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Senvion

Vorbereitet auf neuen Offshore-Boom

Senvions Chief Executive Officer (CEO) Andreas Nauen  erwartet jährliche Wachstumsraten des Offshore-Geschäfts von 18 Prozent. Auch die mit eigenen Offshore-Installationen neu hinzukommenden Märkte USA, Indien oder China trügen in Zukunft zu diesem Geschäft bei, sagte er bei einer Vorveranstaltung der Windenergiemesse in Hamburg Ende Mai. Für das von ihm geführte Tochterunternehmen des indischen Windkraftkonzerns Suzlon hingegen nannte er vorerst eher bisher schon etablierte Märkte wie die Niederlande interessant – oder auch Belgien: Die Pläne von Deutschlands westlichem Nachbarland für Offshore-Projekte passten auf eine „relativ kleine Karte“, sagte er im Hinblick auf die geringe Größe Belgiens. Doch dafür seien die Vorhaben des Landes „dicht“ gesät. Wichtigste Märkte aber blieben Großbritannien, Dänemark und Deutschland.

Ausgerechnet das deutsche Meereswindkraftgeschäft allerdings bringt derzeit Senvion in die Schwierigkeit, die Offshore-Anlagenfertigung in Bremerhaven weiter auszulasten. Denn seit Mitte 2012 hatte der Pionierhersteller für Fünf-Megawatt-Seeanlagen keinen neuen Auftrag mehr erhalten– auch weil der Bestellmarkt für die deutsche Nordsee zum Erliegen gekommen ist. Nun ist in Bremerhaven Kurzarbeit angesagt, offiziell durch staatliche Hilfe des Landes Bremen ermöglicht.

Allerdings beschränkt Senvion die Kurzarbeit auf die Rotorblattfertigung für die Seewindanlagen – die Gondelmontagehalle in Bremerhaven lastet der Turbinenhersteller mit Aufträgen auch aus der üppigen Auftragspipeline bei Onshore-Windprojekten aus. Nachdem Senvion nämlich schon im Kalenderjahr 2013 einen Unternehmensrekord allein bei den deutschen Onshore-Installationen von 164 Windturbinen verzeichnete, meldete das Unternehmen im April gleich den nächsten: Im von Suzlon vorgegebenen Bilanzzeitraum des vergangenen Geschäftsjahres von April 2013 bis März 2014 installierte Senvion hierzulande schon 200 Windturbinen. Statt deshalb aber in den Onshore-Produktionen möglicherweise den Zwei- zum Dreischichtbetrieb auszubauen, versorgt Senvion die Belegschaft in Bremerhaven mit einem Teil dieser Mehraufträge. Doch auch im Flügelwerk steuert Senvion seit Juni nun mit der Produktion von Blättern auch für Windenergieanlagen an Land nach: Die Kurzarbeitslösung allein reiche für einen vernünftigen Fortbetrieb des Offshore-Flügelwerkes nicht aus, informierte Pressesprecherin Verena Puth ebenfalls Ende Mai bei einer Führung für Journalisten durch die Produktionsstätte in Bremerhaven. Deshalb übernimmt das Werk nun einige der Blattproduktionen, und verkürzen so die Auftragsmenge für die sonst von Senvion beauftragten Zulieferer.

Strategisch gute Starterposition

Dabei sieht sich die Führungsspitze der Hamburger erklärtermaßen auch für das weitere Offshore-Geschäft gut aufgestellt – und versucht, die erzwungene Produktionspause für den Ausbau einer strategisch guten Starterposition zu nutzen. Derzeit warten die Investoren weiterer Offshore-Windparks in Deutschland die Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ab. Im August könnte das novellierte EEG in Kraft treten, das für Offshore-Windkraft anders als bei Windenergie an Land nur leicht veränderte Vergütungshöhen vorsieht – sofern die Projekte vor 2017 genehmigt und vor 2021 ans Netz angeschlossen werden. Senvion errichtet inzwischen die Anlagen für den ersten vollkommerziellen Nordseewindpark in der eigenen Auftragspipeline: Mitte Mai legte eines der neuen Errichterschiffe von Kunde RWE in Bremerhaven ab, an Bord die Turbinensätze von fünf kompletten 6,15-MW-Anlagen, und begann mit der Installation der ersten Anlage im RWE-Windpark Nordsee Ost. Doch den Folgeauftrag Nordsee One stellte RWE einstweilen zurück: Der Energiekonzern wolle derartig große Offshore-Windprojekte wie das für 54 der 6,15-MW-Senvionanlagen konzipierte Nordsee One nur noch mit Partnern stemmen und suche noch nach solchen Mitinvestoren, sagte Senvion-CEO Andreas Nauen in Hamburg.

Senvion werde einstweilen die Anlagentechnik der bereits angekündigten neuen 6,2-MW-Plattform fortentwickeln und verfeinern, erklärte Nauen weiter. Außerdem bewerbe sich das Unternehmen schon um neue Projekte wie den in die Ausschreibung gestarteten dänischen Windpark Horns Rev III oder auch weitere deutsche, britische und US-amerikanische Projekte.

