Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Aufforderung an Peter Altmaier

Energiewende endlich durchrechnen!

Deutschland braucht keinen Aktionsplan Netzausbau und die Bürger auch keine warmen Worte des Wirtschaftsministers Altmaier auf seiner Sommertour. Die Bürger wollen Klarheit über den wirklich erforderlichen Ausbau des Stromnetzes. Und diese Klarheit wird von Politik und Wirtschaft seit Jahren verweigert. Die Energiewende muss endlich durchgerechnet werden. Das ist übrigens für Deutschland gar nicht so schwer:

Michael Berndt | Michael Berndt - © Piratenpartei Deutschland
Michael Berndt | Michael Berndt

1. Wir kennen die technischen Energieeinsparpotentiale von Industrie und privaten Haushalten. Wir können den zusätzlichen Strombedarf durch die Elektromobilität berechnen und wir können den Strombedarf durch eine zukünftige auch strombasierte Wärmeversorgung abschätzen. Da die Stadtwerke und anderen Strom- und Wärmeversorgungsunternehmen den heutigen Verbrauch überall in Deutschland kennen, kann damit auch der zukünftige lokale und regionale Bedarf abgeschätzt werden.

2. In jeder Kommune kann analysiert werden, wie viele Flächen für die Erzeugung erneuerbaren Stromes zur Verfügung stehen:
- Wie viele Dach- und Fassadenflächen und andere versiegelte oder landwirtschaftlich nicht nutzbare Flächen für die Photovoltaik und Solarthermie genutzt werden können.
- Welche Flächen einvernehmlich mit den Bürgern für die Windkraftstromerzeugung genutzt werden können.
- Welche anderen erneuerbaren Technologien wie zum Beispiel die Biomasse- oder Laufwassernutzung lokal ergänzend zur Verfügung stehen.
Damit kann in Deutschland flächendeckend die Strom- und Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien abgebildet werden. Und erst dann ergibt sich ebenfalls, in welchem Umfang der Aufbau von Offshore-Windparks erforderlich ist.

3. Unter Berücksichtigung weiterer zukünftiger Haus-, Quartiers- und industrieller Stromspeicher kann damit auf der Nieder-, Mittel- und Hochspannungsebene unter Berücksichtigung der täglichen und saisonalen Lastprofile der Stromübertragungsbedarf über die Stromnetze abgeschätzt werden. Damit kann auch unter wirtschaftlichen Aspekten entschiedenen werden, welcher Aufbau von zusätzlichen Speicherkapazitäten und welcher zusätzliche Stromnetzausbau erforderlich ist. Auch der Bedarf an synthetischem Gas als saisonaler Speicher im Erdgasnetz für die Stromerzeugung in den sogenannten „Dunkelflauten“ und die erforderliche Generatorleistung von Gaskraftwerken in solchen Phasen ist dann erkennbar.

Nach einer so durchgerechneten Energiewende
- hat die Industrie endlich eine ausreichende Planungssicherheit für den erforderlichen Stromnetzausbau,
- kann der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Aufbau von Speicherkapazitäten gezielt und ohne Verzögerung mit der Schaffung hunderttausender neuer Arbeitsplätze vorangetrieben werden,
- werden die Bürger auch einen Stromnetzausbau vor der eigenen Haustür akzeptieren.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, umgehend ein solches Projekt zu finanzieren! Wenn die Bundesregierung den Aufbau einer einzelnen Wasserstoff-Tankstelle des Ölkonzerns Total im Jahr 2017 in Rostock mit 700.000 Euro fördert, sollten sich doch 500.000 Euro für die Finanzierung eines solchen Projektes schnell finden lassen.

GASTAUTOR:
Michael Bernd, energiepolitischer Sprecher, Piratenpartei Deutschland

Das große Foto ist gemäß (CC BY-SA 2.0) freigegeben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite auch eine Ergänzung durch unsere Redaktion mit interessanten Erklärungen zu Altmaiers Netzausbaureise!

