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Oberflächentemperatur

Weltklimarat warnt: 1,5 Grad werden noch in diesem Jahrzehnt erreicht

Sturzfluten in West- und Mitteleuropa, verheerende Waldbrände in Nordamerika und in Südeuropa: Die Folgen des Klimawandels sind nicht mehr zu übersehen. Jetzt hat das Invergovernal Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen in seinem sechsten Sachstandsbericht klar gemacht, dass die Untätigkeit der vergangenen Jahre und Jahrzehnte Folgen haben. Denn die Erderwärmung geht schneller als bisher angenommen.

Nach aktuellen Berechnungen des IPCC wird die Oberflächentemperatur auf der Erde bei Fortschreibung der jetzigen Entwicklung noch in diesem Jahrzehnt die Marke von 1,5 Grad Celsius über dem Wert des vorindustriellen Zeitalters überschreiten. Die Extremwetterereignisse werden in ihrer Häufigkeit und Stärke weiter zunehmen mit entsprechenden Folgen für die Menschen und die Wirtschaft.

Drei Szenarien durchgerechnet

Die Forscher haben auf der Basis der Entwicklung der vergangenen Jahre einige Szenarien durchgerechnet. Zum einen haben sie berechnet, was passiert, wenn sich die Treibhausgasemissionen – dazu gehören neben CO2 unter anderem auch Methan, Stickoxide und Schwefeldioxid – verdoppeln. Zum anderen haben sie ausgerechnet, wie sich das Klima der Erde entwickelt, wenn die Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts auf dem gleichen Level bleiben. Ein drittes Szenario betrachtet die Entwicklung bei einer Absenkung der Emissionen bis 2050 auf Null. Das vierte Szenario berechnet die Entwicklung bei einer darauf folgenden negativen CO2-Bilanz.

2,1 bis 3,5 Grad Steigerung beim Weiter-so

Nur im letzten Fall wird die Oberflächentemperatur der Erde zwischen 2081 und 2100 etwa 1,5 Grad über der Temperatur der Jahre 1850 bis 1900 liegen. Wobei hier die Spanne, die die Temperaturen tatsächlich einnehmen können, zwischen knapp einem und 1,8 Grad liegt. Selbst wenn die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Null sinken, steigt die Oberflächentemperatur der Erde am Ende des Jahrhundert auf fast 1,9 Grad. Hier liegt die Spanne zwischen etwa 1,2 und fast 2,5 Grad. Wenn der gegenwärtige Treibhausgasausstoß beibehalten wird, erreicht die Oberflächentemperatur zwischen 2081 und 2100 bestenfalls einen Wert von 2,1 Grad. Schlimmstenfalls steigt sie sogar auf über 3,5 Grad. Eine Verdopplung der Emissionen würde einen Temperaturanstieg zwischen 3,3 und etwa 5,7 Grad bewirken.

Menschen Zeit zur Anpassung geben

Damit steht natürlich auch die Klima- und Energiepolitik der letzten Jahrzehnte in der Kritik. Der Umbau der Energieversorgung, des Verkehrs und der Ressourcennutzung muss schneller gehen als bisher, wobei inzwischen die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter 1,5 Grad immer unwahrscheinlicher wird. Das ist es, was Robert Habeck, Vorsitzender von B90/Grüne meint, wenn es im Gespräch mit Sandra Maischberger sagt, dass es nicht mehr darum gehe, die alte Klimazustände wieder herzustellen. Dafür sei es zu spät. Vielmehr gehe es darum, den Klimawandel so weit zu verlangsamen, dass die Menschheit in der Lage sei, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, erklärt Habeck.

IPCC muss eindringlicher warnen

Doch auch der IPCC kommt nicht ganz ohne Kritik weg. So wirft Hans-Josef Fell, Vorsitzender der Energy Watch Group, dem Klimarat vor, in den vergangenen Jahre zu zögerlich mit den Warnungen gewesen zu sein. „Seit Jahrzehnten hat zwar der Weltklimarat immer die Menschheit gewarnt, dass die Erderwärmung katastrophale Auswirkungen haben wird. Doch wie schnell die Krise voranschreitet und wie dramatisch die Lage ist und noch werden wird, hat der IPCC bislang nicht in aller Konsequenz prognostiziert“, erklärt Fell. „Erneut, wie schon früher von Bericht zu Bericht, hat er sich auch im heute vorgelegten ersten Teil des sechsten Sachstandsberichts erneut korrigieren müssen.“

Natürlich sieht auch Fell ein, dass sich die Wissenschaft weiterentwickelt und die Modelle immer genauer werden. Auch der Vorsitzende des IPCC Hoesung Lee erklärt die Korrektur unter anderem mit der Weiterentwicklung der Klimawissenschaften. Dies liefere aber auch einen wichtigen Beitrag zu den Klimaverhandlungen und zur Entscheidungsfindung.

