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Strommarktdesign: Importe sind nicht nötig

„Neues Strommarktdesign für die Integration fluktuierender Erneuerbarer Energien“ – so der Titel einer Studie von Fraunhofer Institute für Energiewirtschaft und Netzbetrieb (IEE) und Solare Energiesysteme (ISE), beauftragt durch den Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) und seine Fach- und Landesverbänden sowie 70 weiteren Unterstützer. Matthias Stark, Leiter Erneuerbare Energiesysteme des BEE, stellte die Studie nun vor, die Vorschläge für ein Strommarktdesign auf der Basis erneuerbarer Energien umfasst und auf Aspekte der Versorgungssicherheit sowie der Finanzierung der Systemkosten des Energiesystems eingeht – alle juristisch geprüft durch die Kanzlei Becker Büttner Held. Zunächst stellte BEE-Präsidentin Simone Peter bei der Vorstellung der Studie klar: „Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Das bedeutet einen erheblichen Zubau an Windenergie und Photovoltaik.“ Zudem werde der Strombedarf massiv ansteigen. Die neue Regierung erwarte 750 Terawattstunden bis dahin. Laut BEE sei 2050 ein Leistungsbedarf bei den Erneuerbaren von rund 730 Gigawatt zu erwarten.  

„Die Studie modelliert die komplexen Zusammenhänge zwischen sehr hohen Wind- und PV-Leistungen, Investitionen in Flexibilitätsoptionen, Strompreisbildung und Stromnetzen. Dafür war eine permanente Rückspiegelung mit den verschiedenen Experten in den beteiligten Instituten sowie über zahlreiche Workshops mit dem BEE und der Erneuerbaren-Branche essenziell“, so Norman Gerhardt, Gruppenleiter Energiewirtschaft und Systemanalyse, Fraunhofer IEE. Sie bewerte, wie die Herausforderungen der im Koalitionsvertrag geforderten extrem hohen Ausbaudynamik erneuerbarer Energien gelöst werden können und adressiert dabei besonders die Punkte Marktdesign und Zielstromnetz.

Die Ausgangsüberlegung der Studie ist nicht neu, nur die Anforderungen steigen im Lauf der Jahre: Die neue Bundesregierung will im Jahr 2030 einen Anteil an Erneuerbaren am Bruttostrombedarf von 80 Prozent haben. Das heißt: ein seit jeher auf fossile Energieträger ausgerichtetes System soll auf volatile Quellen wie Sonne und Wind umgestellt werden. Bisher fehlt eine betriebswirtschaftliche Grundlage für die Erneuerbaren und damit die Basis für deren weiteren Ausbau. Als Hebel müssen nun dringend Anreize für eine Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage geschaffen werden.

In der Studie wurden  volks- und betriebswirtschaftliche Aspekte für den Betrieb Erneuerbarer betrachtet sowie Flexibilitätsoptionen im Verbraucher-, Speicher- und Erzeugerbereich. Interessanterweise kommen die Autoren hier zu dem Schluss,  dass die Energiewende im Stromsektor überwiegend durch Nutzung der regionalen Wertschöpfungspotenziale organisiert werden kann – anders als etwa die Langfristszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Denn diese gehen von einem massiven Importbedarf unter anderem auf Basis von Wasserstoff aus. Laut BEE sei ein großer Importanteil – inklusive der dazugehörigen Abhängigkeit und inklusive eines teuren, umfangreichen Ausbaus der Interkonnektoren zwischen Deutschland und anderen Ländern – nicht nötig.  