Ergänzung der Redaktion zu Altmaiers Netzausbaureise

Ein eher bizarres Ende fand nach drei Tagen offenbar die via Nachrichtendienst Twitter unter #Netzejetzt promotete Netzausbaureise, als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den vom Jobabbau betroffenen Mitarbeitern von Turbinenbauer Enercon eine Unterstützung zusagte. Genauer: Altmaier hatte sich am Donnerstag mit Gewerkschaftern der IG Metall sowie Enercon-Betriebsratsvertretern in Emden getroffen und sich dabei von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies begleiten lassen. Thema sollten die von Enercon angekündigten Entlassungen von rund 800 Mitarbeitern in Deutschland sein. Der ostfriesische Turbinenbauer macht dafür wegbrechende Aufträge infolge der Verunsicherung des Windenergiemarktes in Deutschland verantwortlich. Enercons Management war ebenfalls eingeladen, jedoch dem Treffen ferngeblieben. Schon tags zuvor hatte Enercon eine fast identische Sondierungsrunde von Gewerkschaftern und Betriebsräten im niedersächsischen Wirtschaftsmininsterium gemieden. Nach dem Treffen in Emden versprach Altmaier den Enercon-Mitarbeitern vage eine Unterstützung für Lösungen beim Jobabbau.

Es müssten sozialverträgliche Lösungen gefunden werden, ließ er sich zitieren. Die Branche müsse aber ihre Chancen mehr als bisher außerhalb Deutschlands auf den Weltmärkten suchen, damit die Arbeitnehmer eine Zukunftsperspektive erhielten. Altmaier sprach sich für einen Strukturwandel der Windbranche aus, der für alle leistbar sein müsse. Bemerkenswert: Wenig konkret äußerte er sich offenbar zu den geplanten Sonderausschreibungen von zusätzlichen Vergütungsrechten für Windparks mit 4.000 Megawatt. Diese hatte die im März neu angetretene Koalition der Bundesregierung von CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Altmaier habe bestätigt, dass die Sonderausschreibungen noch für 2019 und 2020 kommen würden, berichteten die Arbeitnehmervertreter nach dem Treffen. Dies aber beschreibt nur den bisher schon bekannten Sachstand. Unklar bleiben somit hingegen noch, in welchem Monat Altmaier einen konkreten Gesetzesvorschlag bringen wird und die Sonderausschreibungen verabschiedet werden können. Ebenso unklar bleibt, ob die Sonderausschreibungen nur in Verbindung mit für die Windkraftbranche problematischen Einschränkungen wie etwa einem Verlust des Einspeisevorrangs für die Windverstromung erfolgen sollen. Einige in der CDU fordern derzeit genau dieses Ende des Einspeisevorrangs.

Anders als erwartet hatte Altmaier den entsprechenden Antrag nicht mehr vor der Sommerpause ins Parlament eingebracht. Stattdessen hatte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann am Mittwoch die Bundesregierung anlässlich des bevorstehenden Stellenabbaus bei Enercon aufgefordert, die Sonderausschreibungen zur Unterstützung der Windkraftindustrie schnell zu verabschieden. Die Windkraftbranche leidet derzeit an den Folgen auch anderer gesetzlicher Unklarheiten nach der Einführung eines Ausschreibungssystems im vergangenen Jahr. Das neuartige Versteigern der Vergütungsrechte hatte hohen Preisdruck aufgebaut. Außerdem stellten Projektierer der Branche in Reaktion auf eine inzwischen wieder abgeschaffte unklare Sonderregel im Ausschreibungsgesetz die Planung neuer Windparks zunächst fast ein.

Altmaiers Verweis auf den Strukturwandel in der Windbranche muss aber verwirren: Gemäß Koalitionsvertrag hatte die Regierung noch vor der Sommerpause eine Kommission eingerichtet, in der Experten einen ganz anderen Strukturwandel untersuchen - nämlich den durch den geplanten Ausstieg aus der Kohlekraft für die Kohle-Branche. Die Kommission soll helfen, die Auswirkungen auf Beschäftigte und betroffene Regionen abzumildern. Weil der Kohleausstieg mit einem verstärkten Ausbau von Windenergie- und Solarenergie einhergehen muss, war von einem neuerlichen Strukturwandel der Windkraft-Industrie gar keine Rede. Es darf also gefragt werden: Ändert Altmaier hier womöglich gerade schon wieder die Sprachregelung und damit auch die energiepolitische Linie der Bundesregierung?

(Tilman Weber)