Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Udo Möhrstedt von IBC Solar: „Zahllose unsinnige bürokratische Hürden müssen verschwinden“

IBC Solar hat im Oktober 2021 die ersten Abschnitte des riesigen Solarparks Draisdorf-Eggenbach in Betrieb genommen. Mit welcher Entwicklung im Bereich Photovoltaikfreiflächenanlagen rechnen Sie in den nächsten Monaten?

Udo Möhrstedt: Der Bereich wird sich in zwei Richtungen entwickeln. Dort, wo sich ein eigenes Umspannwerk lohnt, werden zukünftig weiterhin größere Parks gebaut, überwiegend im Bereich 30 Megawatt und mehr. Hintergrund hierfür ist neben den zunehmenden artenschutzrechtlichen Auflagen im Bauleitverfahren auch die derzeitige Situation im Netzausbau, der in einigen Regionen keine größeren Parks ohne eigenes Umspannwerk zulässt. Gleichzeitig werden aber auch aufgrund des stetig wachsenden Interesses an Grünstrom seitens Gewerbe und Industrie kleinere Anlagen von zwei bis sechs Megawatt aufleben. Durch den hohen Wert des Solarstroms an der Börse sowie die hohen Vergütungen in Stromlieferverträgen – PPA – werden die kleinen Anlagen allein aus wirtschaftlicher Sicht wieder möglich.

In welchen Segmenten erwarten Sie ein starkes Wachstum?

In Bezug auf die Segmente werden aufgrund der politischen Entwicklung und der Strompreisentwicklung sowohl Freiflächen- als auch Aufdachanlagen stark an Zulauf gewinnen.

Die Anlage in Draisdorf-Eggenbach ist zu groß, um an Ausschreibungen teilzunehmen. Feste Stromlieferverträge (PPA) werden immer mehr zum Finanzierungsmodell. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in diesem Segment und welchen Anteil nehmen Solarparks mit PPA bei IBC Solar ein, im Vergleich zu Anlagen, die mit Einspeisevergütung oder Marktprämie gebaut werden?

Die neue Bundesregierung hat richtige Ziele für den Ausbau der Solarenergie gesetzt. Das ist durch einen Mix aus geförderten und ungeförderten Anlagen erreichbar. Deswegen müssen die Ausschreibungsvolumina erhöht, die Flächenkulisse verbessert, Genehmigungsprozesse beschleunigt werden und endlich alle Bundesländer und Kommunen mit konkreten Ausbauzielen mitmachen. Daneben werden wir ein immer stärker werdendes ungefördertes Segment im Markt sehen.

Das heißt: Mehr PPA?

Hinsichtlich PPA sehen wir, dass es an verschiedenen Stellen bereits zum Abschluss von entsprechenden Verträgen gekommen ist. Dabei handelt es sich meistens um große Firmen, die ihren eigenen Strombedarf nicht selber durch eine eigene Photovotlaikanlage decken können. Wir stehen hier selbst in Verhandlungen mit Interessenten. Für uns erscheint es aber wichtiger, dass Firmen selbst zu Prosumern werden, das heißt selbst den Strom erzeugen, den sie brauchen. Das kann am einfachsten dadurch geschehen, dass sie beispielsweise eine von uns gebaute Freiflächenanlage erwerben. Damit können sie bilanziell ihren Grünstromanteil ausweisen und letztlich erreichen, dass ihr ganzer Energiebedarf durch Grünstrom gedeckt wird. Übrigens verfolgen wir auch aus diesem Grund mit großem Interesse die Debatte um die Grünstromzertifikate.

Solarparks sind immer wieder in der Diskussion bezüglich der Akzeptanz. Sind die Projektierer von IBC Solar mit diesem Problem konfrontiert?

Die Solarenergie ist die beliebteste aller Erzeugungsformen. Deswegen ist der Widerstand etwas geringer als bei anderen Technologien. Aber natürlich müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger erhalten und stärken. Dafür muss man offen für die Anliegen der Bevölkerung sein. Das Abkommen zwischen BSW Solar und NABU geht genau in die richtige Richtung. Was wir aber auch brauchen, ist eine verantwortungsvolle Kommunalpolitik. Manche Bürgermeister meinen, dass die Sicherung einer klimagerechten Stromversorgung sie nichts angeht. Das ist ein Irrtum. Alle brauchen günstigen, sauberen Strom. Hier erwarten wir, dass die grundsätzliche Zustimmung in der Bevölkerung auch von der Kommunalpolitik ernst genommen wird. Das ist heute leider nicht überall der Fall.

Welche Konfliktlösungen haben Sie diesbezüglich entwickelt?

Information und Aufklärung sind sehr wichtig und darauf setzt auch IBC Solar. Veränderungen werden viel eher akzeptiert, wenn genaue Informationen über den Bau bereitgestellt werden, wenn es die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen und wenn Alternativen aufgezeigt werden, etwa die Abwanderung der Industrie oder hohe Strompreise und so weiter. Und auch die kommunale Beteiligung im Rahmen eines Kommunalsolarparks hilft. Unsere Erfahrung zeigt, dass Personen, die sich an einer Anlage vor ihrer Haustür beteiligen, auch ein großes Interesse daran haben, andere zu überzeugen. Im Rahmen der Projektentwicklung bringt das Konzept viele Vorteile mit sich.

Ein zweiter neuer Trend ist die Kombination von Solarparks mit großen Speichern. Hat IBC Solar solche Projekte schon umgesetzt oder ist an solchen Hybridsystemen beteiligt?

IBC Solar ist Speicherexperte und hat als Erster die Batteriespeicher in den Markt gebracht. Wir haben bereits Testanlagen mit Speichern in Verteilnetzen entwickelt. Deswegen befassen wir uns intensiv mit Hybridlösungen. Allerdings waren diese bisher durch die Politik der alten Bundesregierung nicht ausreichend unterstützt.

