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Urbane Energiewende

Bundestag regelt Mieterstromprojekte

Das war knapp. Das Parlament hat es gerade noch so geschafft. Das Mieterstromgesetz ist beschlossen und wird mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten. Das wird wahrscheinlich noch in diesem Monat passieren. Damit ist der Weg für eine Förderung von Solaranlagen frei, deren Strom Mieter in Wohngebäuden direkt verbrauchen. Ob die Förderung eine massive Umsetzung solcher Projekte auslöst, wird sich noch zeigen. Der Solarenergie-Förderverein (SEV) ist da eher Skeptisch. „Mit dem verabschiedeten Mieterstromgesetz hat die Bundesregierung wiederholt eine wichtige Chance zur Beschleunigung der Energiewende verpasst“, kritisiert Susanne Jung, Geschäftsführerin des SEV. „Die Höhe der Mieterstromvergütung ist zu gering und die EEG-Umlagepflicht auf Drittversorgung mit EE-Strom bleibt als wirtschaftliche und bürokratische Investitionsbremse vollumfänglich bestehen.“ Dass die Mieter weiterhin die volle EEG-Umlage bezahlen müssen, sieht sie als ungerecht und investitionshemmend an.

Förderung an EEG-Einspeisevergütung angelehnt

Mit dem Gesetz geht die Bundesregierung einen eigenen Weg zur Unterstützung des Baus von Solarstromanlagen für Mieter, als ihn der Bundesrat einst bei der Einigung auf die EEG-Novelle im vergangenen Jahr gefordert hatte. Denn dort war eine verringerte EEG-Umlage für Mieterstrom vorgesehen. Die Regierungschefs der Bundesländer hatten da eine Gleichsetzung mit dem gewerblichen Eigenverbrauch im Blick. Statt dessen unterstützt die Bundesregierung Mieterstromprojekte jetzt mit einer direkten Förderung. Wenn ein Vermieter oder der Betreiber einer Anlage auf einem Mehrfamilienhaus den Mietern den Solarstrom liefert, bekommt er die Einspeisevergütung, wie sie im EEG festgelegt ist. Da der Anlagenbetreiber zusätzlich den Erlös aus dem Verkauf des Stroms an die Mieter im Gebäude bekommt, werden von dieser Einspeisevergütung pauschal 8,5 Cent pro Kilowattstunde abgezogen.

Wohnungswirtschaft tut sich schwer

Damit ist die Unterstützung der Mieterstromprojekte an den gesamten Zubau der Photovoltaik in Deutschland gebunden. Sinkt die EEG-Vergütung, geht gleichzeitig auch die Förderung des Mieterstroms zurück. Hier ist sozusagen der Rückgang der Kosten für die Anlagen gleich mit eingepreist. Auch hier sieht Susanne Jung eine riesige Hürde für die Mieterstromprojekte. Denn die Degression stelle die zeitintensive Projektplanungsphasen bei Wohnungsbaugesellschaften und Gemeinschaftsanlagen vor kalkulatorische Probleme, weiß sie. „Das jetzt beschlossene Mieterstromgesetz ermöglicht einen wichtigen Schulterschluss zwischen der Energie- und Wohnungswirtschaft“, ergänzt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar). „Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung unserer Energieversorgung. Wohnungsbaugesellschaften werden nun hoffentlich vielerorts gemeinsam mit Stadtwerken auf Mieter zugehen und ihnen lokal erzeugten Solarstrom zu attraktiven Tarifen anbieten.“

Doch die Wohnungswirtschaft wird sich schwer tun, die Projekte allein umzusetzen. Hier wird die Energiewirtschaft einspringen müssen. Denn die flankierenden Regelungen, dass die Wohnungsunternehmen ihre steuerlichen Vorteile behalten, auch wenn sie Mieterstrom anbieten, stellen eine riesige Hürde dar. Hier werden die Versorger einspringen. „Zahlreiche Unternehmen haben in den letzten Jahren bereits Erfahrungen gesammelt, wie auch auf Mietwohngebäuden verbrauchsnah Solarstrom erzeugt werden kann“, betont Carsten Körnig. Diese Unternehmen übernehmen auch bei künftigen Projekten den Anlagenbetrieb und damit ist der Hauseigentümer aller Pflichten ledig. Zudem bleiben seine Steuervergünstigungen erhalten. „Wir werden intensiv daran arbeiten, trotz kleinerer Schwächen des Gesetzes Mieterstrom für die gesamte Immobilienwirtschaft und in allen Anwendungsfällen nutzbar zu machen und so in ganz Deutschland Mieter an der Energiewende teilhaben zu lassen“, verspricht Tim Meyer, Vorstand beim Düsseldorfer Ökoenergieanbieter Naturstrom. „Moderne Stadtwerke interessieren sich zunehmend für eine dezentrale und nachhaltige Energieversorgung von Wohnquartieren“, ergänzt Carsten Körnig vom BSW Solar. „Schon zum Zwecke einer langfristigen Kundenbindung werden sie Mietern jetzt vermehrt Solarenergie anbieten“, ist er sich sicher.

