Eine „Masterstudie mit sehr enger Leistungsbeschreibung“ nannte der Geschäftsführer des Bundesverband Windenergie (BWE), Wolfram Axthelm, am Mittwoch in Husum die neue Analyse der Bundesregierung über die Energiewende. Auf einem kurzfristig einberufenen Polit-Info-Empfang am BWE-Messestand der Branchenschau Husum Wind erklärte Axthelm, warum das am Montag von Bundesenergieministerin Katherina Reiche vorgestellte sogenannte Energiewendemonitoring für die Energiewende hilfreich sein könnte. Das aus Berlin von den Instituten BET und ETI bestellte sogenannte Energiewendemonitoring sei eine „substanzielle Arbeit“. Sie bringe auf 260 Seiten auch für den Fortgang der Energiewende nutzbare Ergebnisse.
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Axthelm widersprach damit den von Energieministerin Reiche nun angedeuteten Einschränkungen für die Energiewende. Diese hatte nach der Präsentation des Monitorings zehn daraus von ihr abgeleitete mögliche Handlungsleitlinien für ihr Ministerium vorgelegt. Dieser Zehn-Punkte-Plan enthält mehrere die Energiewende bremsende Vorgaben, wie nicht zuletzt einen kurzfristig geringeren Ausbau der Erneuerbare-Energien-Anlagen.
Die von Reiche angedeutete neue energiepolitische Richtung der Bundesregierung sei durch das Monitoring-Ergebnis nicht gedeckt. Auch unter der Vorgabe durch eine „sehr enge Leistungsbeschreibung“, was sie untersuchten durften und was nicht, seien die beaufragten Institute nämlich „sachlich vorgegangen“, sagte Axthelm. Ihre Analyse lasse sich mit der Eröffnungsbilanz von Katherina Reiches Vorgänger Robert Habeck vergleichen. Der habe sich ein solches Monitoring einst als Grundlage für seine nachfolgende Energiewende-Förder-Gesetzgebung schreiben lassen, erinnerte der BWE-Chef.
Axthelm zog fünf Ergebnisse aus dem Energiewendemonitoring heraus, die den Energiewende-bremsenden Schlüssen der Ministerin widersprechen:
1. Das Monitoringpapier geht von einem Strombedarf von 600 bis 700 Terawattstunden (TWh) aus, mindestens 50 TWh geringer als die vorher angenommenen 750 TWh bundesweiten Stromverbrauchs. Aus diesem erwarteten Stromverbrauch ergaben sich die vom damaligen Minister Habeck eingeführten, jährlichen aktuellen Ausschreibungsvolumen zum Zubau neuer Windparks und Photovoltaikanlagen. Doch die Autoren hatten bei der Vorstellung der Monitoringergebnisse betont, dass sich die Politik nun sinnvollerweise eher am oberen Ende des geschätzten Verbrauchs orientieren müsse. Ihre Aussage steht damit gegen die Aussage der Ministerin. Diese hatte erklärt, sich am unteren Ende der Schätzung bei rund 600 TWh zu orientieren.
2. Eine im Energiewendemonitoring angemahnte Digitalisierung der Stromnetze sei weit mehr als der von Ministerin Reiche genannte Schluss, nun das Ausbringen der Smart Meter genannten intelligenten Stromzähler voranzubringen. Die Smart Meter sollen helfen, dass Haushalte oder Unternehmen die Nutzung ihrer Strom verbrauchenden Geräte auf Zeiten mit viel Stromerzeugung durch Windkraft und Photovoltaik (PV) konzentrieren. Das soll Erzeugung und Verbrauch zueinander ins Lot bringen.
3. Im Monitoring als Kostentreiber erwähnte „angespannte Lieferketten“ seien durch mehr Harmonisierung zwischen den Netzbetreibern zu entspannen. Der Netzausbau werde nicht zuletzt auch deshalb so teuer und verlangsame sich, weil 790 Netzbetreiber in Deutschland jeweils eigene technische Vorgaben für Netzanschlüsse zum Beispiel von Erneuerbare-Energien-Anlagen machen. Solche Vorgaben bis hin zur Farbe der Verbindungskabel verhinderten eine Standardisierung der Netztechnik und damit eine effektive Preissenkung durch die Netztechnik-Zulieferer. Diese Standardisierung sei aber die entscheidende Maßnahme, um den Netzausbau zu beschleunigen – und stehe dem umgekehrten Vorgehen der Ministerin entgegen, den Windpark und PV-Anlagen-Ausbau entsprechend dem verlangsamten Netzausbau zu reduzieren.
4. Das Szenario zeige, dass die Photovoltaik möglicherweise die Ausbauerwartungen nicht erfülle, was mehr Bedarf an Windkraftzubau erfordere, den die Ministerin aber nicht erwähne.
5. Für die im Monitoringbericht der beiden Institute angemahnte Flexibilisierung der Stromerzeugung durch den Zubau von Speichern oder Wasserstoffelektrolyseure unterlasse Reiche die entsprechende Handlungsempfehlung. Speicher und Elektrolyseure sollen bekanntlich eine Stromeinspeisung verstetigen und zugleich oder dennoch überschüssigen Ökostrom in Wasserstoff umwandeln. Der emissionsfreie Energieträger grüner Wasserstoff, der auch beim Einsatz als Treibstoff keine Treibhausgase freisetzt, kann in nicht elektrifizierten Energieverbrauchssektoren wie dem Autoverkehr oder Industrieprozesse fossile Brennstoffe als Treib- oder Prozessstoff ersetzen. Durch mehr Speicher und mehr Elektrolyseure steige aber wiederum der Strombedarf und damit der Bedarf am Erneuerbare-Energien-Ausbau.