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Rückwirkende Abschöpfung von Strommarkterlösen scheinbar vom Tisch

Ein erster Entwurf der Strompreisbremse aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sah vor,  die jüngst angefallenen Erlöse oberhalb eines Referenzwerts abzuschöpfen. Mit diesem Geld sollen Haushalte und Unternehmen bei Gas- und Stromkosten entlastet werden. Mit diesem Geld sollen Haushalte und Unternehmen bei Gas- und Stromkosten entlastet werden. Der Referenzwert soll sich aus der EEG-Vergütungszusage („anzulegender Wert“) plus 3 ct pro Kilowattstunde berechnen.

Vertreter unterschiedlicher Bereiche der Regenerativbranche und Politik, etwa vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), warnen vor einem Markteinbruch bei erneuerbaren Energien in Deutschland für den Fall, dass die Bundesregierung auch rückwirkend Erlöse bei Regenerativanlagenbetreibern abschöpfen sollte. Glücklicherweise scheint dieser erste Entwurf nun schon wieder vom Tisch zu sein. Ein Arbeitspapier mit derartigen Überlegungen zu technologiespezifischen Erlösobergrenzen aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) war Ende vergangener Woche aufgetaucht. Das über die jüngsten EU-Beschlüsse zur Strompreisbremse noch deutlich hinausgehende Vorhaben bewegte sich gleichwohl weder in den Vorgaben der EU-Verordnung, noch in den Grenzen des Verfassungsrechts. Das ergab eine Prüfung durch die Berliner Wirtschaftskanzlei Raue im BSW-Auftrag.

Aus der Betreiberperspektive weist Walter Delabar, einer der Geschäftsführer des Betriebsführungsbüros REZ, darauf hin, dass in dem Arbeitspapier immer wieder die Rede ist von sogenannten Zufallsgewinnen. „Hier spielt weder Zufall eine Rolle noch handelt es sich um Gewinne“, stellt Delabar klar. „Es sind stattdessen Erlöse, die durch das von den Regierungen gewollte Preisbildungsverfahren entstehen (Merit Order) und die wohl u.a. durch Gaseinkäufe der Bundesregierung hochgetrieben wurden. Die hohen Erlöse haben also etwa was mit den Marktmechanismen zu tun, in die die Windparks gezwungen wurden. Zufall spielt lediglich beim Windangebot eine Rolle.“ Gewinne werden tatsächlich im Folgejahr versteuert, aber eben nur bis zu 45 Prozent. „Das scheint den Autoren des Papiers zu spät und zu wenig zu sein“, so Delabar. „Zufallsverluste“, also Einnahmen, die geringer ausfallen, weil das Windangebot deutlich geringer ist als erwartet, oder stark erhöhte Kosten werden dem gegenüber nicht kompensiert. „Das Wording zielt darauf ab, die hohen Zuflüsse der Gesellschaften abzuurteilen und für den Zugriff vorzubereiten“, kritisiert der Betriebsführer. Selbst zahlreiche Windpark-Betreiber oder Branchenakteure hätten ein schlechtes Gewissen und schauten nicht mehr genau hin, was es bedeuten würde, wenn das Papier so umgesetzt würde.

Zum Deckel selbst: Die Bundesregierung plant nach dem Papier die maximale Marktwertvergütung bei 10 Cent zu deckeln - statt 18 Cent, wie die EU-Kommission vorgibt. Das Merit Order Prinzip wird derweil nicht aufgegeben. „Der Deckel bei 10 Cent ist zwar sehr eng gefasst, gäbe aber bei neueren Windparks etwas Spielraum, Kosten die jetzt entstehen und die der Inflation zuzuschreiben sind, abzufangen (also vor allem indexierte Verträge), geringere Einspeisungen wie 2021 oder im dritten Quartal 2022 sind damit nicht abzufangen“, so Delabar. Misslich sei im Übrigen daran, dass die Direktvermarktungskosten sich nach dem Niveau des Marktwertes richten. Bei dynamisierten Verträgen zahle der Windpark die Kosten für vielleicht 25 Cent Marktwert, weil  die Direktvermarkter Ersatzleistung teuer einkaufen müssen und hohen Kostenrisiken haben, bekommt selber aber nur 10 Cent. „Bei Festvergütungen ist das Risiko des Direktvermarkters bereits eingepreist. Das heißt aber, dass Mehrkosten in jedem Fall entstehen.