Kurswechsel dringend notwendig

Denn diese ist jetzt viel wichtiger. „Als wichtigste wissenschaftliche Entscheidungsgrundlage für politische Entscheidungsträger ist der IPCC-Bericht eine deutliche Warnung, dass einschneidende Wendepunkte für das Klima bevorstehen. Dies ist unser letzter Weckruf. Es müssen jetzt dringend systemweite Maßnahmen ergriffen werden, wenn wir eine Chance haben wollen, die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen und die katastrophalen und unumkehrbaren Folgen des Klimawandels abzumildern“, erklärt deshalb Mirijam Wolfrum von CDP Europe, einer Organisation, die sich für die Offenlegung von Umweltdaten von Unternehmen, Städten, Staaten und Regionen einsetzt. „Auf der Klimakonferenz COP26 muss unbedingt ein Kurswechsel vorgenommen werden. Wir brauchen jetzt konkrete Maßnahmen und nicht nur Zusagen“, fordert sie zum Handeln auf. Das betreffe aber nicht nur Staaten, sondern auch die Unternehmen und Finanzinstitute, die den Klimaschutz endlich ernst nehmen müssen. „Wir sehen zwar eine enorme Dynamik bei den Netto-Null-Zusagen, doch müssen diese durch wissenschaftlich fundierte Zwischenziele im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel untermauert werden“, sagt Mirijam Wolfrum. „Die derzeitigen Ziele der Unternehmen bringen die europäische Wirtschaft auf einen 2,7-Grad-Pfad – die Firmen müssen sich schneller bewegen.“

Erneuerbare schneller ausbauen

Das Ziel: Spätestens 2050 muss die Menschheit klimaneutral werden. „Hierfür brauchen wir in der Klimapolitik dringend mehr Tempo“, betont Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. „Allem voran müssen wir jetzt die Fesseln beim Ausbau der erneuerbaren Energien lösen. Ohne grüne Energie gibt es keine Klimaneutralität. Wichtig ist daher, dass die neue Bundesregierung zentrale Entscheidungen im ersten halben Jahr nach Amtsantritt umsetzt, um die notwendige Dynamik auszulösen. Hierzu gehört, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, Flächen bereitzustellen, Repowering zu erleichtern und den Artenschutz vollziehbar zu machen.“ Auch sie fordert die Teilnehmer der Klimakonferenz in Glasgow im November dieses Jahres auf, entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Klimawandel ist hauptsächlich von Menschen gemacht

Schließlich ist jetzt die letzte Chance, die Erderwärmung auf ein Niveau zu begrenzen, das es der Menschheit ermöglicht, sich nicht selbst nicht die Lebensgrundlage abzugraben. Denn dass die Menschen selbst für den Klimawandel verantwortliche sind, daran lassen die Wissenschaftler des IPCC keinen Zweifel. „Es ist seit Jahrzehnten klar, dass sich das Klima der Erde verändert, und die Rolle des menschlichen Einflusses auf das Klimasystem ist unbestritten“, betont Valérie Masson-Delmotte, Vizechefin des Weltklimarates und Vorsitzende der Arbeitsgruppe 1 des IPCC, die sich unter anderem mit den physikalischen Grundlagen der Klimaentwicklung beschäftigt. Der neue Bericht zeige zwar auch, dass andere Einflüsse auf das Klima existieren. Doch der wissenschaftliche Fortschritte hilft nicht, die menschlichen von den anderen Einflüssen zu unterscheiden, sondern auch beim Verständnis der Rolle des Klimawandels bei der Intensivierung bestimmter Wetter- und Klimaereignisse wie extremer Hitzewellen und starker Regenfälle.

Menschliches Handeln kann Schlimmeres verhindern

Der Bericht zeige aber auch, dass menschliches Handeln immer noch das Potenzial hat, den künftigen Verlauf des Klimas zu bestimmen, betonen die Wissenschaftler des IPCC. „Es ist eindeutig erwiesen, dass Kohlendioxid die Hauptursache für den Klimawandel ist, auch wenn andere Treibhausgase und Luftschadstoffe das Klima ebenfalls beeinflussen. Die Stabilisierung des Klimas erfordert eine starke, rasche und nachhaltige Verringerung dieser Treibhausgasemissionen und das Erreichen von Netto-Null-CO2-Emissionen“, sagt Panmao Zhai, ebenfalls Vizechef und Mitglied der Arbeitsgruppe 1 des IPCC. „Die Begrenzung anderer Treibhausgase und Luftschadstoffe, insbesondere von Methan, könnte sowohl für die Gesundheit als auch für das Klima von Vorteil sein“, weiß er.

Den aktuellen Bericht finden Sie auf der Internetseite des IPCC. (su)

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