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Kommentar zur EEG-Reform 2016

Der Energiewende-Ende-Minister

Vom Energiewende- zum Energiewende-Ende-Minister: Die einstige Nachwuchshoffnung für alle Anhänger sozialdemokratischer Kanzler-Ambitionen ist natürlich viel zu klug, um diesen Wandel in seinem neuen Eckpunktepapier offen zu Tage treten zu lassen. Das mit Datum vom 8. Dezember versehene Konzept ist verständlich in fast literarischer Prosa geschrieben statt im Juristendeutsch rein formelhafter Parafierungen. Fast scheint es, als würden die von Gabriel beauftragten Autoren im Ministerium sich konstruktiv nur auf das beschränken, was im EEG 2014 schon beschlossen und daraus folgernd noch zu klären war: Beispielsweise Antworten auf die Fragen, die das im Juli vorgelegte Eckpunktepapier für die im EEG 2014 angekündigten Ausschreibungen aufgeworfen hatte.

Auf gerade mal elfeinviertel Seiten in der ersten Langversion hält Gabriels Behörde die Details für den Systemwechsel fest, der ab 2017 erstmals Ausschreibungen als Ausleseverfahren für alle neuen geförderten Erneuerbare-Energien-Projekte vorsieht.  Inzwischen präsentiert das Ministerium die Eckpunkte nur noch als Kurzversion auf sieben Seiten. Zum Vergleich: für das EEG 2014 waren es noch 13 volle Seiten. Außerdem enthält das Eckpunktepapier neue Detailregelungen für die ab 2016 relevanten Ausbaudeckel für Wind-, Solar- und Bioenergie.

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Sigmar Gabriel | Er durfte am Freitag gleich auf zwei Hochzeiten tanzen, was die EEG-Novelle inhaltlich nicht besser macht. Mit ihr verfehlt Sigmar Gabriel sein erklärtes Ziel um Längen. - © Deutscher Bundestag/Joachim Melde
Sigmar Gabriel | Er durfte am Freitag gleich auf zwei Hochzeiten tanzen, was die EEG-Novelle inhaltlich nicht besser macht. Mit ihr verfehlt Sigmar Gabriel sein erklärtes Ziel um Längen.

Dabei ist das Ministerium insbesondere der Windenergie wohl in einem Punkt entgegengekommen:  Die heftig kritisierte Idee für das sogenannte Referenzertragsmodell  als Basis für die Mindestvergütung ist vom Tisch. Hier hat Gabriel scheinbar die Branchen-Befürchtungen ernst genommen. Die Abstufung der Dauer für die erhöhte Anfangsvergütung im Verhältnis zu den Ertragserwartungen hat er verworfen. Zwar soll die Vergütungshöhe weiterhin davon abhängen, wie sehr die zu erwartenden Erträge eines neuen Standorts von der Erzeugung an einem durchschnittlich guten sogenannten 100-Prozent-Standort abweichen. Je geringer die Ertragserwartungen eines Standorts im Verhältnis zum 100-Prozent-Referenzertrag sind, desto höher soll die Förderung zum Ausgleich ausfallen dürfen. Allerdings hatten Kritiker hierzu moniert, die bisherigen Entwürfe aus dem Ministerium hätten dazu geführt, dass nur noch Standorte mit extrem niedrigen sowie besonders hohen Ertragserwartungen wirtschaftlich zu betreiben gewesen wären. Das Ministerium folgt nun dem Vorschlag, nur noch eine einstufige, über 20 Jahre lang für einen Windpark gleichbleibende Förderung einzuführen. Diese ist nicht zuletzt transparenter und enthält offensichtlich eine bessere Vergütungsanpassung auch für mittelgute küstennahe sowie lohnenswerte Schwachwindstandorte im Binnenland. An dieser Regelung übt der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) auch keine Kritik.

