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3 Voraussetzungen: Nur so erreichen wir das 1,5-Grad-Ziel

„Wir sind mit diesem Koalitionsvertrag auf dem 1,5-Grad-Pfad“, versprach Robert Habeck, seit Dezember 2021 Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, zum Start des „Ampel“-Bündnisses. Diese Aussage beruht aber auf drei impliziten Annahmen, wie eine Studie unter Führung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) zeigt.

Ausgangspunkt ist der bereits im Juni 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebene und im Koalitionsvertrag bestätigte Zeitpfad hin zu Treibhausgasneutralität 2045. Das Forschungsteam leitet aus diesem Pfad die noch erwarteten deutschen CO2-Gesamtemissionen ab – um sie dann in den Kontext des 1,5-Grad-Ziels zu stellen. Als Vergleichsgröße dient das globale CO2-Restbudget, das der Weltklimarat IPCC auf Basis des nahezu linearen Zusammenhangs zwischen aufsummierten globalen CO2-Emissionen und Temperaturanstieg beziffert.

1. Voraussetzung: Die Mengenziele des Klimaschutzgesetzes werden umgesetzt

Laut der Studie ist die erste implizite Annahme hinter dem Satz „wir sind auf dem 1,5-Grad-Pfad“, dass die Mengenziele des Klimaschutzgesetzes tatsächlich umgesetzt werden – sowohl im Hinblick auf die Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes als auch im Hinblick auf zusätzliche CO2-Entnahme durch Wälder und Böden.

In diesem Fall betragen die noch erwarteten deutschen Gesamtemissionen 6,4 Milliarden Tonnen CO2 bis 2045, so das MCC. Im längeren Zeitraum bis 2050 sind es „nur“ 6,2 Milliarden Tonnen – weil Deutschland ja ab 2045 das umfassende Ziel der Treibhausgasneutralität einhalten will und deshalb nicht oder nur sehr schwer vermeidbare Nicht-CO2-Emissionen (vor allem Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft) durch Entnahme von CO2 ausgleichen muss.

2. Voraussetzung: Das globale Restbudget wird fair aufgeteilt

Die zweite implizite Annahme bezieht sich auf die Vorstellung von einer fairen Aufteilung des globalen CO2-Restbudgets, gerechnet ab der Ratifikation des Paris-Abkommens, schreiben die Autoren der MCC-Studie. Wenn man wie häufig vorgeschlagen eine Aufteilung nach Bevölkerung unterstelle, dann rücke als Benchmark zunächst die Zahl von 6 Milliarden Tonnen in den Blick: So viel deutsche Emissionen wären dann noch kompatibel mit 1,75 Grad Erderhitzung, mit der üblicherweise als Maßstab gewählten Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit. Damit das 1,5-Grad-Ziel erreicht wird, und auch nur mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit, dürften es aber nur noch 3 Milliarden Tonnen sein.

Gleichzeitig ist die Aufteilung nach Bevölkerung angesichts der hohen Verantwortung der Industrienationen für die jetzige Situation politisch höchst umstritten. Das Budget für Deutschland könnte bei einer anderen Zuordnung noch kleiner ausfallen.

3. Voraussetzung: Es müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden

Deshalb müssen – das ist die dritte implizite Annahme – weitere, über die bisherigen Klimaziele hinausgehende Maßnahmen greifen: „Hier sind zwei Ankündigungen des Koalitionsvertrags relevant“, erklärt Oliver Geden, Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Leitautor im neuen Sachstandsbericht des IPCC und Co-Autor der Studie. „Zum einen bekennt sich die Ampel zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen, also möglicherweise Luftfilter-Systemen oder Biomasse-Kraftwerken mit Abscheiden und Speichern von CO2. Zum anderen verspricht sie aktive Klimaaußenpolitik und Klimafinanzierung für den globalen Süden.“ Wenn sie das 1,5-Grad-Ziel als Benchmark ihres Handelns definiere, müsse sie glaubwürdig und messbar darlegen, was sie zusätzlich auf internationaler Ebene leisten will.

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„Der 1,5-Grad-Pfad für Deutschland ist bislang noch eine Gleichung mit vielen Unbekannten“, betont Brigitte Knopf, Generalsekretärin des MCC und Leitautorin der Studie. „Die Klimaziele sind noch nicht ausreichend mit Maßnahmen unterlegt. Zudem muss die Bundesregierung noch präziser definieren, woran sie sich messen lassen will: an welchem Zeithorizont, welchen Annahmen über CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und vor allem an welcher Vorstellung von einer fairen Aufteilung des globalen CO2-Restbudgets.“ (kw)

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