Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Stadtwerke-Forum

Stadtwerke im Strom der Energiewende

Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garest Duin gilt schon aus seiner Zeit als früherer niedersächsischer SPD-Vorsitzender als Mann der Wirtschaft. neue Marktdesign für die Vergütung der Stromerzeugung in Deutschland müsse so gestaltet sein, dass "für die Vielzahl der kleinen Stadtwerke nicht die Überlebensfähigkeit gefährdet ist", sagt der Mann auf dem Kongress Stadtwerke-Forum am Donnerstag in Düsseldorf. Sein Ministerium wolle genauso wie die übrige Landesregierung, dass die Investitionssicherheit gegeben sei. "Wir wollen, dass 300-Megawatt-Blöcke tatsächlich ans Netz gehen", betonte der manchmal von Umweltpolitikern als Kohlestrom-freundlich gebrandmarkte Politiker - wohl mit Verweis auf einige verlustreiche Investitionen von kommunalen Energieversorgern in Nordrhein-Westfalen der letzten Jahre. Diese hatten Kohle-, aber auch Gaskraftwerke errichtet, müssen nun aber ihren Strom auf der europäischen Strombörse verramschen. Dort sorgen das Überangebot an Kohlestrom und je nach Wetterlage manchmal flutartig anschwellende Strommengen aus Wind und Sonne für unrentable Schleuderpreise.

Duin wirbt für Lastenverteilung der Energiewende - und Zustimmung

Doch Duins Botschaft ist bis hierher nur eine Vorrede, um grundsätzliches Verständnis für die sozialdemokratische Klientel der Energieversorgungsbranche und ihre im Bundesland immer noch wichtige Beschäftigtengruppe zu zeigen. Denn auch der Wirtschaftsminister des Kohlelandes NRW möchte für die Energiewende sprechen. So leitet er mit einer kämpferischen Botschaft zu den Zumutungen für manche Stadtwerke über. Schon im vergangenen Jahr habe die Ministerpräsidentenkonferenz festgehalten, ein gemeinsames Vorgehen bei der Entwicklung des Marktdesigns zu beachten. Das verbiete dann etwa, dass der bayerische Ministerpräsident sich plötzlich wie es derzeit geschieht gegen den Ausbau der Fernleutungen für Hochspannungsgleichstrom aus Nordseewindparks im Alpenbundesland ausspreche. Damit würde er die Lasten nur den anderen Ländern überlassen.

Vielmehr müssten die Interessen der Länder in vielerlei Hinsicht gegeneinander ausgewogen werden: Nordrhein-Westfalen müsse den Netzausbau und die Beschleunigung der Energiewende hinnehmen, um den norddeutschen Bundesländern den Abtransport ihres Küstenwindstroms zu ermöglichen. Dafür müsse das neue Marktdesign aber beachten, dass in Nordrhein-Westfalen die Stadtwerke nicht gefährdet werden.

"Seit zwei Jahren hat sich die Debatte um die Energiewende versachlicht"

Er sei aber hoffnungsfroh, übte sich der Minister in Ermunterung der überwiegend seiner Klientel Energieversorger entstammenden Zuhörer. In den vergangenen zwei Jahren habe sich die Diskussion in Deutschland versachlicht und die langfristige Perspektive einer Energiewende bis 2050 in den Blick genommen. Dazu gehöre auch, dass Nordrhein-Westfalen seinen sehr niedrigen Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung noch deutlich auf über zehn Prozent erhöhen könne, dass die Kohleverstromer sich auf die jetzt vom sozialdemokratischen Bundesenergieminister Sigmar Gabriel ins Spiel gebrachte Kohlendioxidbremse für Kohlekraftwerke und die damit einhergehende Abschaltung erster Kraftwerke einließen. Aber es gehöre auch dazu, dass die gegen Kohlekraft eingestellten Politiker ihre Komplett-Gegnerschaft zur fossilen Stromerzeugung einstellten und nicht mit eigenen Forderungen über die von Gabriel vorgegebenen 22-Prozent-Emissionsminderung bis 2020 hinausgingen.