Der Dachverband der deutschen Regenerativbranche BEE aber zielt auf einen Punkt, den das Ministerium interessanterweise – ob zufällig oder nicht – erst auf der vorletzten Seite notiert. Dabei lässt das BMWI vermeintlich nur das ohnehin schon bekannte Energiekonzept der Bundesregierung einfließen: Bis 2025 soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf 40 bis 45 Prozent in der Stromversorgung wachsen. Bis 2050 auf 80 Prozent. Mit einer zunächst harmlos klingenden Formel soll das EEG diesen Ausbaupfad der Versorgung festschreiben: Für die regelmäßigen Anpassungen der EEG-Vergütung soll von der Zielmenge von 45 Prozent der Stromversorgung stets das jeweils aktuelle Produktionsvolumen der EEG-Anlagen abgezogen werden sowie das zu erwartende Erzeugungsvolumen der Biogas- und der Photovoltaikanlagen. Der übrig bleibende Rest soll dann anzeigen, wie viel Windkrafterzeugungsvolumen noch bis 2025 hinzukommen muss. Damit will das Ministerium angeblich der hohen Wichtigkeit der Windenergie Rechnung tragen: Wenn die Solar- und die Bioenergie nicht schnell genug ausgebaut werden können, soll die Windenergie sogar über den 2014 eingeführten jährlichem Ausbaudeckel von 2,6 Gigawatt (GW)  pro Jahr hinaus wachsen, behauptet das Ministerium fast wortwörtlich. Mit ergänzenden Formulierungen zu dieser neuen Formel bestärkt es zudem den Anschein, dass es die höchstmögliche Förderung ermöglichen will:  Der angestrebte Anteil des Grünstroms in der Stromversorgung soll mit 45 Prozent unbedingt voll ausgeschöpft werden. Vom anzurechnenden schon jetzt vorhandenen Erzeugungsvolumen soll vorsorglich abgezogen werden, was durch bis 2025 durch den Abbau von unrentablen Altanlagen an Erzeugungsmenge verloren gehen dürfte.

... verdeckte Kehrtwende dort

Tatsächlich aber hat der BEE den Betrug entdeckt – um den es sich in Wirklichkeit handelt. Denn vom anvisierten Erzeugungsvolumen von 45 Prozent war im EEG 2014 nicht die Rede. Es war auf Drängen der Länder nicht aufgenommen worden. Stattdessen hatte das Ministerium für die drei Haupt-Erneuerbaren-Disziplinen zur Stromerzeugung, nämlich Wind-, Solar- und Bioenergie, jeweils eigene Ausbaudeckel definiert. Für die Windkraft definiert das EEG 2014 einen Bereich von 2,4 bis 2,6 GW, für die Photovoltaik von 2,5 GW und die Bioenergie von 100 Megawatt. Die Einführung des Stromerzeugungsvolumens als nun sogar gesetzliche Zielmarke senkt diese Ausbaumargen allerdings de facto radikal ab. Denn schon im Jahr 2015 erreichen die EEG-Anlagen einen Grünstromanteil im Stromnetz von 33 Prozent. Nach dem Regierungsszenario für den 45-Prozent-Anteil im Jahr 2025 aber dürfte der Grünstromanteil erst 2019 bei 33 Prozent ankommen. Gabriels Eckpunktepapier öffnet damit zumindest Spekulationen die Tür, dass der Ausbau sehr kurzfristig noch viel mehr als 2014 vorgesehen abgebremst werden soll. Verstärkt wird dieser Eindruck noch von neuen Sätzen zum Bruttoausbau, der 2014 im EEG bewusst nicht erwähnt worden war: Jetzt soll eine Mindestausbaumenge beispielsweise der Windkraft von 2,0 GW zwischenzeitlich denkbar sein. Wohlgemerkt brutto, also ohne dass hierbei schon die wieder abgebauten Kapazitäten alter Windenergieanlagen zugunsten der Projektierer in Rechnung gestellt werden sollen wie in der Deckelregelung von 2014.

Gabriel beweist sich damit als Gaukler, der billige Zaubertricks nicht scheut. Sein Kniff besteht in der ganz langsamen aber stetigen Anpassung der Sprache an verdeckte Ziele. Denn schon bisher war das 45-Prozentziel der Bundesregierung bekannt. Auch die Ausbaudeckel dienten erklärtermaßen diesem Ziel. Doch galt bisher noch der eherne Grundsatz des Wettbewerbs, wonach sich gute Technologien und sich unter Konkurrenzdruck stetig optimierende Branchen letztlich doch durchsetzen könnten. Dafür beschleunigt das EEG 2014 bekanntlich die Vergütungsabsenkung für eine Branche umso schneller, je mehr diese über die Ausbaulimits hinausschießt. Den Rest sollte der Markt regeln.

Keine Maske mehr

Doch ausgerechnet diese letzte Maske, dass die Energiewende künftig der Wettbewerbsfreundlichkeit und damit auch niedrigeren Strompreisen für die Verbraucher dienen soll, lässt Gabriel nun fallen. Nur die Begrenzung auf 45 Prozent lässt er übrig.

(Tilman Weber)