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Energiewende

Verzögerung kostet viel Geld

Der Bundesverband für Solarwirtschaft (BSW Solar) fordert die Politik auf, die Energiewende schneller voranzutreiben. Das ist die Schlussfolgerung, die der Branchenverband aus den Ergebnissen der aktuellen Studien des Weltklimarates und des Potsdamer Instituts für Klimaforschung (PIK) zieht. „Die Politik muss jetzt handeln“, fordert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar. „Jede Verzögerung kann uns teuer zu stehen kommen. Eine zögerliche Klimapolitik könnte die Kosten zur Vermeidung des Klimawandels verdreifachen. Eine konsequente Energiewende hin zu erneuerbaren Energien ist unverzichtbar, um Klimakiller schneller aus dem Verkehr zu ziehen und ein Leben und Wirtschaften zu zivilisatorischen Bedingungen auf unserem Planeten zu sichern“, mahnt er.

Hitzewellen werden länger und zahlreicher

Der Weltklimarat hat in Stockholm die Ergebnisse der ersten Studie zum aktuellen Stand des Klimawandels und der wahrscheinlichen Entwicklung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts vorgestellt. Der Weltklimarat erwartet den Anstieg der Temperatur auf der Erdoberfläche in moderaten Szenarien um 1,5 Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts. In extremeren Szenarien könnte die Temperatur sogar um zwei Grad Celsius steigen. „Hitzewellen werden höchstwahrscheinlich immer öfter und länger auftreten“, warnt Thomas Stocker, Co-Vorsitzender des Weltklimarates. „Mit weiterer Erderwärmung erwarten wir für die feuchten Regionen mehr Regenfälle und die trockenen Regionen werden weniger Regen abbekommen, auch wenn es einige Abweichung von dieser Regel geben wird.“ Das PIK warnt daraufhin, dass der Klimaschutz mit fortschreitendem Klimawandel immer teurer wird. In einer Studie haben die Klimaforscher in der brandenburgischen Landeshauptstadt errechnet, dass sich die Kosten für den Klimaschutz verdreifachen werden, wenn die Politik erst im Jahr 2030 handelt. Dann würde sich das weltweite Wirtschaftswachstum im ersten Jahrzehnt nach Einführung einer umfassenden Klimapolitik um sieben Prozent verringern. Sollten sich die politisch Verantwortlichen schon im Jahr 2015 auf verbindliche Klimavereinbarungen einigen, würde das globale Wirtschaftswachstum im darauf folgenden Jahrzehnt um nur zwei Prozent sinken. Das sind die Kosten, die mit der Umsetzung der Vereinbarungen anfallen. Darin enthalten sind auch die Kosten für die Umsetzung der Energiewende. Das PIK errechnet, dass der Strompreis kurzfristig um 25 Prozent steigt, um die Energiewende konsequent umzusetzen. Das würde natürlich die Wirtschaft stark belasten. „Sollten sich Emissionsminderungen bis über 2030 hinaus verzögern, könnte sich nach deren Einführung das weltweite Energiepreisniveau kurzfristig um 80 Prozent erhöhen“, errechnen die vom PIK beauftragten Ökonomen. Das würde nicht nur die Wirtschaft viel stärker belasten. Solche Preisanstiege sind besonders relevant mit Blick auf die Belastungen armer Bevölkerungsschichten.

Ein Fehler im System

Bisher ist die Energiewende aber immer noch von sinkenden Börsenstrompreisen gekennzeichnet – zumindest für die Großabnehmer und die Industriebetriebe, die ihren Strom direkt an der Börse kaufen. Denn die Strompreise am Spotmarkt für diese Abnehmer sinken auch im September dieses Jahres weiter. Der Grundlaststrom kostete an der Strombörse im Monatsmittel 4,14 Cent pro Kilowattstunde Das ist ein Rückgang um 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im September 2012 mussten die Großabnehmer noch 4,47 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Das teilt das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster mit. Noch deutlicher fällt der Preisverfall an der Strombörse aus, wenn die ersten neuen Monate des Jahres als Bezugsgröße herangezogen werden. So mussten von Januar bis Ende September dieses Jahres die Großabnehmer und Industrieunternehmen für Grundlaststrom 3,79 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es noch 4,13 Cent pro Kilowattstunde. Das ist ein Rückgang um zwölf Prozent. Gegenüber 2011 fällt die Entlastung für die Großabnehmer mit 26,4 Prozent noch deutlicher aus. Der Preisverfall ist allerdings ein Konstruktionsfehler im EEG-Vermarktungsmechanismus“, betont Norbert Allnoch, Direktor des IWR. „Der führt dazu, dass die erneuerbaren Energien die Großhandelspreise immer weiter senken, die Verbraucher den steigenden Vorteil für die Großabnehmer aber über einen stetig höheren Strompreis bezahlen“, erklärt Allnoch. „Der derzeit planwirtschaftlich ausgerichtete Wälzungsmechanismus für den EEG-Ökostrom ist Dreh- und Angelpunkt für zahlreiche Probleme auf dem Strommarkt, etwa für eine steigende EEG-Umlage selbst ohne weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, die durchlaufenden Kohlekraftwerke oder die Rekordstromexporte.“

Energiepreise steigen ohnehin

Das Strommarktdesign spiegelt außerdem nicht wieder, dass derzeit die erneuerbaren Energien in der Investitionsphase sind. Je schneller diese abgeschlossen wird, desto billiger wird es für alle Beteiligten. „Die kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich ergäben, wenn sich der Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise weiter verzögert, sind vergleichbar mit den Kosten der gerade erlebten weltweiten Finanzkrise“, warnt Gunnar Luderer, Projektverantwortlicher am PIK für die Studie. „Je später klimapolitische Maßnahmen ergriffen werden, desto schneller – und teurer – müssten die Emissionen verringert werden, wenn die Staaten weltweit das international vereinbarte Ziel erreichen wollen, die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad über dem vorindustriellen Wert zu beschränken. Zum ersten Mal werden in unserer Studie die kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen des klimapolitischen Zauderns als Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels benannt. Ökonomen untersuchen meist, wie sich die Dinge langfristig entwickeln – Entscheidungsträger dagegen machen sich verständlicherweise Sorgen über die zusätzlichen Belastungen für Menschen und Unternehmen, für die sie im Augenblick verantwortlich sind. Höhere kurzfristige Kosten könnten Entscheidungsträger deshalb davon abhalten Umgestaltungsprozesse anzustoßen. So könnten die anfänglichen Kosten letztendlich relevanter als die Gesamtkosten sein.“

Ökologie und Ökonomie sind keine Konkurrenz

„Es gibt keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie“, schlussfolgert Carsten Körnig. „Im Gegenteil. Auch finanziell können wir es uns nicht leisten, die Energiewende weiter zu verzögern. Würden die Energiepreise die Folgekosten von Kohle- und Atomstrom konsequent abbilden, wäre Solarenergie längst wettbewerbsfähig. Der Bericht des Weltklimarats muss die Politik endlich zum Handeln bewegen: Sie muss den Emissionshandel reformieren, damit die Renaissance der schmutzigen Braunkohle schnellstmöglich beendet wird“, fordert der Hauptgeschäftsführer der BSW Solar. (Sven Ullrich)