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Kommentar zur EEG-Novelle

Berlin ignoriert eigene Gutachter

Schon seit Februar dieses Jahres liegt der Bericht des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg zum EEG-Erfahrungsbericht vor. Darin empfehlen die Autoren, auf die Belastung des selbst verbrauchten Solarstroms mit einer EEG-Umlage zu verzichten. Alternativ wären erheblich höhere Vergütungssätze fällig, um den Zubau nicht größtenteils auszubremsen. Die vom Bundeswirtschaftsministerium angebotenen 0,6 Cent pro Kilowattstunde würden dann bei weitem nicht ausreichen.

Die Wissenschaftler des ZSW gehen davon aus, dass bei einem durchschnittlichen Eigenverbrauchsanteil von 30 Prozent und einer Strompreissteigerungsrate von 2,3 Prozent pro Jahr bei einer Belastung des Eigenverbrauchs mit sechs Cent pro Kilowattstunde die Vergütung um 2,6 Cent pro Kilowattstunde erhöht werden müsste, um die Wirtschaftlichkeit von neuen Solarstromanlagen zu ermöglichen. Sollte die Vergütung aber um diesen Wert angehoben werden, geht die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht mehr auf. Dann würde die Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage nicht nur zu keiner Minderbelastung der Stromverbraucher führen, sondern im Gegenteil. Eine höhere Vergütung bedeutet im jetzigen Wälzungsmechanismus eine höhere EEG-Umlage. Selbst wenn die Anlagenbetreiber 30 Prozent ihres Stroms selbst verbrauchen, dafür sechs Cent pro Kilowattstunde EEG-Umlage bezahlen und den Rest ins Netz einspeisen, müssten die Netzbetreiber immerhin 2,6 Cent pro Kilowattstunde mehr vergüten – mit den entsprechenden Auswirkungen auf das EEG-Konto.

Das Gesamtsystem im Blick

Die Stuttgarter Gutachter haben aber nicht nur die Kosten für die Verbraucher im Blick, sondern auch das Gesamtsystem. „Die Gestaltung der Rahmenbedingungen und Anreize für Eigenverbrauch sollten sich nicht nur an der Renditeoptimierung für den Anlagenbetreiber orientieren“, empfiehlt das ZSW. Vielmehr sollten Anreize geschaffen werden, um die Energiebilanz, zugehörige Marktpreise wie variable Strompreise und auch die Reduzierung der lokalen und regionalen Netzbelastung durch Begrenzung der Einspeisespitzen beim Eigenverbrauch berücksichtigt werden. Deshalb empfiehlt das ZSW auch, den Eigenverbrauch von den Netzentgelten weiterhin zu befreien. So weit ist die Politik in Berlin zwar noch nicht. Doch damit haben die Stuttgarter Wissenschaftler schon einmal das zweite Damoklesschwert entschärft, das über den Anlagenbetreiber im Eigenverbrauch schwebt. Die Branche wäre an diesem Punkt sogar gesprächsbereit, wie Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbrandes für Solarwirtschaft (BSW-Solar), betont. Denkbar wäre hier, die Netzentgelte in einen Leistungs- und einen Arbeitspreis zu splitten. Das ist durchaus fair, da die Eigenverbraucher von Solarstrom durchaus nicht autark sind, sondern ihren restlichen Strom aus dem Netz beziehen.

Energiewende wird ausgebremst

Mit ihren Berechnungen führen die Autoren des Berichts die vom Bundeswirtschaftsministerium selbst angestellten Berechnungen ad absurdum. Ob dieser Bericht jetzt noch zur Entscheidungsfindung im Bundestag beiträgt, bleibt abzuwarten. Immerhin lag der Bundesregierung der Bericht schon vor, als der Gesetzentwurf noch in der Ausarbeitung war. Dass sich das Wirtschaftsministerium in Berlin beratungsresistent ist hat es schon bei der Nichteinbeziehung der Stellungnahmen der Verbände der erneuerbaren Energien bewiesen. Doch immerhin hat das Bundeswirtschaftsministerium den Bericht beim ZSW selbst in Auftrag gegeben. Jetzt die eigenen Untersuchungen nicht mit in die Bewertung einzubeziehen, wenn sie nicht in die eigene Argumentationskette passen, grenzt aber an höchstministerielle Ignoranz. Die privaten und mittelständischen Stromverbraucher müssen diese Ignoranz ausbaden. Immerhin besteht dann die Gefahr, dass sie eine unnötig höhere EEG-Umlage bezahlen müssen, wenn die Vergütungssätze wieder steigen und wieder mehr Solarstrom ins Netz fließt, statt dass er am Produktionsstandort gleich selbst verbraucht wird. Wenn der Ausbau der Photovoltaik weitestgehend zum Erliegen kommt, weil die Anlagen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind, wird auf der anderen Seite das System der zentralen Stromversorgung aus fossilen Kraftwerken weiter zementiert, mit entsprechenden Folgen für die Umwelt. Das kann auf keinen Fall im Sinne des Verbrauchers sein.

Sven Ullrich

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