Wie der Offshore-Spezialist sich auch im Vergleich zum einzigen nicht unter einer langsameren Anlagenproduktion leidenden Konkurrenten Siemens wieder in eine gute Ausgangsposition manövrieren will, lässt sich in Bremerhaven begutachten. „Mit 108 seit 2008 im Meer vor Großbritannien, Belgien und Deutschland errichteten Windenergieanlagen sind wir die Marktführer bei der jetzt sich durchsetzenden Megawattklasse von fünf bis sechs MW“, sagt dort nun sinngemaß der Offshore-Spartenchef bei Senvion, Norbert Giese. „So viele sind errichtet und laufen“, betont er wörtlich. Kein anderes Unternehmen könne bei möglichen Investoren auf eine so große Betriebserfahrung in dieser Klasse verweisen, so sein Verkaufsargument. Und während Siemens mit der Fertigung der ersten eigenen 6,0-MW-Anlagen gerade erst begonnen hat – zwei der Prototypen mit 154 Meter Rotordurchmesser und ohne Getriebe drehen sich seit vergangenem Jahr vor der britischen Küste – hat Senvion die schon eingeplante nächste Produktionsserie der bisherigen 6,15-MW-Anlage aufgrund des Auftragsmangels zurückgestellt und konzentriert sich nun auf die Prototyp-Errichtung der neuen 6,2-MW-Turbine. Diese hat einen Rotordurchmesser von 152 Meter, was sie verglichen zum 6,15-MW-Modell mit 126-Meter-Rotor noch effizienter werden lässt. Den Prototyp will Senvion Ende des Jahres im Landkreis Cuxhaven errichten.

Komponententests in Vorprototypen der neuen Großrotoranlage

Bis dahin schon will Gieses Offshore-Sparte die Technik vortesten und für den kommenden Anlagentyp verschiedene Generatoren und Getriebe ausprobieren. Auf dem Vorplatz der Produktionshalle steht eine 330 Tonnen schwere Gondel, mit der Aufschrift 6.2M126. In Handewitt bei Flensburg werde zum Beispiel diese Spezialanfertigung mit vorerst noch einem 126-Meter-Rotor schon demnächst errichtet, um Vortests vorzunehmen, sagt Giese.

Auf demselben Vorplatz hatten eine Woche zuvor noch die komplett montierten Gondeln der Anlagen für Nordsee Ost gelagert. Sie waren binnen der vergangenen eineinhalb Jahre nach und nach aus der Produktionshalle gefahren worden und mussten - abgesichert durch einen Wartungsvertrag mit dem Kunden RWE - während der langen Stehzeit instand gehalten werden. Der Baustart des Offshore-Windparks hatte sich aufgrund von Verzögerungen beim Netzanschluss immer weiter verschoben. Mitte Mai nun transportierte sie ein Dienstleister von der Kaikante am Senvion-Werk in das unweit gelegene neue Weserterminal CT 1, das Kunde RWE gechartert hatte. Nur dieses ist groß genug für die Dimension der neuen Generation von Errichterschiffen mit 40 Meter Breite. „Wir brauchen auch hier eine größere Anlegestelle“, sagt Giese, ohne zu erklären, wann Senvion oder wohl eher Stadt Bremerhaven und Bundesland Bremen die Investition in einen solchen Kai-Ausbau vornehmen könnten. Von CT1 lässt RWE die Anlagen von nun an ins Windfeld Nordsee Ost abholen, wo Senvion erstmals die Einzelblattmontage anwendet. Mit dieser Installationstechnik erweitere sich das Wetterfenster, weil sich die Einzelblätter anders als ein am Boden schon vormontierter Rotor noch bei etwas auffrischendem Wind anbringen lassen. Nun könne Senvion schon binnen weniger als 25 Stunden eine einzelne 6-MW-Anlage in der küstenfernen schroffen Umgebung eines deutschen Nordseeprojekts installieren.

In der Halle findet sich zwischen zahlreichen Gondeln für die 3,2-MW-Binnenlandanlagen einstweilen nur ein nicht belegtes Feld, das auf die neue 6.2M152 hinweist. Die Bestimmung des Montageareals zeigt eine Beschriftung an. Nur der rückwärtige Teil des Gondelrahmens ist hier schon auf einer Montagevorrichtung aufgebockt.

Dort sind außerdem schon Bestandteile der Innovation zu erkennen, die 6,2M152 ausmachen soll: So stehen drei mal für zwei MW dimensionierte Umrichter bereit statt der bisherigen Fünf-MW-Konverter. Die Anlagen sollen noch weniger anfälliger für Komponentenausfälle sein, die auf See wegen der langen Anfahrt für Reparatureinsätze besonders kritisch sind. So kann bei einem Ausfall eines Umrichters die Anlage künftig weiterhin zwei Drittel ihrer Leistung liefern.

(Tilman Weber)