Schlechte Stimmung bei manchen Stadtwerken - Beispiel Duisburg

Wie schlecht tatsächlich die Stimmung mancher Stadtwerke ist, machte der Leiter für Public Affairs und Forschung der Duisburger Stadtwerke deutlich. "ich komme jetzt zu den Nachteilen der erneuerbaren Energien", betonte Jürgen Löwe von der Duisburger DVV. Zuvor hatte er gefühlt zwei Vorteile beschrieben. Diese Vorteile dürften aber in der Wahrnehmung des Publikums weitgehend untergegangen sein - hatte Löwe doch da schon immer zugleich die Kehrseiten dieser Vorteile ausführlich erklärt. Die Stadtwerke Duisburg werden 2014 laut ihm einen Acht-Millionen-Euro-Verlust einfahren - weil das neue Gas- und Dampf-Kraftwerk Duisburgs sowie ein Kohlekraftwerk sich bisher nicht rentieren. Beide sind in moderner Kraft-Wärme-Kopplungstechnik ausgeführt - laut den Berechnungen der DVV energieeffizient. Mit je 385 Megawatt (MW) Strom und Wärmeleistung sowie mit 28,9 Milliarden Kilowattstunden (kWh) gelieferten Stroms beziehungsweise 750 Milliarden kWh Fernwärme versorgt Duisburg die eigenen Einwohner rechnerisch vollständig selbst. Allerdings macht der Verkehrsbereich als Bestandteils des Konzerns stets Verluste - und die schwindenden Einnahmen aus dem Energiebereich reichen zu deren Ausgleich sowie zur immer noch vollzogenen Abgabe von Gewinnen auch an andere Anteilseigner der DVV nicht mehr aus.

Daher wollen die Duisburger Stadtwerke nun einen Vorstoß mit einem eigenen Kapazitätsmarktmodell riskieren. Ein Kapazitätsmarkt sieht vor, die Kohle- oder auch Gaskraftwerke alleine fürs Vorhalten ihrer Leistung zu bezahlen, auch wenn ihre Regelenergie zum Ausgleich in wind- und sonnenschwachen Phasen immer seltener gefragt ist. Kritiker des Kapazitätsmarktes fürchten, dass die Vergütung von nicht genutzten konventionellen Kapazitäten zu noch mehr Überangebot auf dem Strommarkt führen könnte. Das Duisburger Modell eines sogenannten differenzierten Kapazitätsmarktes sieht die Vergütung vorgehaltener Leistung vor, abgestuft nach bestimmten Kriterien. Diese sollen der Zunahme der Klimafreundlichkeit und somit letztlich der Energiewende dienen. Kraftwerke mit einer besonders flexiblen Regelbarkeit seien demnach in bestimmten Regelphasen zuerst zu vergüten, heißt es in dem Papaier. Falls dann diese Kapazitäten zur Absicherung nicht ausreichten, müssten in etwas verminderter Höhe auch Energieeffizienz, Luftreinhaltung und schliesslich Verbrauchernähe zu Kapazitätszahlungen führen. In erster Linie kämen dann Gas- und Dampfkraftwerke zum Zuge. Sie sieht der Duisburger Stadtwerke-Mann als noch deutlich günstiger bei den "CO2-VErmeidungskosten" als Windturbinen.

Leverkusen probt das intelligente Verteilnetz

Die Stadtwerke Leverkusen hingegen sehen sich nach einem Testlauf als eine komplett auf die Zuspeisung erneuerbarer Energien ins Niederspannungs- und Mittelspannungsortsnetz umstellende Akteurin an. Um die Leitungen und die Netze von Haus zu Haus und zwischen Stadtgebieten nicht zu überlasten sowie mit der immer richtigen Frequenz und Spannung zu beladen, fehlen bisher hierfür bundesweit die Monitoring-Instrumente. Die Leverkusener haben nach der Teilnahme an einem bundesweiten Modellversuch mit Hilfe einer damit verbundenen Förderung das Ortsnetz mit entsprechenden Sensoren und Steuerungsinstrumenten ausgerüstet. Das Phänomen führt anderswo bisher noch dazu, dass Windenergieanlagen beispielsweise oft gar nicht zum Einspeisen so genannter Blindleistung veranlasst werden. Diese Blindleistung reinigt beispielsweise Strom, wenn sich verschiebende Phasen der elektrischen Frequenzen durch das Einschalten von elektrischen Geräten gegeneinander verschoben haben - richtet die Sinuskurven also wieder aus. Außerdem soll die neue Steuerungshoheit der Leverkusener helfen noch mehr Solarstrom in die Ortsleitungen bringen zu können, deren Belastungsgrenze bisher aus Sicherheitsgründen oft zu niedrig angesetzt waren.

(Tilman Weber)