgt, in ihre Produktion zu investieren. Heute aber wendet sich der Staat genau von diesen Erzeugern ab, kritisiert der Branchenverband. „Im vergangenen Jahr haben wir jeden Monat Schreiben an das Wirtschaftsministerium geschickt, Lösungen angeboten und einen gemeinsamen Dialog gefordert, doch die Institutionen schieben einander die Verantwortung zu. Das Ministerium verfolgt eine Politik, HERA eine andere und HOPS eine dritte – das Ergebnis ist dasselbe: Die Projekte scheitern“, wettert Maja Pokrovac, Direktorin von OIEH.
Tibra Pacific baut großen Solarpark in Bosnien-Herzegowina mit Modulen von Aiko
Energieimporte gehen weiter
Sie kritisiert, dass Kroatien nicht die Energiewende hin zu mehr Unabhängigkeit unterstützt, sondern sich Projekten wie dem Bau eines Kernkraftwerks zuwendet. „Diese haben zwar ihre Bedeutung, aber sie sind langwierig und extrem teuer – bis zu zehnmal teurer als der Bau eines hybriden Solarparks mit Batteriespeicher“, betont Maja Pokrovac. „Dabei werden gerade Solar- und Windkraftanlagen mit Speicher weltweit schon heute zu grundlegenden Technologien. Wenn es so weitergeht, wird Kroatien in den nächsten zehn Jahren, bis zur eventuellen Fertigstellung des Kernkraftwerks, gezwungen sein, teure Energie zu importieren und CO2-Strafzahlungen zu leisten – obwohl wir die Lösungen bereits in unseren eigenen Ressourcen haben: Sonne und Wind“, warnt die OIEH-Chefin.
Heimische Rohstoffe nutzen
Doch auch nach der Fertigstellung eines Kernkraftwerks, wenn dieses überhaupt finanzierbar ist, wird Kroatien weiter auf Importe angewiesen sein, statt die heimischen – und kostenlosen – Rohstoffe zu nutzen, kritisiert der Verband. „Im Gegensatz zu Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken, deren Brennstoffe importiert werden müssen und deren Verfügbarkeit aufgrund globaler geopolitischer Veränderungen niemand garantieren kann, stehen Sonne und Wind Kroatien täglich und für immer zur Verfügung“, erklärt der Verband.
Heimatbewegung bindet sich an Importe
Ein Grund für die Unklarheit ist auch, dass die Regierungsparteien nicht an einem Strang ziehen. Während die HDZ die Entwicklung der heimischen Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen unterstützt, will der Koalitionspartner DP den Import von Strom und Rohstoffen weiterführen. „Ein solcher Ansatz macht Kroatien langfristig noch abhängiger von instabilen globalen Märkten. Wo bleibt da der ‚Energiepatriotismus‘, wenn wir auf unsere eigene Sonne und unseren eigenen Wind verzichten – zugunsten teurer und unsicherer Importe?“, fragen die Branchenvertreter.
Erstes Treffen in Brüssel
Die ganze Angelegenheit liegt inzwischen in Brüssel. Denn die OIEH hat vor wenigen Tagen einen Brandbrief an die EU-Kommission geschickt, in dem sie die Situation erklärt und Brüssel zum Handeln auffordert. Derweil gab es schon ein erstes Treffen mit Vertretern der Europäischen Kommission. Dabei wurde über die rechtlichen Möglichkeiten gesprochen, dieses Problem auf höchster Ebene zu lösen, da Kroatien mit seinem derzeitigen Vorgehen Projekte im Bereich erneuerbarer Energien faktisch gegenüber anderen Technologien diskriminiert – teilt OIEH mit.