Wünschenswert wäre auch, wenn alle Aktivitäten, die von der gewohnten Vermarktung abgewichen sind, also PPA, Festpreisvereinbarungen SWAP etc, nicht zur Disposition gestellt würden“, so Delabar. Bei ihnen sei das Kostenminderungsziel bereits umgesetzt, und die Windparks hätten die Chance auch höhere Kosten abzufangen.

Die Abschöpfung sollte laut ursprünglichem Plan ab dem 1.3.22 greifen. Damit wären ca. 50 Prozent der Zuflüsse seitdem abgezogen worden. Dass es in dieser Phase mindestens drei Monate gab, deren Windangebot unterdurchschnittlich war, wurde vernachlässigt, die Kompensation durch die hohen Marktwerte wäre also zunichte gemacht worden.

Auch Vertreter der Biogasbranche warnten sofort vor einem rückwirkenden Eingriff. „Das Ministerium übersieht hier klar, dass es zu massiven Kostensteigerungen nicht nur bei den Strompreisen, sondern auch bei den Vorprodukten und Instandhaltung gekommen ist. Dies trifft viele Erzeuger erneuerbarer Energien, insbesondere aber die Biogasproduktion. Dazu zählen nicht nur die Kosten für technische Komponenten und für Reparatur und Wartung. Auch die Preise für Kraftstoff, Düngemittel und landwirtschaftliche Rohstoffe seien gestiegen“, so der SPD Bundestagsabgeordnete und Energieexperte, Markus Hümpfer. BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig erklärte: „Derartige Eingriffe würden das Investitionsklima für marktgetriebene Solarkraftwerke nachhaltig vergiften. Sie drohen die Markteinführung der Photovoltaik um viele Jahre zurückzuwerfen. Um eine bezahlbare und unabhängige Energieversorgung zu erreichen sowie horrende Klimafolgekosten zu dämpfen, müssen wir den Solarenergieausbau vervielfachen und nicht ausbremsen.“

Glücklicherweise scheint die nachträgliche Abschöpfung jetzt also vom Tisch. Denn: Würde der Staat im Nachgang abschöpfen, wäre ein Großteil der Windparkgesellschaften von der Insolvenz bedroht. Einmal davon abgesehen: Rückwirkend in den Bestand einzugreifen, wurde bisher immer als rechtswidrig abgeschmettert. Aber dennoch hier ein Beispiel, damit klar wird, was solch ein rückwirkender Eingriff bedeutet hätte: bei einem Windpark mit 32 MW, die zum Jahresende mit einem Überschuss von ca. 160.000 Euro hätte dastehen können (wenn das Windangebot so kommt wie geplant, er hat zudem einen Festpreisdeal für 2022 und 2023 gemacht), und der keine Ausschüttung gemacht hat, weil er Verbindlichkeiten getilgt hat und Kostensteigerungen hat bewältigen müssen, steht jetzt mit einem Defizit von 500.000 Euro da. So oder ähnlich geht es vielen.

„Würde das ursprüngliche Papier so umgesetzt werden, wären alle Versuche, die Erneuerbaren beschleunigt auszubauen, für zerstört, da damit die Investitionssicherheit suspendiert und das Investment von vorneherein der Willkür der jeweiligen Regierung ausgesetzt wird“, so Delabar. „Gehen Windparks in großer Anzahl in Insolvenz, wird das die gesamte Branche erschüttern und nachhaltig schwächen, vom Betreiber, Investor über die Betriebsführer bis hin zu den Herstellern von Anlagen.“ (nw)