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Einige wichtige Ergebnisse der Untersuchung:

Der heutige regulatorische Rahmen im Strommarkt verhindert demnach aufgrund fehlender ökonomischer Grundlage den klimapolitisch notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien. Während bisherige Studien bei der Betrachtung der Transformation des Energiesektors im Wesentlichen auf den volkswirtschaftlichen Rahmen für den EE-Ausbau fokussieren, betrachtet die BEE-Studie auch die Sicherstellung des betriebswirtschaftlichen Rahmens. Der Energiemarkt funktioniert nur, wenn er sich für alle Marktakteure lohnen. Die Kosten der Stromproduktion müssen daher durch die Erlöse gedeckt werden. Strom darf kein Luxusgut werden. Zwischen 2018 und 2020 sind laut Matthias Stark die negativen Strompreise um 100 Prozent gestiegen. Um negative Strompreise zu vermeiden, müssen ausreichend Flexibilitäten vorhanden sein. damit das gelingt, müssen sie sich rechnen. Die Versorgungssicherheit muss zudem immer gewährleistet sein, auch dafür stehen die Flexibilitäten, die ausreichend ausgebaut werden müssen.

Außerdem: Ein vorgezogener Kohleausstieg auf das Jahr 2030 ist möglich. Über Bioenergie, KWK-Anlagen und Speicher kann laut der BEE-Studie ausreichend steuerbare Leistung für die Versorgungssicherheit bereitgestellt werden, bei gleichzeitig sehr geringerem Zubau an H2-Gaskraftwerksleistung. Je nachdem, was man will, sehen die Studien hier unterschiedlich aus. Will man unbedingt importierten Wasserstoff als Flexiblität und damit eine hohe Importabhängigkeit  – wie das BMWi mit seiner Langzeitstudie, dann wäre ein EE-Ausbau in Deutschland nur begrenzt nötig. Hoher Stromnettoimport wären stattdessen nötig einhergehend mit überdurchschnittlichem Netzausbau zum Ausland (Grenzkuppelstellen) und geringem wirtschaftlicher Rahmen für Flexibilitäten in Deutschland.

Will man wie der BEE die Klimaziele über interne Pfade erreiche, muss der EE-Ausbau in Deutschland hoch sein. Der Netzausbau findet dann stärker im Inland statt. Es gibt eher Stromnettoexport und es gibt einen großen wirtschaftlichen Rahmen für Flexibilitäten in Deutschland. So hätte man eine Reduktion der Importabhängigkeit, hohes heimisches Wirtschaftspotenzial, großen Bedarf an Flexibilitäten in Deutschland (Elektrolyseure, Speicher, PtH, usw.). Für das regionale BEE-Szenario sind deutlich mehr Erneuerbaren nötig.  Rund 214 GW mehr. Dafür geringere Grenzkuppelstellen, etwa -54 GW. Und deutlich mehr Elektrolyseure, 62 GW mehr, sind hierzulande nötig. Der Netzausbau ist in ähnlicher Größenordnung wie das BMWI Langfristszenario TN Strom.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass bis zu 100 GW Elektrolyse-Leistung hierzulande finanziell lohnend und mit hoher regionaler Wertschöpfung aufgebaut werden könnten, so dass ein Import von grünem Wasserstoff zur direkten Nutzung für die Umsetzung der Energiewende in Deutschland nicht zwingend notwendig sei.

Wichtig: Die aktuell festgelegte Förderdauer von 20 Jahren sollte laut Fraunhofer-Autoren in eine Mengenförderung überführt werden, um den erneuerbaren Energien zu ermöglichen, selbst auf Strompreise zu reagieren. Das sichere den wirtschaftlichen Betrieb der Regenerativ-Anlagen und stabilisiere den Strommarkt.

Mit wachsender Sektorenkopplung und der Schaffung ausreichender Flexibilitätsoptionen im Energiesystem seien die Erneuerbaren ab 2040 marktfähig. Sinnvolle Einsparungen im Netzbetrieb seien zu erreichen, wenn der Fokus auf der dezentralen, verbrauchsnahen Stromerzeugung aus Erneuerbaren und einer erzeugungsnahen Wasserstoffproduktion aus volatilen erneuerbaren Energien liegt.

Die Homepage zur Strommarktstudie sowie die Lang- und Kurzfassung der Studie finden Sie hier.