Deutschland hinkt beim Einbau intelligenter Stromzähler weiter hinterher. Laut der aktuellen Auswertung der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Stichtag 30. Juni 2025 liegt die bundesweite Quote bei den sogenannten Pflichteinbaufällen – also Haushalten mit einem Jahresverbrauch zwischen 6.000 und 100.000 kWh oder steuerbaren Verbrauchseinrichtungen nach § 14a EnWG – bei gerade einmal 16,4 Prozent. Das gesetzliche Ziel von 20 Prozent bis Ende 2025 scheint kaum erreichbar. Noch ernüchternder fällt der Blick auf die Gesamtzahlen aus: Nur 3 Prozent aller Messlokationen in Deutschland sind mit einem intelligenten Messsystem (Smart Meter) ausgestattet.
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Während Länder wie Spanien, Frankreich oder die nordischen Staaten längst Durchdringungsraten zwischen 90 und 100 Prozent melden, stagniert der Rollout hierzulande – und das trotz gesetzlicher Verpflichtung und jahrelanger Vorbereitung. Besonders eklatant sind die Unterschiede nach Unternehmensgröße: Große Messstellenbetreiber mit mehr als 500.000 Zählpunkten schaffen im Schnitt 22 Prozent, kleine Betreiber mit weniger als 30.000 Messlokationen hingegen nur 5,2 Prozent. Die von der BNetzA erfassten 810 grundzuständigen Messstellenbetreiber verdeutlichen eine Situation, die weit vom digitalen Echtzeitnetz entfernt ist.
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Für die Energiewende ist das ein Problem. Denn Smart Meter sind Voraussetzung dafür, Stromverbrauch, -erzeugung und Netzbelastung in Echtzeit zu steuern. Ohne sie bleibt die Einspeisung erneuerbarer Energien ein Blindflug – Netzbetreiber wissen oft nicht, wo Stromüberschüsse entstehen oder Engpässe drohen. Moderne Steuerung, flexible Tarife oder eine effiziente Netzauslastung bleiben Theorie, solange Zählerstände noch analog erfasst werden müssen.
Auch die Wirtschaft zeigt sich zunehmend frustriert. Bastian Gierull, CEO von Octopus Energy Germany, nennt das Tempo „quälend langsam“: „Ein Anstieg von 0,2 Prozent im letzten Quartal ist kein Zeichen von Aufbruchstimmung. Mit dem aktuellen Tempo ist ein flächendeckender Rollout undenkbar.“ Gierull fordert eine Entbürokratisierung des Prozesses und eine zentrale Datenplattform, um den bislang zersplitterten Markt aus über 800 Akteuren effizienter zu machen. Zudem brauche es einfache, kostengünstige „Smart-Meter-light“-Lösungen, damit nicht nur energieintensive Verbraucher*innen, sondern alle Haushalte von digitaler Messung profitieren.
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Warum aber dauert der Rollout in Deutschland so lange? Fachleute nennen mehrere Gründe: Zum einen gelten sehr hohe technische und sicherheitsbezogene Anforderungen an die Smart-Meter-Gateways – laut Branchenexperten „IT-Sicherheitsstandards auf Geheimdienstniveau“. Zum anderen hemmen komplizierte Zulassungsverfahren und unklare Zuständigkeiten zwischen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Bundesnetzagentur und lokalen Versorgern den Fortschritt. Hinzu kommt eine Organisationsstruktur, die mit rund 900 Netz- und Messstellenbetreibern historisch gewachsen, aber kaum koordiniert ist.
Zugleich fehlen Marktanreize: Für viele Betreiber lohnt sich der Einbau der teuren Systeme finanziell kaum, insbesondere wenn Hausanschlüsse klein oder technisch schwierig sind. Tarife mit variablem Strompreis, die den Mehrwert intelligenter Zähler spürbar machen würden, sind bislang kaum eingeführt.
Dabei wäre der Nutzen enorm. Smart Meter ermöglichen eine präzisere Steuerung des Stromnetzes, machen dynamische Preise möglich und sind Grundlage dafür, dass Wärmepumpen, E-Autos und Solarspeicher intelligent interagieren können. Die langsame Umsetzung gefährdet die Klimaziele ebenso wie die Versorgungssicherheit – und droht, die Energiewende unnötig teuer zu machen.
Noch bleibt Zeit, gegenzusteuern. Doch ohne politischen Druck, Entbürokratisierung und mehr Wettbewerb im Messwesen wird Deutschland auch 2030 noch über Rollout-Quoten debattieren – während die digitalen Stromnetze anderswo längst Realität sind.