Aber die Lösungen haben riesige Vorteile – vor allem mit Blick auf die Kosten?

Aktuell handelt es sich hierbei noch um wenige Vorzeigeprojekte, die realisiert wurden, zum Teil bedingt durch die Ausschreibung der Bundesnetzagentur. Dabei liegt es in der Aufgabe der Verteilnetzbetreiber für einen Abtransport des Photovotlaik- beziehungsweise Windstromes zu sorgen. Leider kommen die meisten Verteilnetzbetreiber dem gesetzlichen Auftrag nicht nach. Deshalb glaubt man, in Hybridsystemen eine Lösung gefunden zu haben. Dies ist jedoch nur vordergründig der Fall. Eine systemdienliche Funktion des Speichers wäre nur dann möglich, wenn das Aus- und Einspeisen vergütet würde. Dazu müsste die Netzentgeltverordnung für Speicher als netzdienliche Komponente geöffnet werden, was bisher von der Politik verhindert wurde.

Welche Hürden sehen Sie beim Bau von hybriden Systemen?

Teilweise gehen die Konzepte an der Realität vorbei, teilweise wird gerade in südlichen Ländern der Solarstrom vollständig gebraucht, sodass es wenig sinnvoll wäre, hier mit Speichern zu arbeiten. Auch die hohen Kosten der Speicher und der zusätzliche Genehmigungsaufwand sind noch Hürden.

Wie können diese abgebaut werden?

Wir brauchen ein neues Marktdesign, dass Flexibilitäten bezihungsweise gesicherte Leistung honoriert. Die alte Bundesregierung hat viel zu lange am Energy-Only-Markt festgehalten, dem Speicher keine eigene Rolle zugewiesen und vieles andere verschlafen. Die Ampelkoalition muss dieses Thema sofort nach der Reparatur des EEG auf ihre Agenda setzen.

Wir haben eine neue Bundesregierung. Was erwarten Sie von dieser, um den Ausbau der Photovoltaik – sowohl auf der Freifläche als auch im Gewerbe – schneller voranzutreiben?

In 2022 müssten zwölf Gigawatt Photovoltaik gebaut werden, sechs als Dachanlagen und sechs als Solarparks. Dazu muss das Zubauziel deutlich erhöht werden, was die Regierung vorhat, aber ebenso die Vergütungen. Zudem müssen der atmende Deckel umgebaut, der Eigenverbrauch entkriminalisiert und die Ausschreibungsmengen erhöht werden. Es ist gut, dass die Mindestgrenze für Dachanlagenausschreibungen auf ein Megawatt heraufgesetzt wird. Aber es müssen eigene Ausschreibungen für Agri-, Floating- und Hybridanlagen sowie eine eigene Vergütungen für bauwerkintegrierte Photovoltaik geschaffen werden. Die mittlerweile zahllosen Deckel, wie etwa für das Anlagenzertifikat, die Smart Meter und die Direktvermarktung müssen vereinheitlicht und heraufgesetzt werden. Es müssen auch zahllose unsinnige bürokratische Hürden verschwinden. Wir brauchen Flächen, kürzere Genehmigungsverfahren und die Verpflichtung der Kommunen, mitzumachen. Und nicht zuletzt brauchen wir eine Fachkräfteinitiative und gesicherte Lieferketten. Es ist ein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel Photovoltaik trotz der irrsinnigen Bürokratie gebaut worden ist, aber es macht Mut, wenn man bedenkt, was für einen Beitrag die Photovoltaik zu einer sicheren, sauberen und günstigen Stromversorgung leisten kann, wenn man sie lässt.

Wollen Sie über die Energiewende auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie einfach den kostenlosen Newsletter von ERNEUERBARE ENERGIEN – dem größten verbandsunabhängigen Magazin für erneuerbare Energien in Deutschland!

Sie sprachen schon den Fachkräftemangel an, der zum Nadelöhr wird. Welche Folgen hat das derzeit?

Aktuell fehlen allein in Deutschland 400.000 Fachkräfte. Entsprechend macht der Fachkräftemangel leider auch vor den Erneuerbaren nicht Halt. Die Mission von IBC Solar ist es, unseren Kunden, den Fachpartnern und auch den Investoren, die Installation so einfach wie möglich zu machen. Dazu gehört ein in den einzelnen Komponenten aufeinander abgestimmtes Gesamtsystem, das bei Häusern neben der Photovoltaik auch einen Speicher und weitere Produkte, wie zum Beispiel ein Energiemanagement beinhaltet. Hierfür braucht es Fachkräfte, die leider aktuell bei uns und unseren Kunden Mangelware sind.

Mit welchen Strategien begegnen Sie dieser Herausforderung?

Seit Beginn setzt IBC Solar auf eine enge Partnerschaft mit seinen Fachpartnern und bietet entsprechende Servicedienstleistungen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Dadurch können wir weltweit auf ein großes Netzwerk an qualifizierten Fachpartnern zurückgreifen. Als Arbeitgeber machen wir zudem unseren Mitarbeitern ein umfangreiches Angebot. Darunter fallen flexible Arbeitszeiten, attraktive Arbeitsrahmenbedingungen und ein gutes Betriebsklima.

Die Fragen stellte Sven Ullrich.

Manuela Nissen von Baywa RE: „Bau von Hybridprojekten hängt von der Regulierung ab“

Paul Keurinck von Urbasolar: „Wir geben der versiegelten Fläche einen zweiten Nutzen“

Alexander Koffka von ABO Wind: „PPA werden künftig der Standard sein“