Deckel bleibt bei 500 Megawatt pro Jahr

Der Deckel für die Förderung liegt bei 500 Megawatt pro Jahr. Sollte mehr als diese Leistung an Mieterstromanlagen errichtet werden, wird die Förderung nach dem Monat eingestellt, in dem dieses Limit erreicht wurde. Dann bekommen alle anderen Mieterstromanlagen, die in diesem Jahr gebaut werden, keine Förderung mehr. Zudem dürfen die Generatoren die Leistung von 100 Kilowatt nicht übersteigen. Damit wäre der Bau von 5.000 Anlagen mit maximaler Größe pro Jahr möglich. Ob dieser Deckel überhaupt erreicht wird, wird sich noch zeigen. Schließlich gehen Experten mit Blick auf die bisher umgesetzten Projekte davon aus, dass die Anlagengröße bei einem Kilowatt pro zu versorgender Wohneinheit im Gebäude liegt. Um den Deckel zu erreichen, müssten jedes Jahr Mieterstromprojekte für 500.000 Wohnungen umgesetzt werden – ein Achtel des gesamten Potenzials für Mieterstrom.

Solarstrom kann an Nachbarn geliefert werden

Wie hoch der Anteil des im Gebäude genutzten Solarstroms sein muss, ist im Gesetz nicht festgelegt. Allerdings muss die Wohnfläche im Gebäude mindestens 40 Prozent betragen. Damit können zwar Gewerbeeinheiten in Mehrfamilienhäusern mit eingeschlossen werden, doch rein gewerbliche Mieterstromanlagen fördert der Bund nicht. Dafür lässt der Bundestag – entgegen der Intention der Bundesregierung – zu, dass der Solarstrom auch in Nachbargebäuden verbraucht wird, wenn er nicht durch ein öffentliches Netz fließt. Damit hat der Bundestag auf eine entsprechende Kritik der geladenen Experten in der Sitzung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie reagiert, in der das Mieterstromgesetz verhandelt wurde. Eine echte Quartierslösung ist das nicht, aber immerhin ein Ansatz, Wohnkomplexe mit einer einzigen Anlage beliefern zu können.

Mieterstrompreis wird begrenzt

Die Vermarktung des Mieterstroms erfolgt über ein Summenzählermodell und muss aufwändig abgerechnet werden. Welche Vorteil und Nachteile dieses Messkonzept im Vergleich zu anderen Konzepten hat, beschreiben die Experten vom Solar-Cluster Baden-Württemberg in ihrem aktuellen Leitfaden zum Mieterstrom. Damit können Wohnungsmieter relativ einfach und ohne physische Umbauten an der Kundenanlage in die Mieterstromversorgung einsteigen, aber auch genauso schnell wieder aus dieser aussteigen.

Der Betreiber der Anlage, der den Stromvertrag mit dem Kunden abschließt, ist auch für die Reststromlieferung zuständig. Dabei muss der Preis für den Mieterstrom, der sich aus dem Solar- und dem Netzstrom zusammensetzt, mindestens zehn Prozent niedriger liegen als der Preis des Grundversorgungstarifs in jeweiligen Netzgebiet. Das muss der Anlagenbetreiber aber nicht mehr detailliert in der Jahresendabrechnung für jede gelieferte Kilowattstunde nachweisen, wie es die Bundesregierung ursprünglich vorgesehen hatte. Diesen Passus im Energiewirtschaftsgesetz hat das Parlament ersatzlos gestrichen.

Dafür hat der Bundestag einen Mieterstrombericht in das Gesetz eingefügt, den die Bundesregierung nicht vorgesehen hatte. Demnach muss die Bundesnetzagentur jedes Jahr eine Auswertung vorlegen, wie sich das Gesetz auswirkt. Dabei muss sie detailliert auflisten, wie viele Mieterstromprojekte umgesetzt wurden. Dabei wird sie vor allem auch auf das räumliche Verhältnis von Erzeugungs- und Verbrauchsgebäuden und die Kosten der Mieterstromförderung eingehen müssen. (Sven Ullrich)